Bunte Magazin

DAGMAR BERGHOFF

DAGMAR BERGHOFF ist seit fast 17 Jahren Witwe. Ihr Mann fehlt der früheren „Tagesschau“-Sprecherin immer noch sehr. Im Tod hofft sie auf ein Wiedersehe­n mit ihm im Meer, wie sie im BUNTE-Podcast erzählt

- Stephanie Göttmann

Früher, wenn es ihr manchmal nicht so gut ging, suchte Dagmar Berghoff, 74, eine Wahrsageri­n auf. Sie war gerade auf der Schauspiel­schule in Hamburg, als sie mal wieder eine Unsicherhe­it verspürte und Rat wollte. Die Wahrsageri­n sagte ihr: „Ich sehe Sie nicht, ich sehe Sie nicht auf der Bühne, ich sehe Sie in geschlosse­nen Räumen.“Ihr Gedanke war: „Oh Gott, mein Vater behält recht, ich muss doch Sekretärin werden in geschlosse­nen Räumen, im Büro. Erst viel später fand ich, dass das eigentlich eine ganz gute Voraussage war.“

23 Jahre sprach Berghoff in einem Hamburger Fernsehstu­dio die Nachrichte­n in der „Tagesschau“. Als sie 1976 begann, war sie in der von Männern dominierte­n Redaktion die einzige Frau. Am 31. Dezember 1999 trat sie von ihrem Posten als Chefsprech­erin der ARD-Nachrichte­nsendung ab. Sie hatte den großen Wunsch, Zeit mit ihrem geliebten Ehemann zu verbringen.

1991 hatte Berghoff den Chefarzt der Chirurgisc­hen Abteilung des Israelitis­chen Krankenhau­ses in Hamburg geheiratet. Doch nur ein halbes Jahr nach ihrem TVAus erkrankte ihr Mann Peter Matthaes an Bauchspeic­heldrüsenk­rebs. Wenige Monate nach der furchtbare­n Diagnose starb ihr geliebter „Pit“im Januar 2001 im Alter von 67 Jahren in ihren Armen. „Er war sowohl Arzt als auch Patient. Und als Patient hast du Hoffnung. Er sagte zu mir irgendwie immer: ‚Weißt du, ich muss nur ein bisschen mehr essen, dann schaffen wir das schon.‘“, erinnert sie sich im Interview mit Nina Ruge im Podcast „Das BUNTE Gespräch“(s. Kasten). Dabei habe er genau gewusst, dass die Krankheit sein Todesurtei­l sein würde. „Ich glaube, dass um die Seele eine Art Kokon gelegt wird“, erklärt Dagmar Berghoff. „Damit du das erträgst, zusammen mit dem Patienten. Denn der weiß, was das ist, Bauchspeic­heldrüsenk­rebs. Und so ist es auch bei mir gewesen. Irgendwie habe ich mir nie vorstellen können, dass er wirklich daran sterben könnte.“

Noch drei Monate nach dem Tod ihres Ehemanns habe sie sich „in Schockstar­re“befunden. „Ich bin kaum rausgegang­en und habe mich ganz, ganz graumäusig

Ich werde mich seebestatt­en lassen wie mein Mann und ihm hinterhers­chwimmen

gekleidet“, erzählt sie. „Ich musste erstmals wieder meine einzelnen Teile zusammense­tzen. Ich habe mich gefühlt wie ein Mensch, der auseinande­rgebrochen ist.“

Ein Kollege habe sie animiert, wieder zu arbeiten, nachdem sie auch ihre anderen TV-Produktion­en wie „Heimat in der Ferne“abgesagt hatte, um an der Seite ihres Mannes zu sein. Der Job habe sie abgelenkt und ihr geholfen, den Schmerz einigermaß­en zu ertragen. „Und noch etwas: Ich habe schon gemerkt, dass die Zeit dein Freund ist. Nicht, dass das weggeht, aber mit jedem Tag, nach jedem Monat, später sogar nach jedem Jahr wird es lebbarer. Man kann dann wieder leben“, sagt sie.

Doch Dagmar Berghoff nahm auch profession­elle therapeuti­sche Hilfe in Anspruch, um ihren schweren Verlust zu bewältigen. „Ich konnte nicht glauben, dass Pit tot ist“, sagt sie. „Irgendwann im Mai, mein Mann ist Ende Januar gestorben, sagte eine Freundin: ,Ich warte auf meinen Mann, der kommt heute aus New York.‘ Und dann sagte ich: ‚Ich warte auch auf meinen Mann.‘ Worauf sie sagte: ‚Wie?‘ Und dann habe ich gemerkt, irgendwas läuft hier wohl gerade schief. Durch Vermittlun­g bin ich zu einer sehr guten Therapeuti­n gekommen, die mir das Wort ‚Witwe‘ beibrachte. Ganz schmerzhaf­t.

Witwe. Ich war eine Witwe. Das war auch wieder ein Schock für mich, dass ich eine Witwe bin. Doch als ich das begriffen hatte, konnte ich akzeptiere­n, dass er gestorben war.“

„Die Wunde“aber bleibe für immer bestehen, macht sie deutlich. „Ich habe mir das immer so vorgestell­t, dass die Zeit eine Art Balsamtuch über diese Wunde legt. Und dann wieder eines. Und noch eines. Und noch eines. Dann wird der Schmerz ein bisschen abgefedert. Und das ist so.“

Wo geht sie heute hin, wenn sie an ihren Mann denkt, fragt Nina Ruge. Schließlic­h hatte ihr Mann eine Bestattung auf

See gewählt. „Ja, er wollte das so. Das finde ich auch gut. Denn an jedem Strand, an dem ich bin, oder besonders in der Zeit nach seinem Tod, da habe ich mich gefragt, Pit, bist du das jetzt, die Welle, die da gerade kommt? Nee, die ist zu sanft. So sanft bist du nun auch nicht. Oder diese da, die ist zu überbreche­nd, das bist du auch nicht. Das war ein Trost.“

Dagmar Berghoff hat für ihren eigenen Tod auch schon genaue Vorstellun­gen: „Ich werde das auch machen, mich seebestatt­en lassen, möglichst an demselben Ort wie mein Mann, und ihm hinterhers­chwimmen. Er wollte unbedingt in die Nordsee, um runter in den Indischen Ozean schwimmen zu können sozusagen. Als Partikelch­en. Und nicht in die Ostsee. Nee, Nordsee. Das ist handfester.“Glaubt sie wirklich an ein Wiedersehe­n? „Ich bin nicht gläubig. Das hat sich nicht verändert“, antwortet Dagmar Berghoff. „Aber es ist irgendwie ein tröstliche­r Gedanke, dass man hinterhers­chwimmt.“

AUCH IHR MANN HATTE EINE BESTATTUNG AUF SEE GEWÄHLT …

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 ??  ?? ATTRAKTIVE DAME Dagmar Berghoff sprach 23 Jahre die Nachrichte­n in der „Tagesschau“. Sie lebt allein in Hamburg
ATTRAKTIVE DAME Dagmar Berghoff sprach 23 Jahre die Nachrichte­n in der „Tagesschau“. Sie lebt allein in Hamburg
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Dagmar Berghoffs letzte „Tagesschau“war am 31.12.1991
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LEBENSLIEB­E Dagmar Berghoff und Peter Matthaes hatten 1991 geheiratet, 2001 starb der Chirurg an Krebs

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