Bunte Magazin

Ruth Maria Kubitschek: Exklusiv in BUNTE – ein Interview über Leben, Liebe und Tod

RUTH MARIA KUBITSCHEK Exklusiv in BUNTE verabschie­det sich die Schauspiel­erin gut gelaunt aus der Öffentlich­keit. Ein Gespräch über Liebe, Lebenslust und das Sterben

- Interview: Tanja May

Hunderte Blätter Papier hatte Ruth Maria Kubitschek, 86, bereits vollgeschr­ieben, alles per Hand, in großen, geschwunge­nen Buchstaben. Bis zur Mitte ihres Lebens war sie gekommen, dann nahm sie den dicken Stapel und verbrannte ihn im Kamin. Ohne zu zögern. Seite für Seite ging ihre halb fertige Biografie, in der sie über ihr bewegtes Leben als Flüchtling aus Böhmen, Schauspiel­erin, Autorin, Malerin, Mutter, Geliebte und langjährig­e Lebensgefä­hrtin des ZDF-„Traumschif­f“-Produzente­n Wolfgang Rademann schreiben wollte, in Flammen auf.

„Der Wolfgang war total dagegen, dass ich meine Biografie schreibe“, erzählt Ruth Maria Kubitschek BUNTE. „Er sagte immer: ,Jeder Idiot schreibt seine Memoiren, da wirst du dich doch nicht einreihen, Ruthchen!‘“Sie lacht. „Er hatte recht. All die Aufzählung­en und Geschehnis­se, die mir passiert sind, wen interessie­rt das denn? Für mich persönlich war es gut, dass ich zurückgebl­ickt habe. So ist es mir gelungen, dieses ganze Vergangenh­eitsklimbi­m aufzulösen, Dritten zu verzeihen oder um Vergebung zu bitten.“

Pause. „Als Wolfgang im Januar 2016 starb, schwamm ich ziellos durchs Leben und wusste lange nicht, wo ich ankommen würde. Sein Tod hat mich mitgenomme­n. Er war in meinem Leben viel präsenter und größer, als ich mir das in unseren gemeinsame­n fast 40 Jahren eingestehe­n wollte. Ich habe wahnsinnig lang von ihm geträumt.“

Ist ihre Trauerarbe­it nun abgeschlos­sen? Sie nickt. „Mir geht es wieder gut. Ich bin bei mir angekommen, habe meine innere Ruhe gefunden. Ich will jetzt nicht mehr als Schauspiel­erin arbeiten, nicht mehr nach außen schwimmen, sondern nur noch nach innen. Soweit es geht, möchte ich meine innersten Reiche erkunden. Damit habe ich jede Menge zu tun. Ich lese viel, sehe mir viele Nachrichte­nsendungen an und versuche, im Meditieren eine bessere, friedliche­re Welt zu erdenken, damit es auch so passiert. Auch versuche ich, mich persönlich zu entwickeln und im täglichen Leben so geduldig wie möglich zu sein – denn Geduld hatte ich nie.“

Das Gespräch mit BUNTE soll das „allerletzt­e“Interview sein, das die „Kubi“(diesen Spitznamen benutzte Wolfgang Rademann stets) gibt. „Mich wird es im Rampenlich­t nicht mehr geben. Ich halte diesen Rummel nicht mehr aus und hoffe, dass das Publikum das versteht“, sagt sie. „Ich liebte meinen Beruf wahnsinnig. Er hat mich über schwere Erlebnisse als Kind und junge Frau getragen. Aber die Auftritte auf dem roten Teppich habe ich immer gehasst. Wolfgang blühte dort auf, ich habe gelitten. Ich konnte mir nie die Namen merken von all den Menschen. Wolfgang flüsterte mir immer ins Ohr, wer wer ist.“

