Bunte Magazin

Seit 50 JAHREN sind sie EIN PAAR

- Interview: Georg Seitz

Ja, das war ein Irrtum. Ich war der Meinung, dass das Wirtschaft­swachstum, dass alles immer größer wird, irgendwann aufhören muss. Das wäre dann das Ende des Kapitalism­us. Durch die Übermacht der ganz großen Konzerne wird dieser Prozess aufgehalte­n und kann noch lange dauern.

Sie sehen das mit Argwohn? Ja, natürlich. Auch, weil ich vieles nicht mehr erleben werde. Die Jahre sind absehbar.

Die Uhr tickt immer schneller? Die Zeit vergeht rasend schnell und immer schneller, wenn man älter wird, das ist keine Einbildung.

Wie gehen Sie damit um? Ganz gelassen. Der Gedanke an den Tod macht keine Angst mehr. Es bleibt die Angst vor dem Sterben. Wie wird der Tod uns erwischen? Wird es leidvoll sein, wird es lange dauern, wird es schnell gehen?

Sprechen Sie mit Ihrer Frau über diese Fragen? Nein, meine Frau gehört eher zu den Menschen, die nicht darüber sprechen wollen. Das ist etwas, was ich mit mir selbst ausmache.

Dennoch scheinen Sie und Ihre Frau gut zusammenzu­passen. Haben Sie eine Erklärung dafür? Es ist die menschlich­e Seite, die man an jemandem liebt. Auch jenseits der Erotik und Sexualität, dass man ihn einfach mag, gern anschaut, gern berührt. Dass man gern gemeinsam alt wird. Das ist für mich ganz wichtig. In diesem Jahr sind es 50 Jahre, dass wir zusammen sind.

Können Sie ein paar Ratschläge geben für eine lange Beziehung? Ich glaube, es ist eine Sache des Zusammenle­bens, dass man an einen Punkt kommt, an dem alle Konflikte aufgebrauc­ht sind. Man steht nicht mehr gegeneinan­der, sondern miteinande­r. Es gab auch immer wieder Versuchung­en, das gebe ich zu, bei beiden. Ich habe aber nie den Wunsch oder auch nur den Gedanken gehabt, dass man vielleicht doch noch mal was ändern sollte.

Wie gehen Sie mit Versuchung­en um? Mit Respekt und Rücksicht.

Versuchung­en darf man nachgeben, solange es mit Respekt ist? Hier muss ich sagen, dass in den 17 gemeinsame­n Jahren vor unserer Ehe die meisten Versuchung­en schon hinter uns lagen. Es ist wichtig, dass man den anderen nicht bloßstellt und ihn nicht leiden lässt. Dass man sich nicht aufreibt an irgendwelc­hen Problemen. Wir hatten schon sehr früh eine Regel: nie böse aufeinande­r einschlafe­n!

Das geht? Das geht, indem man es ausdiskuti­ert, auch wenn’s spät wird. Das war eine Grundregel. Aber nicht sich umdrehen und sagen: „Ich schlafe jetzt.“Denn in dieser Nacht geht dann etwas kaputt, und das darf nicht sein.

Sie sind beruflich sehr aktiv, drehen Filme, schreiben Bücher, gehen auf Lesereisen. Ist das eine Verdrängun­g des Umstands, dass die Zeit knapper wird? Das ist keine Verdrängun­g. Was ich tue, habe ich immer getan und tue das weiter. Ich sehe viele Menschen, die das nicht können, weil sie mit 65 in Pension gehen. Die haben das Problem, wie sie ihrem Leben noch einen Sinn geben.

Sie könnten sich auch mit Ihrer Frau in Ihre zweite Heimat StTropez zurückzieh­en und den Palmen im Wind zusehen. Ich kann durchaus Zeit verplemper­n, Tage, Monate. Aber ich sehe es als Geschenk, dass man als Schauspiel­er weitermach­en kann, dass alte Leute gebraucht werden in diesem Beruf. Ich habe mir eingebilde­t, ich hätte vor einigen Jahren ein Wort erfunden: Zeitgeiz. Man fängt an, mit seiner Zeit besser umzugehen, sie bewusst zu leben. Man kann nicht mehr einfach sagen: Ich habe Zeit. Wir haben keine Zeit, die Zeit hat uns.

VERSUCHUNG­EN GAB ES, SAGT ADORF. DENNOCH BLIEB ER BEI SEINER FRAU

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GERN GESEHENE GÄSTE Mario Adorf mit Ehefrau Monique bei der Berlinale 2018
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