Riccardo Simonetti:
RICCARDO SIMONETTI Der Entertainer kämpft für mehr Toleranz gegenüber Homosexuellen. Er selbst wurde beschimpft und verprügelt. Aktuell erhält er sogar Morddrohungen …
SCHICKSAL Die schwere Kindheit des Influencers
Der Influencer zählt zu den beliebtesten Partygästen in Deutschland. Riccardo Simonetti, 25, ist aus der Front Row und vom roten Teppich nicht mehr wegzudenken – und jeder will ein Selfie mit ihm. Der Italiener, der in Bayern aufwuchs, träumte schon als Kind davon, berühmt zu werden. Das hat der Blogger (fabulousricci.com) und Moderator (z.B. „Riccardo’s Dream Date“ab 9.10. auf E! Entertainment), der offen zu seiner Homosexualität steht, geschafft! Sein nächstes Ziel: Bestsellerautor werden!
Worum geht es denn in Ihrem Buch, das Ende September erschienen ist, überhaupt? Es ist das Intimste, was ich je gemacht habe. Man lernt eine Seite von mir kennen, die ich in sozialen Netzwerken nicht zeige. Ich habe die dunkelsten Orte meiner Vergangenheit besucht. Mit dem Ziel, Menschen, die die gleichen Probleme wie ich haben, Mut zu machen.
Welche Probleme meinen Sie? Die Toleranz gegenüber Menschen, die anders sind, ist sehr gering. Aber ich will mich deshalb nicht verstecken. Seit ich vier Jahre alt bin, habe ich eine sehr ausgeprägte weibliche Seite – auch wenn ich keine Frau sein möchte. Vielleicht weil ich allein mit meiner Mutter und Schwester aufgewachsen bin. Im Kindergarten habe ich, um meiner Vorliebe nachzugehen, aber nicht als Puppen-Fan ausgelacht zu werden, ein Spiel erfunden. Wer verloren hat, musste mit der Barbie spielen. Ich habe absichtlich verloren…
Wie war Ihre Kindheit im bayerischen Bad Reichenhall? Da fiel ich mit meinen bunten Paillettenjacken natürlich aus der Norm. Ich wurde bepöbelt, bespuckt und verprügelt. Mit 18 hat ein Junge, der noch nie mit mir geredet hat, im Schulbus meine
Jacke in Brand gesetzt. Ich habe nichts gemacht, weil ich nicht beim Direktor petzen oder meine Mutter beunruhigen wollte. Heute rate ich keinem, so etwas schweigend zu ertragen. Damals ist viel in mir kaputtgegangen. Ich habe an mir gezweifelt und gedacht: „Was bin ich für ein Mensch, der solche Situationen verursacht? Bin ich nicht gut, wie ich bin?“Mein Traum, berühmt zu werden, hat mich am Leben gehalten. Ich hatte damals schon über Selbstmord nachgedacht. Ich habe mich geschämt, ein Mensch zu sein, der offenbar immer wieder solche Probleme verursacht. Heute weiß ich, dass nicht ich das Problem bin – sondern die anderen!
Inwiefern hat der Wunsch, berühmt zu werden, Sie motiviert? Es war die einzige Möglichkeit, die ich kannte, bei der man so sein konnte, wie man wollte. Stars wurden sogar dafür gefeiert, wofür ich angefeindet wurde. Ich habe mich in diese Welt geträumt, indem ich Fotos von mir auf die Gesichter der Promis in BUNTE geklebt habe oder so gestylt aus dem Haus gegangen bin, als würde ich zur Fashion Week gehen. Als Kind habe ich Theater gespielt, war als Teenager beim Radio und habe mit 17 meinen Blog gegründet. Mein ganzes Leben war eine Vorbereitung auf meine heutige Karriere. Ich bin kein Junge, der Glück hatte, weil er nette Selfies gemacht hat. Ich habe hart für meinen Traum gearbeitet.
Es war also ein steiniger Weg. Ja, denn auch im Showbusiness werden Homosexuelle diskriminiert. Ich habe als Moderator viele Absagen einstecken müssen, weil man Formate nicht mit „Randgruppen“besetzen wollte.
Haben Sie darüber nachgedacht, Ihr Äußeres zu ändern? Nein, dann hätte ich mich ja auch schon früher aufgeben und verstellen können. Jetzt bin ich zu weit gekommen, um mich an die Norm anzupassen. Auch wenn ich die Kanzlerin treffe, trage ich Rosa. Ich könnte meinen Erfolg nicht genießen, wenn der Junge, der ich einmal war und den es da draußen noch zur Genüge gibt, nicht heute die Straße entlanggehen könnte und es ein bisschen leichter hätte durch das, was ich tue. Zum Glück kann ich inzwischen auf Taxifahren zurückgreifen und muss nicht mehr mit Bus und Bahn fahren. Da waren die Beschimpfungen am schlimmsten. Noch heute trage ich in der Öffentlichkeit Kopfhörer, damit ich die Beleidigungen nicht höre. Aktuell habe ich sogar Morddrohungen erhalten. Nun habe ich zu Hause Überwachungskameras installiert und bei Auftritten einen Bodyguard dabei. Normalerweise ignoriere ich Hater, aber mit so etwas gehe ich zur Polizei. In den Drohungen geht es selten um mich persönlich, sondern um das, wofür ich stehe.
Wann haben Sie bemerkt, dass Sie homosexuell sind? Irgendwie wurde ich meiner Sexualität beraubt. Schon als Kind haben alle gesagt, dass ich schwul bin – bevor ich überhaupt wusste, was das ist. Ich hatte das Gefühl, dass ich keine Wahl habe, weil andere schon für mich entschieden haben. Das Thema hat mich nicht gereizt. Ich habe herausgefunden, dass ich Männer liebe, als ich in der Modewelt Fuß gefasst habe. Erst als es unwichtig war, ob ich schwul bin oder nicht, konnte ich mich dem Thema Sexualität öffnen. Meine Mutter hat gut auf mein Outing reagiert. Ich habe viel Glück mit ihr.
Wie haben Sie Ihre erste Liebe in Erinnerung?
Ehrlich gesagt hatte ich sie noch nicht und ich weiß auch gar nicht, ob das in mein Leben passt. Ich arbeite viel und mein Job ist es, mein Privatleben öffentlich zu machen. Jeder meiner Generation kennt mich, das erschwert das Flirten. Ich möchte ja niemanden daten, der mich nur kennenlernen will, weil ich eine öffentliche Person bin. Weil ich so nahbar bin, haben die Leute keine Hemmungen, mich anzusprechen und zu fotografieren. Es gab schon Momente, in denen ich beim Küssen unterbrochen wurde, weil jemand ein Selfie machen wollte – das ist dann nicht mehr so romantisch. Aber: Ich muss keinen Freund haben, um mich vollständig zu fühlen.
MEINE MUTTER HAT GUT AUF MEIN OUTING REAGIERT. ICH HABE VIEL GLÜCK MIT IHR