Michael Warshitsky (†): Ein illegales Autorennen riss den Arzt aus dem Leben. Sein Sohn kämpft vor Gericht
MICHAEL WARSHITSKY wurde Opfer eines illegalen Straßenrennens. Sein Sohn kämpft vor Gericht darum, dass der Tod seines Vaters nicht ohne Folgen bleibt …
Das ganze Glück einer bemerkenswerten Familie – für immer zerstört. Eine ganze Stadt – erschüttert von dem mörderischen Irrsinn auf ihren Straßen: In der Nacht zum 1. Februar 2016 starb Michael Warshitsky, 69, auf Berlins bekannter Flanierund Shoppingmeile, dem Tauentzien, nur einen Steinwurf entfernt vom weltberühmten Kaufhaus des Westens. Totgefahren von zwei Rasern. Jetzt kämpft sein Sohn Maximilian, 37, um Gerechtigkeit.
Michael Warshitsky hatte einen gemütlichen Abend bei seiner Lebenspartnerin verbracht, nach Mitternacht macht er sich mit seinem Jeep auf den Heimweg. Er will noch mit seinem Yorkshire Terrier Topa Gassi gehen. Die Ampel zeigt Grün, als der pensionierte Arzt 100 Meter vor seiner Wohnung auf den belebten Boulevard abbiegen will. Dass sich gerade Hamid H. und Marvin N. mit ihren Audi A6 und Mercedes AMG ein illegales Wettrennen liefern, ahnt er nicht. Mit 170 km/h brettern die Raser über den angrenzenden Kurfürstendamm, überfahren bis zu elf rote Ampeln, wie die Polizei später feststellt. Beim Abbiegen kommt es zum Zusammenstoß. Der Jeep des Mediziners wird durch die Luft geschleudert. Michael Warshitsky ist auf der Stelle tot.
„Das Opfer hatte keine Chance. Sie dagegen fühlten sich sicher“, erklärte der Richter des Berliner Landgerichts den Angeklagten beim ersten Prozess und verurteilte Hamid H. und Marvin N. zu lebenslanger Haft wegen Mordes. Das Urteil, das für großes Aufsehen gesorgt hatte, wurde allerdings im März 2018 vom Bundesgerichtshof aufgehoben und muss nun neu verhandelt werden.
Maximilian Warshitsky, der Sohn des Toten, spricht mit leiser, aber klarer Stimme, als er sich an einem sonnigen Tag im August zum Gespräch mit BUNTE trifft. „Für mich bleibt es ein vorsätzlicher Mord. Illegale Autorennen sind für mich nichts anderes als
Terror auf der Straße, bei dem Menschenleben keine Rolle spielen.“Keinen Prozesstag hat er verpasst, keine Möglichkeit ausgelassen, das Andenken an seinen geliebten Vater wachzuhalten, denn „der Mord an meinem Vater soll gesühnt werden, damit so etwas nie wieder passieren kann“. Der selbstständige Webdesigner hat seinen Arbeitsalltag seit dem ersten Prozess stark eingeschränkt, tritt vor Gericht als Nebenkläger auf. „Das ist das Mindeste, was ich tun kann.“
Die Geschichte der Familie Warshitsky ist geprägt von Schicksalsschlägen, aber auch vom unbedingten Willen zum Aufstieg und zur Integration in die Gesellschaft. Michael Warshitsky arbeitet als Arzt in der Ukraine, als 1986 die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl passiert: „Mein Vater hat damals keine Sekunde gezögert, den Menschen dort zu helfen, auch wenn er seine eigene Gesundheit riskierte.“ Ein Jahr später stellt die Familie einen Ausreiseantrag und zieht mit beiden Söhnen nach Westberlin. „Meine Eltern haben uns hier eine neue Existenz aufgebaut, mein Vater fand schnell eine Anstellung als Arzt.“Wenige Jahre später erliegt die Mutter einer Darmkrebserkrankung, der Vater kümmert sich allein um die pubertierenden Söhne – „eine schwierige Zeit, aber meinen Vater, meinen Bruder und mich hat das noch mehr zusammengeschweißt“, erinnert sich Maximilian Warshitsky.
Den Moment, als er das erste Mal den Angeklagten im Gerichtssaal gegenübersteht, wird Maximilian Warshitsky nicht vergessen: „Ich wollte den Tätern in die Augen sehen. Ich wollte versuchen zu verstehen, was in ihren Köpfen vor sich gegangen sein mag. Und vielleicht hatte ich sogar gehofft, einen Anflug von Reue in ihren Gesichtern lesen zu können. Aber ich befürchte, die beiden haben noch immer nicht die Tragweite ihrer schrecklichen Tat erkannt. Bis heute hat sich nur einer der Täter bei mir entschuldigt.“
Im Oktober wird der Prozess neu aufgerollt. Maximilian Warshitsky wird keinen Prozesstag verpassen. Er wird sich erneut die grausamen Details anhören, die sich in der Nacht zum 1. Februar 2016 abgespielt haben. Das sei er seinem toten Vater schuldig, sagt er.