Dieter Wedel:
Wieso einflussreiche FILM-MÄNNER ihre Macht missbrauchen – und wieso es ihnen in der Branche so leicht gemacht wird
Sex-Vorwürfe gegen den StarRegisseur – aber seine Frau verteidigt ihn!
Die Diskussion um sexuellen Missbrauch hat in Deutschland eine neue Dimension erreicht: Seit drei Frauen im „Zeit“-Magazin den Erfolgs-Regisseur Dieter Wedel, 75 (z.B. „Der große Bellheim“), sexueller Übergriffe bzw. der sexuellen Nötigung beschuldigen, ist die #MeToo-Debatte neu entbrannt. Erstmals wird ein Mann öffentlich beim Namen genannt, an den Pranger gestellt, wie viele es nennen, zum „deutschen Weinstein“gestempelt. Detailliert und in eidesstattlichen Versicherungen beschreiben zwei der drei ehemaligen Schauspielerinnen, Patricia Thielemann, 53, und Jany Tempel, 48, wie Wedel sie in den 90er-Jahren jeweils in Hotels in Bremen und München belästigt beziehungsweise mit körperlicher Gewalt zum Sex gezwungen haben soll. Wedel selbst bestreitet die Vorwürfe vehement und ebenfalls in eidesstattlicher Versicherung. Es steht Aussage gegen Aussage. Für beide Taten, so sie denn stattgefunden hätten, ist kein Richter mehr zuständig: Sie sind nach 20 Jahren verjährt.
Doch rein juristisch ist dem Problem nicht beizukommen, zu viele unbeantwortete Fragen und Gedanken mit moralischem Anstrich ploppen immer wieder hoch: Wieso schweigen Frauen jahrzehntelang? Wieso schweigen mögliche Mitwisser jahrzehntelang? Sind die Film- und Theaterbranche, wo körperliche Nähe und Intimität sozusagen zum Handwerkszeug gehören, ein besonders fataler Nährboden für männlichen Machtmissbrauch? Macht sich eine Anklägerin wie Patrica Thielemann unglaubwürdig, wenn sie im selben Atemzug in ihrem Buch „Aufrecht, stark und klar im Leben“bekennt, für eine Aufent-
haltsgenehmigung in den USA würde sie, wenn nötig, auch mit dem Regisseur Oliver Stone, 71, schlafen?
BUNTE bat die Schauspielerin Maren Kroymann, 68, um eine Einordnung – und erstmalig und exklusiv in BUNTE äußert sich auch Uschi Wolters, 70, die Ehefrau von Dieter Wedel.
Frau Kroymann, ist die Filmbranche anfällig für Übergriffe? Missbrauch passiert in allen Berufen. Und Frauen, die in prekären Situationen leben, sind besonders gefährdet. „Wenn du das nicht machst, kriegst du den Job nicht, die Wohnung nicht.“Über diese Frauen redet nur keiner, denn sie sind nicht prominent.
Dann liegt es nur an den prominenten Opfern, dass man dieses Gefühl hat? Nein, es liegt an einer gewissen Willkür der Karrieregestaltung. Es gibt wenig objektive Kriterien beim Schauspiel. Ein Regisseur hat die künstlerische Freiheit, eine Rolle mit der Person zu besetzen, die ihm gefällt. Mit der er vielleicht sogar gern Sex hätte. Da ist der Grat ziemlich schmal und das Machtgefälle gigantisch. Hollywoods Besetzungscouch ist legendär. Gerade bei jungen Frauen wird oft gesagt, die müssen noch gar nicht viel können, sondern für den Job brennen, hungrig sein, was aushalten können. Manche glauben dann, dass sexuelle Annäherung auch dazugehört. Andere setzen ihren Körper ganz bewusst ein – ein Klassiker. Es herrscht gerade bei den Jungen große Konkurrenz.
Hinzu kommt, dass Schauspiel ein sehr körperlicher Beruf ist. Du musst dich hingeben, heißt es so schön. Am Set entsteht oft sehr schnell eine große Nähe, eine Intimität, nicht nur bei Liebesszenen. Du musst den Kontakt zum anderen suchen und dann ist es manchmal schwer zu unterscheiden: Ist das jetzt professionelle Nähe oder schon persönliche? Einige nutzen diesen Moment aus und werden übergriffig, andere verlieben sich am Set. Du brauchst schon eine gewisse Reife, um unterscheiden zu können.
