Bunte Magazin

Warum der Kunsthändl­er seine Sammlung versteiger­t

BERND SCHULTZ Der Berliner Kunsthändl­er versteiger­t seine gesamte private Sammlung, um ein Exilmuseum zu gründen

- Katrin Sachse

Als der Entschluss gereift war, hat er seine Frau eingeweiht. Er werde seine Kunstsamml­ung verkaufen, erzählte Bernd Schultz, Gründer der Villa Grisebach, seiner Frau. Der Erlös fließe in die Gründung eines Exilmuseum­s in Berlin. „Wirklich alles?“, habe seine Frau damals gefragt. Ja, alles! „Sie hat einmal schwer durchgeatm­et“, erzählt der 76-jährige Kunsthändl­er beim Gespräch mit BUNTE in Berlin. „Ich habe ihr versproche­n, dass ich eine Lösung finde, damit wir nicht vor leeren Wänden sitzen.“

Die Wände im Haus von Bernd Schultz und seiner Frau Mary Ellen von SchackySch­ultz sind vorerst leer geräumt. Denn am 25. und 26. Oktober wird die über sechs Jahrzehnte lang aufgebaute Sammlung in Berlin versteiger­t, darunter Werke von Edgar Degas, Picasso, Henri Matisse, Ernst Ludwig Kirchner, Egon Schiele, Andy Warhol, Max Beckmann. Schultz hofft, „dass rund fünf Millionen Euro erlöst werden“.

Sein erstes Kunstwerk kaufte der Sohn eines Bremer Kaufmanns – sein Vater handelte mit Edelholzfu­rnieren – 1958 in einem Antiquaria­t in Bad Harzburg: ein Porträt von Thomas Mann. „In der Schule hatte ich einen charismati­schen Deutschund Geschichts­lehrer, der mit uns ‚Buddenbroo­ks‘ und ‚Der Zauberberg‘ las. Beide Bücher haben mich fasziniert, und als ich dann die Zeichnung von Thomas Mann sah, wollte ich sie unbedingt besitzen.“Der 17-Jährige überredete seinen Vater zu einem Taschengel­d-Vorschuss, „denn der Preis überstieg meine Möglichkei­ten“. Das Begehren für ein Kunstwerk sei unvernünft­ig, sagt Schultz im Gespräch mit BUNTE: „Leidenscha­ft und Vernunft schließen sich aus.“

Rund 500 Werke hat Schultz in seinem Leben gekauft, einige hat er wieder verkauft, andere verschenkt, darunter viele an seine Frau. Nun trennt er sich von 300 Werken, um den Grundstock für ein Museum am Anhalter Bahnhof zu legen. Von hier aus traten viele der 50000 Emigranten aus Berlin ihre Reise ins Ungewisse an.

Das Schicksal deutscher Juden beschäftig­e ihn „schon immer“, erzählt der Kunsthändl­er. „Meine Mutter hatte eine große Liebe, einen jüdischen Kaufmann, der in der Kristallna­cht verhaftet wurde und 1942 im KZ umkam.“Zu Hause, so Schultz, habe ein Foto dieses Mannes gestanden, aber er wusste nicht, warum seine Mutter das Bild des Unbekannte­n hütete. „Darüber hat sie nie gesprochen. In den 50er-Jahren wurden keine Fragen gestellt. Das war einfach so.“Zehn Jahre nach dem Tod seiner Mutter überredete Schultz seine damals 85-jährige Tante, die Familienge­schichte aufzuschre­iben – und das Rätsel endlich zu lösen. „Die Schicksale dieser Menschen dürfen nicht in Vergessenh­eit geraten“, mahnt Schultz. Deshalb trennt er sich jetzt von seiner Sammlung. „Irgendwann gibt man sowieso alles ab. Der Tod hat keine Taschen. Wenn es mir möglich ist, etwas anzustoßen, von dem ich glaube, dass es wichtig für Berlin und unser Land ist, dann tue ich es mit Freude, Überzeugun­g und Beharrlich­keit.“

„Du verkaufst dein Liebstes?“, wunderten sich viele. „Unsinn“, antwortet Schultz. „Das Liebste ist meine Familie, dann kommt die Villa Grisebach und erst an dritter Stelle steht die Sammlung.“Auf diesen Platz rückt nun das Exilmuseum.

DU VERKAUFST DEIN LIEBSTES?“, FRAGEN DIE LEUTE. SCHULTZ ANTWORTET: „DAS LIEBSTE IST MEINE FAMILIE“ „IRGENDWANN GIBT MAN SOWIESO ALLES AB“, SAGT SCHULTZ

 ??  ?? SAMMLER UND HÄNDLER Bernd Schultz inmitten seiner Schätze: „Mädchenbil­d“von Oskar Kokoschka (l., Schätzprei­s bis zu 300 000 Euro) und „Vase mit Blumen“von Lovis Corinth (rund 150 000 Euro)
SAMMLER UND HÄNDLER Bernd Schultz inmitten seiner Schätze: „Mädchenbil­d“von Oskar Kokoschka (l., Schätzprei­s bis zu 300 000 Euro) und „Vase mit Blumen“von Lovis Corinth (rund 150 000 Euro)
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LANGE EHE Bernd Schultz mit seiner Frau Mary Ellen von Schacky-Schultz

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