Martin Richenhagen:
MARTIN RICHENHAGEN leitet als einziger Deutscher einen amerikanischen Weltkonzern. Dabei war er mal Religionslehrer. BUNTE besuchte den Spitzenmanager auf seinem Anwesen in Atlanta, USA
BUNTE besuchte den „Traktor-König“in Atlanta
Martin Richenhagen kennt so ziemlich jeden, der politisch und wirtschaftlich in den USA etwas zu sagen hat. Der 65-jährige Kölner ist nicht nur gut bekannt mit dem früheren USPräsidenten George W. Bush, sondern beriet auch dessen Nachfolger Barack Obama. Seit 2004 ist Richenhagen Chef des Landmaschinen-Herstellers AGCO (Fendt, Challenger) – und damit einer von drei Deutschen, die ein Fortune-500-Unternehmen in den USA führen (also eine der 500 erfolgreichsten US-Aktiengesellschaften). Dabei deutete zu Beginn seiner Karriere so rein gar nichts darauf hin, dass er einmal einer der erfolgreichsten deutschen Manager werden würde: Nach dem Abitur studiert Richenhagen Romanistik und Theologie, geht dann als Religionslehrer ans Gymnasium und betreibt nebenbei als Reitlehrer einen Pferdestall und einen Antiquitätenladen. Erst auf Anraten seines Reitkumpels Jürgen Thumann (ehemaliger Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie) wechselt Richenhagen in die Wirtschaft. Eine Entscheidung, die er nie bereut hat: Im Sommer 2017 wurde Richenhagen auf die Liste „der am meisten bewunderten CEOs“gewählt, hinter Amazon-Gründer Jeff Bezos, Disney-Chef Bob Iger und Milliardär Warren Buffett, aber punktgleich mit Apple-Boss Tim Cook und den mächtigen CEOs von Microsoft, Pepsi und Walmart. „Ich weiß auch noch nicht so genau, wie ich zu der Ehre gekommen bin“, frohlockt er beim BUNTE-Interview in typisch rheinischer Manier. „In Deutschland umgeben sich Manager ja gern mit einer gewissen Aura. Da gehört es zum Vorstandsvorsitzenden, dass er abgehoben ist und glaubt, er sei der Größte. Und das zeigt er auch: Er hat teure Uhren, ein teures Auto, teure Klamotten und so weiter. In Amerika funktioniert das so nicht. Selbstdarsteller wie einen Thomas Middelhoff finden Sie bei uns nicht. Hier geht’s mehr um Zahlen und den tatsächlichen Unternehmenserfolg.“
Richenhagen selbst gibt sich betont bescheiden, auch wenn er ein jährliches Einkommen zwischen zehn und zwölf Millionen Dollar hat. „Wir haben keine Haushälterin, weil ich nicht so gern jemand bei uns im Haus wohnen habe“, erklärt er. „Aber wir haben eine Putzfrau, einen Gärtner und einige Mitarbeiter im Stall, die nicht bei uns leben. Ich habe auch keinen Chauffeur. Ich fahre selbst ins Büro.“Richenhagen hält kurz inne. Dann sagt er: „Dafür habe ich vier Piloten.“Er grinst. Die Pointe ist ihm gelungen.
Doch er räumt ein: „Das ist in Amerika nicht so ungewöhnlich. Hier legt man eben große Strecken zurück. Und es gibt Wochen, da bin ich jeden Tag woanders auf der Welt unterwegs.“
Seit 2004 lebt Martin Richenhagen mit seiner Frau Brigitte und drei erwachsenen Kindern in der Nähe der US-Metropole Atlanta, wo AGCO seinen Firmensitz hat. Für BUNTE öffnete er die Türen zu seinem traumhaften Anwesen, inklusive Oldtimersammlung und prachtvollem Pferdestall. Vieles hat das Paar aus Deutschland mit nach Amerika gebracht, „teilweise Sachen, die ich als Student quasi aus dem Sperrmüll gezogen habe. Heute sind das Antiquitäten, wundervoll aufgearbeitet.“Richenhagen hat ein Faible für alte Dinge und „Nippes“. Regelmäßig sieht er sich die ZDF-Trödel-Show „Bares für Rares“an, in der alte Fundstücke bewertet und verkauft werden. „Ich bin Riesenfan“, sagt er (und meint das tatsächlich ernst). „Ich gucke auch immer ‚Küchenduell‘ oder ‚Küchenschlacht‘, jeden Tag. Und wenn ich mal nicht da bin, nehme ich das auf. Ich koche gern und probiere die Menüs dann zu Hause aus.“Seine Ehefrau beschwere sich regelmäßig, wenn er „mal wieder zu viel rumdekoriere. Dann räumt sie die Sachen wieder weg“, erzählt er und rollt mit den Augen.
