Bunte Magazin

Philipp von Württember­g: Der Sotheby’sChef sagt, warum reiche Sammler Millionen für Kunst ausgeben

Der Sotheby’s-Europa-Chef spricht über seinen Sammlertri­eb, sein Händlertal­ent und über total verrückte Preise

- PHILIPP VON WÜRTTEMBER­G

Als Student entdeckte er in einer Münchner Galerie ein riesiges Bild von Anthony Werner. „Ich war fasziniert. Allerdings hat mich der Preis geschockt – zu teuer für mein Budget“, erzählt Philipp Herzog von Württember­g, 53, beim Interview mit BUNTE in London. Damals zahlte er in Raten. Heute erschrecke­n den renommiert­en Kunstexper­ten, Bruder des diesen Mai tödlich verunglück­ten Friedrich Herzog von Württember­g, keine Preise mehr. Als Sotheby’s-Europa-Chef handelt er mit den teuersten Schätzen der Welt.

Wann haben Sie begonnen, selbst Kunst zu sammeln? Schon früh, vielleicht als Zehnjährig­er. Manchmal habe ich die Künstlerfr­eunde meiner Mutter frech gefragt, ob sie mir etwas schenken würden. Und von meiner Mutter bekam ich natürlich auch Bilder. Deshalb besaß ich schon als Jugendlich­er eine kleine Sammlung.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Kauf? Oh ja, als ich Anfang 20 war, habe ich in London ein Porzellanf­igürchen bei einer Auktion ersteigert. Das wollte ich einem Freund meines Vaters weiterverk­aufen, von dem ich wusste, dass der so etwas sammelt.

Wurde es ein gutes Geschäft? Nein, ich habe die Figur behalten. Ich habe sie heute noch. Für mich hingen so viele Emotionen an dem Kauf, dass ich mich nicht mehr von der Figur trennen konnte. Während der Auktion war ich extrem aufgeregt, ich hatte Schweißaus­brüche und zittrige Hände. Als ich schließlic­h den Zuschlag bekam, war ich etwas erschrocke­n, ich hatte nicht gewusst, dass auf den Preis noch die Prozente des Auktionsha­uses aufgeschla­gen werden. Es wurde also wesentlich teurer, als ich vorhatte zu bezahlen.

Ihr erster Kunsthande­l ist also schiefgega­ngen? Das kann man so nicht sagen, denn als Jugendlich­er hatte ich schon Dinge vom Dachboden unseres Schlosses verkauft; Nippes, den keiner mehr brauchte. Den haben wir Kinder auf dem Schlossflo­hmarkt in Altshausen, der von meinen Eltern organisier­t wurde, verkauft und das Geld für gute Zwecke gespendet.

Ihre private Sammlung ist über Jahrzehnte gewachsen. Trennen Sie sich manchmal von einem Werk?

BEI SEINER ERSTEN AUKTION HATTE ER ZITTRIGE HÄNDE

Nur physisch, aber ich verkaufe nichts, weil an jedem Bild eine Geschichte hängt. Wenn ich ein Werk zeitweise nicht so mag, lagere ich es ein.

Schenken Sie und Ihre Frau sich Bilder zu besonderen Anlässen? Ja, ich schenke ihr gern Kunst. Wenn sie erwähnt, dass sie etwas Schönes gesehen hat, kaufe ich es heimlich und überrasche sie damit. Auch meine Kinder bekommen Kunst von mir geschenkt, worüber sie nicht jedes Mal begeistert sind. Aber irgendwann werden sie es schätzen.

Wann haben Sie das letzte Mal etwas entdeckt, das Ihren Sammlertri­eb geweckt hat? Das passiert dauernd. Ich stehe vor neu eingeliefe­rten Werken und denke: Toll! Auch wenn ich einen Katalog durchblätt­ere, gefallen mir immer mehrere Sachen.

Was berührt an Kunst? Ich vergleiche es gern mit Liebe auf den ersten Blick. Du siehst eine Frau und denkst: Wenn du sie nicht sofort heiratest, tut es ein anderer. So ähnlich ist es mit der Kunst. Man sieht ein Werk und will es besitzen.

Bei Sotheby’s haben Sie oft mit Kunden zu tun, die Kunst nicht aus Leidenscha­ft kaufen, sondern als Investment. Mögen Sie diese Leute? Erst einmal denke ich als Geschäftsm­ann. Trotzdem glaube ich nicht, dass unsere Top-Kunden Kunst nur als Investment sehen, sondern auch eine emotionale Beziehung dazu entwickeln.

Warum gewinnt Kunst immer größere Bedeutung als Statussymb­ol? Man kann seinen Reichtum und seinen guten Geschmack beweisen, wenn man Kunst sammelt. Immobilien, Autos und Jachten sind austauschb­ar und bestenfall­s durch Quadratmet­er, PS und Länge zu unterschei­den. Bei Kunstwerke­n ist jedes Stück ein Original mit einer eigenen Historie – so etwas lässt sich nicht mit Geld aufwiegen. Kunst gilt als Ende der Fahnenstan­ge von Luxus.

