Streiten verbindet
Erfahrene Gastronomen entwickeln die Gabe, ihre Gäste schon beim Betreten des Lokals treffsicher einzuordnen. Der gibt bestimmt kein Trinkgeld. Die bestellt nur eine Cola zero. Der will seiner Partnerin imponieren und wird unsere Kellner schikanieren. Doch am meisten fürchten sie jene Paare, denen man sofort ansieht, dass sie sich nichts mehr zu sagen haben; die, statt sich anzuschauen, lieber auf ihr Handy starren. Da wird der Dienst am Gast ein beklemmender Therapieversuch.
Es ist jene Sprachlosigkeit, an der viele Beziehungen zerbrechen. Man hat das Gefühl, alles schon hundertmal gesagt zu haben. Jeder Gag ist schon erzählt. Jedes Kompliment wirkt wie das Remake eines Originals. Jede noch so leise Kritik wird als Frontalangriff aufgefasst. Es herrschen nur noch Gleichgültigkeit und Resignation. Lieber nichts sagen, als noch einen Streit zu provozieren.
Dabei ist gerade ein Streit die Basis für eine harmonische Beziehung. Nicht umsonst spricht man von Streitkultur. In der Partnerschaftstherapie gilt ein Werk als Klassiker – sein Titel: „Streiten verbindet“.
In gewisser Weise leben uns FußballWeltmeister Thomas Müller und seine Frau Lisa das vor. Beide sind seit fast zehn Jahren verheiratet und träumen davon, auch in 50 Jahren noch ein Paar zu sein. Ihr Ehegeheimnis? „Eine gute Mischung aus Selbstständigkeit und Gemeinsamkeit ist wichtig“, sagt Thomas Müller, „dem Partner Verständnis entgegenbringen, ohne auf seine eigene Meinung zu verzichten.“Und dem Streit nicht aus dem Wege gehen. Wenngleich Lisa betont, dass „Thomas es hasst zu streiten“. Er sei es auch, der meist zuerst die Hand zur Versöhnung reicht. Sie selbst sei „da mehr der Dickkopf“. Thomas nennt das anders: „Das ist die Beharrlichkeit an ihr!“
In diesem Punkt kann der Fußballer für manchen von uns ein Vorbild sein. Bei ihm ist das Glas stets halb voll. Und er zeigt uns, was mancher im Laufe seiner Beziehung vergessen hat. Er liebt seine Lisa so, wie sie ist. Mit all ihren Stärken und mit all ihren Schwächen.
Ein Tempeldach braucht zwei starke Säulen.