Andy Warhol: BUNTE besuchte seinen Lieblingsneffen in New York
JAMES WARHOLA war der Lieblingsneffe des Pop-ArtKünstlers. BUNTE hat ihn zu Hause in New York besucht
Die große Ähnlichkeit fällt sofort auf. Aber irgendetwas ist anders. Es ist die Frisur. James Warhola, 63, hat eine Halbglatze, sein weltberühmter Onkel Andy Warhol (der Pop-Art-Künstler starb 1987 mit nur 58 Jahren in New York) trug weißblondes, volles Haar mit dunklen Schläfen und markanten Augenbrauen.
James Warhola lacht, als BUNTE ihn auf den Unterschied anspricht. „Onkel Andy hatte dieselbe Halbglatze wie ich und mein Vater, er war Andys ältester Bruder. Es liegt in unserer Familie, dass die Männer glatzköpfig sind“, erzählt er. „Onkel Andy trug Perücke. Er liebte seine Perücken. Sie lagen in jedem Zimmer seines Hauses und wir Kinder durften ihn nicht oben ohne sehen. Er war unglaublich eitel.“
Es ist ein sonniger Mittwoch, als BUNTE im roten Backsteinhäuschen des Buchillustrators James Warhola in Queens/New York zu Besuch ist. Eine winzige Steintreppe führt von außen in sein Atelier im Keller, von dort klettert man über eine Holzstiege
in den Wohnbereich. Oben wie unten herrscht künstlerisches Chaos und die Herzlichkeit von Andy Warhols Lieblingsneffe James gibt einem sofort das Gefühl, willkommen zu sein.
„Ich liebe es, von Onkel Andy zu erzählen. Er fehlt mir und ich denke jeden Tag an ihn. Er ist bis heute meine Inspiration, als Künstler zu arbeiten. Ich war fünf Jahre alt, als ich anfing, ihm beim Zeichnen zuzuschauen. Mein Bruder und ich haben jahrelang die Leinwände für Onkel Andy aufgezogen. Er war begeistert, als ich ihm sagte, ebenfalls Künstler werden zu wollen, und hat sehr viel Zeit mit mir verbracht. Ich war oft in seinem Haus zu Besuch und habe
durch ihn jede Menge berühmte Menschen kennengelernt. Das hat Spaß gemacht.“
James Warhola schrieb und zeichnete mehrere Bestseller über die anrührenden Erlebnisse mit seinem Onkel (als Andy Warhols Karriere startete, kürzte er einfach das a am Ende seines Nachnamens ab, nannte sich Warhol); die Kinderbücher „Uncle Andy’s“und „Uncle Andy’s Cats“sind Liebeserklärungen an Andy Warhol, die von Kindern wie Erwachsenen gern gelesen werden. Andy Warhol besaß 25 Katzen, die alle den Namen Sam trugen. Stimmt das? James Warhola nickt. „Ja. Es waren Siamkatzen. Meine Großmutter Julia, die mit Andy zusammen in einer Art Symbiose in New York lebte und sich um ihn kümmerte, gab jeder Katze einen eigenen Beinamen: fröhlicher Sam, roter Sam, frecher Sam. Nach Onkel Andys Tod kamen alle Sams zu Freunden.“
Pause. „Onkel Andy ist seit 31 Jahren tot. Es fühlt sich an, als hätte er uns gestern verlassen. Sein Tod war ein Schock für unsere Familie. Er war wegen einer Gallenblasenoperation in der Klinik, ein Routineeingriff. Er wollte nach zwei Tagen wieder zu Hause sein. Die OP war erfolgreich, doch er wachte nach der Narkose nicht mehr auf. Er starb im Schlaf. Eine Tragödie.“
Wie schwierig ist es für ihn, bei aller Liebe zu seinem Onkel, sich als Künstler von der übermächtigen Pop-Art-Ikone abzugrenzen? „Natürlich schwebt Onkel Andy über meinen Arbeiten wie ein Schatten. Egal wo ich hinkomme, fragen mich die Leute, ob ich auch Pop-Art mache. Ich sage dann immer: ‚Nein, diese Kunstrichtung ist vorbei‘“, so James Warhola. Welche Warhol-Werke mag er am liebsten? „Alle seine Arbeiten aus den frühen 60er-Jahren. Die Suppendosen und die Marilyns.“
An den weiß getünchten Wänden seines Hauses hängen James’ eigene Werke (Preis pro Bild: ab 5000 Dollar), zwischendrin die populäre Marilyn Monroe seines Onkels. „Ich besitze leider nur eine Kopie“, sagt James, „das Original hat ein chinesischer Sammler für zehn Millionen Dollar gekauft.“Befinden sich noch Originale im Familienbesitz? „Die meisten von
Onkel Andys Werken gehören der WarholStiftung. Meine Eltern haben meinen sechs Geschwistern und mir einige Werke vererbt, die Onkel Andy in seinen jungen Jahren malte. Sie gefielen ihm nicht. Als er sie meinem Vater schenkte, meinte er, er könne sie ruhig wegwerfen.“
Doch James’ Vater Pavol Warhola bewahrte alles auf, was sein kleiner Bruder gestaltete. Glücklicherweise. Gerade verhandeln James und seine sechs Geschwister mit dem Berliner Galeristen Michael Schultz, der zehn original Warhol-Zeichnungen (aus den 40er-Jahren) für geschätzte 13 Mio. Euro im Namen eines deutschen Warhol-Sammlers kaufen will.
Sind Sie Millionär, Mr. Warho
la? „Nein.“Er lächelt. „Als meine Geschwister und ich im Jahr 2002 eine von Onkel Andys berühmten Suppendosen verkauften, bekam jeder von uns 100 000 Dollar. Das Geld ging für die Hypothek meines Hauses drauf. Geld ist mir nicht wichtig. Man braucht genügend, um existieren zu können. Ich führe ein schönes Leben, habe ein gutes Verhältnis mit meiner Tochter und nach meiner Scheidung bin ich auch privat wieder glücklich. Meine Freundin ist Bibliothekarin und eine wundervolle Frau.“
Jedes Mal, wenn James Warhola in Pittsburgh (von dort stammt die Familie Warhola) ist, besucht er das Grab von Onkel Andy. „Seine Fans legen dort immer noch Suppendosen hin. Als Zeichen ihres Respekts für Andy Warhol. Es ist schön zu wissen, dass er in den Herzen so vieler Menschen weiterlebt.“
GELD IST DEM KÜNSTLER JAMES WARHOLA NICHT WICHTIG