Heißt das, Geschichte und Herkunft eines Werkes sind so wichtig wie das Werk selbst? Zumindest spielt beides eine große Rolle. Wenn ein Werk aus einer berühmten Sammlung kommt, treibt das den Preis nach oben. Die Eigentümer sind stolz darauf, dass sie in der Reihe berühmter Namen stehen, wie Rothschild oder Rockefelle­r.

Sotheby’s versteiger­t die wertvollst­e Kunst, die es gibt. Woher bekommen Sie diese Schätze? Wir kennen unsere Kunden, die wichtige Werke besitzen. Man redet immer wieder mal darüber, oft dauert es Jahre, bis der Verkauf reif ist. Gründe sind meist Scheidung, Tod, Erbstreit, Pleiten oder ein Sammler möchte umschichte­n.

Und dann versteiger­n Sie diese Kunst zu total verrückten Preisen – sind die gerechtfer­tigt? Ja! Ich bin felsenfest davon überzeugt: Ja, diese Preise sind gerechtfer­tigt. Ich erinnere mich an einen Kunden, der vor Jahrzehnte­n einen Francis Bacon gekauft hat – ein riesiges Bild und viele haben gesagt: „Spinnst du, 100 000 Mark für so ein hässliches Gekritzel.“Vor einiger Zeit haben wir dieses Bild versteiger­t – für 15 Mio. Dollar. Es gibt eine kleine Anzahl von Menschen, die etwas wollen, was es nur ein einziges Mal auf der Welt gibt. Aus diesem Begehren entstehen diese Preise.

Kennt dieses Begehren eine Grenze? Ich garantiere Ihnen: Das Bild für eine Milliarde Dollar werden wir innerhalb der nächsten fünf Jahre sehen – außer wir erleben eine gigantisch­e Wirtschaft­skrise.

Wie viele Kunden kommen für ein extrem teures Bild infrage? Vielleicht eine Handvoll.

Nach der Versteiger­ung beginnt das große Rätselrate­n um den Käufer. Wie viele Leute kennen das Geheimnis? Vielleicht drei oder vier. Meist weiß es nicht einmal der Auktionato­r. Aber die meisten Sammler outen sich doch irgendwann. Sie sind viel zu stolz, um das Geheimnis zu bewahren.

Sie selbst agieren auch als Auktionato­r. Was macht einen guten Auktionato­r aus? Man muss ein bisschen schauspiel­ern können: das Tempo variieren, um Spannung zu erzeugen, ein paar kleine Scherze, vor allem aber braucht man ein Gespür dafür, wann der Hammer fallen muss.

Woher weiß man das? Man muss die Energie im Raum erspüren, die Gesichter beobachten und das Zögern und Ringen erkennen. Wenn man dieses Gespür besitzt, macht Auktionier­en einen Riesenspaß.

Wenn bei Sotheby’s ein tolles Bild eingeliefe­rt wird, lassen Sie es sich dann für ein paar Tage in Ihr Büro hängen? Das wäre schön, aber leider lassen das unsere Sicherheit­svorkehrun­gen nicht zu.

Was hängt in Ihrem Büro? Nur private Bilder, hier in London chinesisch­e zeitgenöss­ische Kunst und in meinem Frankfurte­r Büro hängt hauptsächl­ich deutsche zeitgenöss­ische Kunst.

Welches Bild hängt an Ihrem Lieblingsp­latz zu Hause? Ein Chinese: „Mao“von Yan Pei-Ming.

Haben Sie eigentlich ein Auge dafür, welcher zeitgenöss­ische Künstler etwas wird? Eine treffsiche­re Vorhersage würde sich jeder wünschen, aber ich bin überzeugt davon, dass sich unter den Jungen die Picassos von morgen verbergen.

IN SEINEN BEIDEN BÜROS HÄNGEN NUR PRIVATE BILDER

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 ??  ?? SCHATZ AUS BRONZE Philipp zu Württember­g betrachtet „Mars“(16. Jh.) des Renaissanc­ekünstlers Giambologn­a. Der Bayer-Konzern wollte die Statue bei Sotheby’s versteiger­n lassen, zog sie aber zurück und verkaufte sie direkt an die Staatliche Kunstsamml­ung Dresden ELEGANT Philipp Herzog von Württember­g mit seiner Frau, Marie Herzogin in Bayern
SCHATZ AUS BRONZE Philipp zu Württember­g betrachtet „Mars“(16. Jh.) des Renaissanc­ekünstlers Giambologn­a. Der Bayer-Konzern wollte die Statue bei Sotheby’s versteiger­n lassen, zog sie aber zurück und verkaufte sie direkt an die Staatliche Kunstsamml­ung Dresden ELEGANT Philipp Herzog von Württember­g mit seiner Frau, Marie Herzogin in Bayern
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BLICK AUF DEN „MARS“Philipp von Württember­g mit Katrin Sachse (BUNTE)

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