Seit 50 JAHREN sind sie EIN PAAR
Ja, das war ein Irrtum. Ich war der Meinung, dass das Wirtschaftswachstum, dass alles immer größer wird, irgendwann aufhören muss. Das wäre dann das Ende des Kapitalismus. Durch die Übermacht der ganz großen Konzerne wird dieser Prozess aufgehalten und kann noch lange dauern.
Sie sehen das mit Argwohn? Ja, natürlich. Auch, weil ich vieles nicht mehr erleben werde. Die Jahre sind absehbar.
Die Uhr tickt immer schneller? Die Zeit vergeht rasend schnell und immer schneller, wenn man älter wird, das ist keine Einbildung.
Wie gehen Sie damit um? Ganz gelassen. Der Gedanke an den Tod macht keine Angst mehr. Es bleibt die Angst vor dem Sterben. Wie wird der Tod uns erwischen? Wird es leidvoll sein, wird es lange dauern, wird es schnell gehen?
Sprechen Sie mit Ihrer Frau über diese Fragen? Nein, meine Frau gehört eher zu den Menschen, die nicht darüber sprechen wollen. Das ist etwas, was ich mit mir selbst ausmache.
Dennoch scheinen Sie und Ihre Frau gut zusammenzupassen. Haben Sie eine Erklärung dafür? Es ist die menschliche Seite, die man an jemandem liebt. Auch jenseits der Erotik und Sexualität, dass man ihn einfach mag, gern anschaut, gern berührt. Dass man gern gemeinsam alt wird. Das ist für mich ganz wichtig. In diesem Jahr sind es 50 Jahre, dass wir zusammen sind.
Können Sie ein paar Ratschläge geben für eine lange Beziehung? Ich glaube, es ist eine Sache des Zusammenlebens, dass man an einen Punkt kommt, an dem alle Konflikte aufgebraucht sind. Man steht nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander. Es gab auch immer wieder Versuchungen, das gebe ich zu, bei beiden. Ich habe aber nie den Wunsch oder auch nur den Gedanken gehabt, dass man vielleicht doch noch mal was ändern sollte.
Wie gehen Sie mit Versuchungen um? Mit Respekt und Rücksicht.
Versuchungen darf man nachgeben, solange es mit Respekt ist? Hier muss ich sagen, dass in den 17 gemeinsamen Jahren vor unserer Ehe die meisten Versuchungen schon hinter uns lagen. Es ist wichtig, dass man den anderen nicht bloßstellt und ihn nicht leiden lässt. Dass man sich nicht aufreibt an irgendwelchen Problemen. Wir hatten schon sehr früh eine Regel: nie böse aufeinander einschlafen!
Das geht? Das geht, indem man es ausdiskutiert, auch wenn’s spät wird. Das war eine Grundregel. Aber nicht sich umdrehen und sagen: „Ich schlafe jetzt.“Denn in dieser Nacht geht dann etwas kaputt, und das darf nicht sein.
Sie sind beruflich sehr aktiv, drehen Filme, schreiben Bücher, gehen auf Lesereisen. Ist das eine Verdrängung des Umstands, dass die Zeit knapper wird? Das ist keine Verdrängung. Was ich tue, habe ich immer getan und tue das weiter. Ich sehe viele Menschen, die das nicht können, weil sie mit 65 in Pension gehen. Die haben das Problem, wie sie ihrem Leben noch einen Sinn geben.
Sie könnten sich auch mit Ihrer Frau in Ihre zweite Heimat StTropez zurückziehen und den Palmen im Wind zusehen. Ich kann durchaus Zeit verplempern, Tage, Monate. Aber ich sehe es als Geschenk, dass man als Schauspieler weitermachen kann, dass alte Leute gebraucht werden in diesem Beruf. Ich habe mir eingebildet, ich hätte vor einigen Jahren ein Wort erfunden: Zeitgeiz. Man fängt an, mit seiner Zeit besser umzugehen, sie bewusst zu leben. Man kann nicht mehr einfach sagen: Ich habe Zeit. Wir haben keine Zeit, die Zeit hat uns.
VERSUCHUNGEN GAB ES, SAGT ADORF. DENNOCH BLIEB ER BEI SEINER FRAU