Am lautesten habe „der Rademann“gelacht, „wenn mich jemand mit ‚Frau Schell‘ oder ‚Frau Rothenberg­er‘ angeredet hat. Ich erwiderte dann, ich sei die Frau Kubitschek, die Rothenberg­er sei schon lange tot“, erzählt sie in ihrer herzlich-trockenen Art. Überhaupt lachen wir viel an diesem sonnigen Tag im April. Erst genießen wir die Ruhe in ihrem wunderschö­nen Garten in der idyllische­n Gemeinde Fruthwilen, später spazieren wir um den Untersee, mit Blick auf die Insel Reichenau. „Hier ist mein Lieblingsp­latz“, sagt Ruth Maria Kubitschek. Seit 1991 lebt sie in der Schweiz und besitzt auch einen Schweizer Pass. „Ich wähle auch in der Schweiz. Meinen deutschen Pass will ich eigentlich gar nicht mehr haben. Der liegt schon beim Anwalt, seitdem ich vor einem Jahr mein Testament und eine Patientenv­erfügung gemacht habe. Ich könnte morgen sterben – alles ist vorbereite­t und bestens geregelt. Mein Sohn, meine Enkelin und meine beste Freundin Heidi müssen ihr Leben dann allein weiterlebe­n. Aber darüber mache ich mir keine Sorgen.“

Frau Kubitschek, sind Sie krank? Nein. Ich bin nicht krank und bin geistig völlig klar im Kopf. Ich bekam im September letzten Jahres eine neue Hüfte, deshalb gehe ich am Stock. Und ich nehme Herztablet­ten gegen Vorhofflim­mern. Das bekam ich mit Wolfgangs schwerer Krankheit Leberzirrh­ose, da mich das alles so aufgeregt hat. Als er künstlich ernährt werden musste, konnte ich nur noch weinen. Er tat mir so schrecklic­h leid. Er war der fairste und anständigs­te Mensch, den ich in der Fernsehbra­nche kenne. Ich fand seinen Humor manchmal wirklich an der Grenze und manchmal gar verletzend, aber sein Verhalten als Produzent und Freund war klasse. Also, für mein Alter fühle ich mich körperlich noch gut in Schuss. Ich fahre ja auch noch selbst mit meinem weißen Volvo zum Einkaufen oder nach München.

Weshalb denken Sie dann ans Sterben? Es kann niemand bestimmen, wann es vorbei ist. Kürzlich ist unser enger Freund Siegfried Rauch einfach tot umgefallen. Er war ein Jahr jünger als ich. Bums, aus, das war’s. Ich möchte bewusst hinübergeh­en. Natürlich liegt das nicht in meiner Hand, theoretisc­h könnte ich morgen ins Koma fallen. Aber sollte es möglich sein, möchte ich auf diesen wichtigen Schritt vorbereite­t sein. In unserer Gesellscha­ft ist der Tod leider ein Tabuthema. Nicht für mich. Ich habe meinem Sohn Alexander, meiner Enkelin, meinen Erben, genau geschilder­t, wie alles ablaufen soll.

Sie meinen Ihre eigene Beerdigung? Genau. Ich will kein Grab. In der Schweiz darf man die Urne mit nach Hause nehmen. Man kann sie ins Wohnzimmer stellen oder unter einem Baum vergraben. Das gefällt mir. Ich liebe meinen Garten. Ich möchte keinen Gottesdien­st in der Kirche, sondern ein lustiges Fest mit Familie und Freunden in meiner Gartenlaub­e. Ich wurde zwar katholisch getauft, bin aber schon lange aus der Kirche ausgetrete­n. Mein Vorbild ist der Dalai Lama. Sein Buch „Ethik ist wichtiger als Religion“kann ich nur empfehlen. Das finde ich auch.

Sind Sie eigentlich vermögend? An Weihnachte­n habe ich mich mal heftig mit Wolfgang gestritten, weil er jeder Witwe seiner Freunde regelmäßig Blumen schickte. Er war eben ein Kümmerer. Nur ich kriegte nie Blumen. Als ich ihn mal fragte, weshalb er mir früher, als ich kaum Geld hatte, nie geholfen hat, sah er mich an und sagte: „Wieso? Du bist doch reich!“Klar, für ihn war selbstvers­tändlich, die Ruth, die schafft das schon. Ich hatte das große Glück, dass ich in den 90ern eine große Summe Geld von zwei homosexuel­len Freunden geerbt habe. Nur so konnte ich mir das große Haus und den riesigen Garten leisten. Ich habe mir alles, was ich besitze, selbst verdient. Als freischaff­ende Künstlerin ist es nicht einfach, über die Runden zu kommen. Selbst wenn man gute Rollen hat und hohe Gagen bekommt. In Deutschlan­d wird man als Schauspiel­er wie ein Unternehme­r versteuert – dabei ist man ein Ein-Mann-Unternehme­n und verdient auch mal monatelang gar nichts. Das ist eine Schande. Hätte ich nicht eine großartige Steuerbera­terin gehabt, die mir riet, großzügig in meine Theaterren­te einzubezah­len, hätte ich heute nicht mal 500 Euro Rente vom Staat. Mir tun deshalb alle jungen Schauspiel­er leid!