Martin Richenhagen ist ein Mann, der auch gern und viel shoppt, „immer mehr online“, aber: „Zum Klamottenkaufen fliegen meine Frau und ich am liebsten nach New York.“Stilvolles Auftreten ist ihm wichtig. Ein promovierter Agraringenieur habe ihn mit seinem Kleidungsstil schon mal „an den Rand der Verzweiflung gebracht“, erklärt er: „Da stimmte nichts: grünes Hemd, rote Krawatte, blaue Socken, schwarze Hose, braunes Jackett – völlig daneben. Da habe ich ihn mir vorgeknöpft – und ihn letztlich mit meiner Frau zum Einkaufen geschickt. Sie hat ihm Stapel gemacht für jeden Tag: Hemd, Socken, Krawatte. Dann lief es.“Bei den Shoppingtrips in New York stoppt Richenhagen meistens auch bei seinem Schneider Ali Ansari in der 5th Avenue, der ihm seine Maßanzüge anfertigt. „Donald Trump lässt seine Anzüge dort auch machen, doch bei ihm sitzen sie wahnsinnig schlecht. Er hat einfach keinen Stil, kauft aber immer die teuersten Stoffe und das feinste Garn. Dennoch sieht er unmöglich aus.“Von US-Präsident Trump hält Richenhagen auch sonst „wenig bis nichts“. Vor einigen Monaten lud Trump ihn zu einem Abendessen mit anschließender Diskussion ein. „Das macht er ganz gut eigentlich“, lobt Richenhagen. „Erstaunlicherweise kann er sehr gut zuhören. Er ist auch interessiert an Fachwissen und anderen Meinungen – aber in dem, was er sagt, ist er genauso oberflächlich und substanzlos, wie ihn die breite Öffentlichkeit erlebt. Er hat keinerlei Benehmen und Anstand. So wie man ihn im Fernsehen sieht, ist er. Er ist authentisch. Und das ist das Erschreckende.“
Für Trumps Kabinett findet US-Kenner Richenhagen allerdings anerkennende Worte: „Er hat sich mit vielen guten Leuten umgeben.“Richenhagen kennt Außenminister Rex Tillerson gut, mit Landwirtschaftsminister Sonny Perdue verbindet ihn sogar eine lockere Freundschaft. „Als er noch Gouverneur von Georgia war, lud er mich zur Wachteljagd ein. Ich habe abgesagt, weil ich kein Jäger bin. Daraufhin rief er mich an und sagte: ‚Mein Sohn, ich erkläre dir das jetzt mal: In Amerika gibt es Sissies – Weicheier. Und Männer. Männer jagen, Weicheier nicht. Kauf dir eine Schrotflinte und dann kommst du zur Jagd. Ich erkläre dir, wie das geht.‘ Und genauso war das.“Und hat er dann tatsächlich gejagt? „Natürlich“, antwortet Richenhagen. „Am ersten Tag habe ich drei Wachteln geschossen, am zweiten Tag zwölf. Die Wachteln wurden vakuumiert zum Mitnehmen, die haben wir dann zu Hause gegessen. Aber generell ist Schießen nichts für mich.“
Kaum ein Manager ist so gut vernetzt wie Martin Richenhagen. Als ihm Ende November der Global Leadership Award im InRestaurant „Cipriani“am New Yorker Broadway verliehen wurde, kamen neben Linde-Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle u. a. auch Stephanie und Karl-Theodor zu Guttenberg. Mit dem ehemaligen Bundesverteidigungsminister verbinden ihn nicht nur politische und wirtschaftliche Bande, sondern auch die Liebe zu den Pferden: Richenhagen und seine Frau sind begeisterte Reiter, in Atlanta züchten sie selbst Pferde, hin und wieder lassen sie wertvolle Hannoveraner Dressurpferde aus Deutschland einfliegen. Richenhagen war bis vor wenigen Jahren in seiner knappen Freizeit als Dressurrichter engagiert, bei den Olympischen Spielen 2008 gewann er als Chef d’Equipe mit der Deutschen Reiternationalmannschaft die Goldmedaille. Auch zu Guttenbergs besitzen Pferde, die Töchter reiten Springen, Stephanie zu Guttenberg „ganz ordentlich Dressur, besser als ihr Mann. Aber KT macht das auch nicht schlecht“, urteilt Richenhagen. „Die sind ganz nette Leute, vor allem sie ist sehr gut aussehend und dabei auch noch sympathisch“, sagt er in seiner unnachahmlich direkten Art. „Ich habe KT auf einem Reitturnier kennengelernt und zu ihm gesagt: ‚Ich fand Sie ja immer ganz gut. Aber meine Frau fand Sie immer sehr arrogant.‘ Darauf sagte er: ‚Sehen Sie, da haben Sie beide recht.‘ Das fand ich schon mal ganz sympathisch.“
ER WAR MIT PRÄSIDENT TRUMP ESSEN – UND FAND IHN UNMÖGLICH