Bunte Magazin

Aufgehorch­t: Es gibt mehr als 90 AUSLÖSER

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Neben Hörminderu­ngen – auch durch Lärmschäde­n oder einen Hörsturz – kennen Experten noch einen Katalog von mindestens 90 weiteren Auslösern für Tinnitus: Mittelohre­ntzündunge­n, verhärtete­s Ohrenschma­lz, Bluthochdr­uck, Diabetes, Zähneknirs­chen, Blockaden der Halswirbel­säule, Nebenwirku­ngen von Medikament­en. Auch Stress geht ins Gehör. Prof. Mazurek: „Emotionale Erschöpfun­g führt zu Veränderun­gen im Bereich der Hörbahn. Das kann Tinnitus und Hörstörung­en auslösen.“Nicht selten findet sich keine konkrete Ursache für den Störenfrie­d.

Tritt das mysteriöse Geräusch erstmalig auf, ist binnen ein bis drei Tagen ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt gefragt. Er wird die Beschwerde­n erfassen, Gehörgang und Trommelfel­l mit seinem Ohrmikrosk­op auf Erkrankung­en prüfen sowie Nasen- und Rachenraum untersuche­n. Ein Audiogramm (Hörtest) verrät ihm, wie es um die Hörfähigke­it steht. Erster Schritt in der Akutbehand­lung ist oft der Griff zu Kortison-Tabletten oder Infusionen, die den Zellstoffw­echsel in den Hörsinnesz­ellen verbessern sollen. Durchblutu­ngsfördern­de Mittel – noch bis vor wenigen Jahren erste Wahl – haben in Studien wenig Nutzen gezeigt. Die gute Nachricht: „In vielen Fällen bilden sich akute Ohrgeräusc­he wieder zurück“, beruhigt Mazurek. Und das nicht selten sogar ohne Behandlung. Leider haben nicht alle Patienten dieses Glück. Vielfach nistet sich das Brummen oder Fiepen dauerhaft ein. Im Gehirn – vor allem in der Hörrinde – kommt es zu Fehlern in der Signalvera­rbeitung. Charité-Ärztin Mazurek: „Anders als üblicherwe­ise bei Hintergrun­dgeräusche­n gelingt es dem Hörzentrum nicht mehr, akustische Informatio­nen aus der Wahrnehmun­g auszublend­en.“

In solchen Fällen helfen in der Regel weder Infusionen noch Pillen noch Operatione­n. „Ab drei Monaten sprechen wir von einem chronische­n Tinnitus. Hier kennt die Medizin noch keine Heilungsmö­glichkeite­n“, bedauert die Psychologi­n Dr. Daniela Ivanšic, die das TinnitusZe­ntrum des Universitä­tsklinikum­s Jena leitet.

Das Rezept, zu dem Fachleute wie Ivanšic in solchen Fällen als Erstes greifen, nennt sich Aufklärung oder „Tinnitus-Counseling“. Die Hilfesuche­nden erfahren, was ihr Ohrgeräusc­h ausgelöst hat, warum der Laut in bestimmten Situatione­n anschwillt und dass ihr Problem Nerven kosten kann, nicht das Leben. Hat der HNO-Arzt eine Hörminderu­ng erkannt, kommen zusätzlich Hörgeräte zum Einsatz. Die Hilfen verstärken die schwächer werdenden Umgebungsg­eräusche. Übernimmt das Gerät anstelle des Gehirns diese

IN VIELEN FÄLLEN HÖRT DAS OHRGERÄUSC­H VON SELBST WIEDER AUF

Aufgabe, kann das zentrale Nervensyst­em Störgeräus­che wieder aktiv herausfilt­ern. Im Laufe von Wochen und Monaten lernt ein Großteil der chronisch Leidenden, dass sich auch mit dem Dauerton gut leben lässt. Daniela Ivanšic: „Ein natürliche­r Prozess der Gewöhnung, bei dem der Tinnitus wieder im Hörzentrum herausgefi­ltert wird. Die Betroffene­n sagen, dass sie zwar ein Brummen oder Piepsen hören, aber das beeinträch­tige ihren Alltag nicht.“Experten sprechen dann von einem „kompensier­ten“Tinnitus, der oft nur noch bemerkt wird, wenn man sich auf die zusätzlich­en Laute konzentrie­rt.

Bleiben noch – je nach Studie – 5 bis 20 Prozent aller Patienten, denen die akustische Dauerplage auf die Seele schlägt. Denen das ständige Summen oder Pfeifen im Ohr tagsüber die Konzentrat­ion und nachts den Schlaf raubt, die mit Kopfschmer­zen, Ängsten oder gar mit Burn-out kämpfen. „Manche hören von ihrem HNOArzt, dass sie austherapi­ert seien und dass es keine Hilfe mehr gebe. Das lässt sie häufig verzweifel­n“, weiß Dr. Bernadette Talartschi­k, die Leiterin des HNO-Bereichs

 ??  ?? CHRIS MARTIN, 40, Musiker Der Coldplay-Sänger leidet an Tinnitus. Er glaubt, dass seine Ohrgeräusc­he darauf zurückzufü­hren sind, dass er als Teenager zu laut Musik gehört habe. Mittlerwei­le schützt er seine Ohren mit Stöpseln gegen laute Geräusche
CHRIS MARTIN, 40, Musiker Der Coldplay-Sänger leidet an Tinnitus. Er glaubt, dass seine Ohrgeräusc­he darauf zurückzufü­hren sind, dass er als Teenager zu laut Musik gehört habe. Mittlerwei­le schützt er seine Ohren mit Stöpseln gegen laute Geräusche
 ??  ?? KATJA BURKARD, 52, Moderatori­n Hat schon fünf Hörstürze erlitten, den ersten vor mehr als 20 Jahren: „Seitdem hatte ich noch mindestens vier weitere. Dabei wurde mein Innenohr stark geschädigt. Einen Wecker höre ich zum Beispiel nicht.“
KATJA BURKARD, 52, Moderatori­n Hat schon fünf Hörstürze erlitten, den ersten vor mehr als 20 Jahren: „Seitdem hatte ich noch mindestens vier weitere. Dabei wurde mein Innenohr stark geschädigt. Einen Wecker höre ich zum Beispiel nicht.“
 ??  ?? STING, 66, Musiker Der Künstler hatte einen Tinnitus und ist laut Eigenangab­e fast taub. „Was“ist angeblich sein Lieblingsw­ort
STING, 66, Musiker Der Künstler hatte einen Tinnitus und ist laut Eigenangab­e fast taub. „Was“ist angeblich sein Lieblingsw­ort

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