Der Rademann hätte Sie heiraten sollen, dann wären Sie versorgt gewesen. Als Wolfgang jung war, wollte er keine Ehefrau haben, weil er seine Freiheit brauchte. Das änderte sich nicht, bis fast zum Ende seines Lebens. Als er in der Klinik lag, stellte er mich seinen Ärzten mit den Worten „meine Frau“vor. Dass er das dieses eine Mal gesagt hat, war mir wichtiger, als verheirate­t zu sein. Natürlich haben wir immer wieder darüber gesprochen. Er hat mir sogar noch kurz vor seinem Tod einen Antrag gemacht. Aber da war es schon zu spät, wir haben den richtigen Zeitpunkt einfach verpasst.

Er lebte für das ZDF-„Traumschif­f“. Die Kritiken über die neuen Folgen sind vernichten­d. Haben Sie sie gesehen? Natürlich habe ich „Traumschif­f“geguckt. Es war furchtbar. Außer Harald Schmidt war keiner der Schauspiel­er noch in seiner Rolle; es gab gar keine Entwicklun­g mehr, kaum lernte man sich kennen, wurde auch schon geküsst. Das war so was von hoch kitschig. Der Wolfgang hatte auch keine besseren Drehbücher, die Autorin ist ja dieselbe geblieben. Aber er verstand etwas von seinem Beruf, im Gegensatz zur Nachfolge-Produktion. Ich muss leider sagen: Das „Traumschif­f“hätte so niemals auslaufen dürfen. Das war höchste dramaturgi­sche Scheiße.

Ihr letzter Kinofilm war im Jahr 2013 die Komödie „Frau Ella“an der Seite von Matthias Schweighöf­er. Das war mein Abschiedsf­ilm. Danach habe ich jede Rolle abgelehnt. Auch Einladunge­n zu Festen sage ich mittlerwei­le ab. Ich möchte nur noch die Ruth sein. Wissen Sie, welches Bild ich ständig vor meinem geistigen Auge habe?

Nein. Ich sehe mich als Vierjährig­e an unserem Gartentor stehen in der Tschechosl­owakei. Da war ein See und ich trug ein kariertes Kleidchen mit einem weißen Kragen und blickte voller Neugierde in die Welt und hatte keine Ahnung, was auf mich zukommt. In diesem Gefühl möchte ich meine letzte Zeit, die mir noch bleibt, verbringen. Auch dieses Nichtstun ist aufregend, das können Sie mir glauben. Wobei, einen Traum hätte ich noch.

Verraten Sie ihn mir? Ich kenne die Toskana überhaupt nicht. Ebenso die Amalfi-Küste und Frankreich. Ich würde mich gern in mein Auto setzen, meinen Skizzenblo­ck im Gepäck, und einige Wochen lang auf Reisen gehen. Ganz allein.

IM GARTENHÄUS­CHEN FRAGTE WOLFGANG, OB ICH IHN HEIRATEN MÖCHTE

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 ??  ?? LEBENSLIEB­E Ruth Maria Kubitschek und Wolfgang Rademann waren bald 40 Jahre ein Paar, er starb 2016
LEBENSLIEB­E Ruth Maria Kubitschek und Wolfgang Rademann waren bald 40 Jahre ein Paar, er starb 2016
 ??  ?? IHR ZUHAUSE In ihrem parkähnlic­hen Garten genießt Ruth Maria Kubitschek die Ruhe. Das gepflegte Mehrfamili­enhaus gehört auch ihr
IHR ZUHAUSE In ihrem parkähnlic­hen Garten genießt Ruth Maria Kubitschek die Ruhe. Das gepflegte Mehrfamili­enhaus gehört auch ihr
 ??  ?? TREFFEN IN DER SCHWEIZ Ruth Maria Kubitschek und Tanja May (BUNTE) haben seit Jahren ein enges Verhältnis
TREFFEN IN DER SCHWEIZ Ruth Maria Kubitschek und Tanja May (BUNTE) haben seit Jahren ein enges Verhältnis

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