Martin Walser: Über Ehe und überraschendes Familienglück
MARTIN WALSER Deutschlands bekanntester Schriftsteller spricht mit BUNTE über sein überraschendes Familienglück, erotische Verführung und die Ehe als sicheren Hafen
Er schreibt und schreibt und schreibt – ein Buch pro Jahr, darunter scheint Martin Walser unzufrieden zu sein: Im Alter von 91 Jahren ist er so produktiv und anstößig wie nie. „Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte“heißt sein neuer Roman. BUNTE traf Deutschlands bekanntesten Schriftsteller zum Hausbesuch in Nußdorf am Bodensee und sprach mit ihm über Vaterstolz, den spät entdeckten Sohn Jakob Augstein und über Freiheiten in der Ehe.
Wenn man in Ihrem Schreibzimmer sitzt und auf den Bodensee blickt, glaubt man, im Paradies zu sein… „Paradies“ist ein Wort, das man da lassen sollte, wo es hingehört – in der Bibel. Alle Versuche, es auf unsere liebe Erde runterzuholen, sind ja bekanntlich missglückt. Aber es stimmt, ich habe das schönste Arbeitszimmer der Welt. Und vor dem Ufer sieben Eichen, zwei haben wegen eines Pilzes keine Blätter mehr, aber einen kleinen grünen Schimmer im Frühling, das genügt mir.
Im Alter von 91 Jahren sitzen viele im Lehnstuhl, Sie sind enorm produktiv. Wie halten Sie sich als Schriftsteller fit? Mein Morgen beginnt mit 50 Kniebeugen, das erste Sportprogramm dauert 40 Minuten. Mittags gehe ich eine Stunde im Wald spazieren. Und abends mache ich 40 Minuten selbst ausgedachte Übungen. Ich will wieder wie immer täglich 45 Minuten im Bodensee schwimmen, das ist mein großes Ziel. Letztes Jahr spürte ich, dass meine Beine die Kraulbewegungen nicht mehr so mitmachen. Da blieb nur Rückenschwimmen.
Rauchen Sie noch? Gern, aber nur, wenn jemand kommt, der auch gern raucht. Dann wird eine kleine Feier daraus.
Was ist Ihr größtes Glück? Dass meine Kinder alle künstlerische Berufe ausüben, obwohl ich sie nicht dazu gedrängt habe. Ich habe kein bisschen erzieherisch manipuliert und benutze das Wort „Stolz“ungern, weil es wie Eigenlob klingt, aber ich fühle es. Alissas Prosa beglückt mich, Franziska sehe ich gern, wenn sie auf der Bühne spielt, Theresia schreibt Stücke, die aufregend schön sind. Und zu Johanna hat mir mal ein Mann bei einer Lesung gesagt, dass mein Name wegen ihrer Schreibkunst in Erinnerung bleiben wird: der Vater von Johanna! Etwas Besseres kann einem gar nicht passieren. Sie ist jetzt bei mir eingezogen und hilft mir sehr als meine Sekretärin, sie ist ein Engel zu Lebzeiten und liest natürlich auch meine Manuskripte zuerst.
DAS WORT „PARADIES“GEHÖRT IN DIE BIBEL