Aber diese Nähe empfinden ja beide Geschlechter. Hier geht es um das Machtgefälle. Und da spielt dieser verheerende Mythos vom Genie eine Rolle. Der mächtige Mann, oft eben Regisseur, der die Frau brechen muss, um die Begabung aus ihr rauszuholen. Der sie erst entdeckt und formt. Dieses Brechen der Persönlichkeit ist menschenverachtend. Ich habe erlebt, wie Frauen bei Proben fertiggemacht und hinterher vom selben Typen unter körperlichem Einsatz wieder aufgebaut wurden. Diese Missbrauchssituation zwischen mächtigen Männern und den jungen karrierewilligen Frauen, das ist ein undemokratisches Verhalten. Inmitten einer Gesellschaft, die sich für sehr demokratisch hält.
Waren Sie selbst schon mal in einer solchen Situation? Ich habe früh gemerkt, dass ich dem nicht gewachsen bin, und das Theater nach meinen Anfangsjahren gemieden. Es ist kein Zufall, dass ich erst studiert habe und später mit meinem eigenen Programm in die Branche zurückgekehrt bin. Es gibt viele Frauen, die beschlossen haben, selbst Filme zu machen und Geschichten zu schreiben, um nicht abhängig von diesen Machtstrukturen zu sein. Es gibt auch erfolgreiche Schauspielerinnen, die ihre Karriere souverän durchgezogen haben, ohne sich dem zu unterwerfen. Das dauert dann eventuell etwas länger …
Warum kommt der Missbrauch in vielen Fällen erst heute zur Sprache? Teilweise 20, 30, 40 Jahre später? Vor 40 Jahren gab es noch gar kein Wort dafür. Ein Übergriff wurde nicht „Übergriff“genannt, sondern der Regisseur oder Produzent war eben ein „Filou“, ein „Frauenheld“, ein „Charmeur“. Der Begriff „Missbrauch“kam erst in den 80ern auf und damals waren es mutige feministische Journalistinnen, die die ersten Fälle von Kindesmissbrauch öffentlich gemacht haben. Vergewaltigung in der Ehe war vor 20 Jahren noch gar nicht strafbar. Auch die Kampagne „Nein heißt Nein“, die Heiko Maas durchgesetzt hat, ist ein wichtiger Meilenstein für das Bewusstsein der Frauen. Für Frauen war es jahrhundertelang normal, die Klappe zu halten. Jeglicher Protest wurde abgewertet, als Lappalie behandelt oder man hat sich über Feministinnen lustig gemacht. Sie seien einfach nur zu hässlich, um einen abzukriegen. Denken Sie nur an die Brüderle-Debatte. „Warum regt die sich auf über eine anzügliche Bemerkung über ihren Busen?“, hieß es damals. „In Afrika hungern die Menschen.“
Oft kommt noch Scham dazu… Genau. „Habe ich einen zu kurzen Rock getragen, ihn provoziert?“Viele Frauen üben gnadenlos Selbstkritik. Ich habe höchsten Respekt vor Frauen, die den Mut aufbringen und an die Öffentlichkeit gehen.
Viele Frauen, die mit diesem Thema an die Öffentlichkeit gehen, riskieren ihre Karriere. Das ist kein Zufall und wirft kein gutes Licht auf die Branche. Wir haben viel zu lange geschwiegen. Ein großer Fehler! Wir müssen unser Bewusstsein für solche Situationen schärfen und Frauen, die sich trauen, sexuelle Übergriffe öffentlich zu machen, wichtig nehmen. Ihnen nicht vorwerfen, dass sie sich nur wichtig machen wollen. Sonst bleibt alles beim Alten.
Und wie begegnet man Männern, die sagen, man könne kein Kompliment mehr machen, nicht mehr flirten, ohne Angst zu haben, falsch verstanden zu werden? Das ist absoluter Quatsch! Ich bin sehr für Flirten. Ich bin sehr für lebendige, witzige Kommunikation zwischen Menschen. Das Zauberwort heißt „Konsens“. Einverständnis. Das sieht man doch sofort, wenn man jemanden anguckt.