Wir leiden unter zu viel MELATONIN
in Verbindung gebracht“, so der Experte.
Was ist der Unterschied zur „echten“Depression?
„Der Winterblues beschreibt eine gedrückte Stimmung ohne wirklichen Krankheitswert. Bei einer SAD ist das Zusammenspiel zwischen Melatonin und Serotonin gestört“, definiert Dr. Oliver Schwarz, Chefarzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Klinik im Alpenpark im bayerischen Bad Wiessee. Damit zählt die SAD zu den wiederkehrenden depressiven
Erkrankungen, hat aber auf einer dreistufigen Skala den niedrigsten beziehungsweise maximal einen mittleren Schweregrad. „Während bei einer reinen Depression in der Regel Medikamente erforderlich sind, bewältigen die meisten SAD-Patienten ihren Alltag ohne chemische Antidepressiva“, betont Experte Schwarz. Die modernen „Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer“könnten bei einer SAD zudem wenig ausrichten. „Im Gegensatz zur kli- nischen Depression beruht die SAD ja nicht auf Serotoninmangel, sondern auf Melatoninüberschuss.“Symptomatisch ähneln sich SAD und reine Depression tatsächlich stark – die Bandbreite ist individuell und reicht von Antriebslosigkeit bis zu Suizidgedanken. Einziger Unterschied: Während depressive Menschen in der Regel wenig Appetit haben, leiden SAD-Erkrankte oft unter Heißhungerattacken. Für eine klare Abgrenzung ist jedoch vor allem der jahreszeitliche Faktor
entscheidend: „Die SAD tritt in unseren Breiten nur zwischen November und Fe‑ bruar auf, die reine Depression ganzjährig“, sagt Dr. Schwarz.
Warum ist die dunkle Jahreszeit nicht für jeden unangenehm?
Evolutionstheoretisch sind Herbstdepressionen eine Art Vorbereitung auf den Winterschlaf: Wir futtern uns ein Fettpolster an, verkriechen uns in unserer „Höhle“und fahren alle körperlichen Aktivitäten herunter. „Bis zur Erfindung des elektri‑ schen Lichts musste sich der Mensch dem natürlichen Tag‑Nacht‑Rhyth‑ mus anpassen – heute sind wir 365 Tage im Jahr rund um die Uhr aktiv“, sagt Gesundheitsberaterin Ulrike Deutsch, die in dem von ihr geleiteten Praxiszentrum Unisana in Köln regelmäßig Vorträge zum Thema „Winterblues“hält. Nicht jeder Mensch komme mit dieser Herausforderung klar. Für eine 2014 veröffentlichte Studie bestimmten dänische Wissenschaftler die Konzentration der sogenannten Serotonintransporter (SERT) im Blut von Menschen mit und ohne SAD. SERT sind Proteine der Zellmembran, die den Transport von Serotonin in unsere Körperzellen ermöglichen. Bei SADPatienten waren die entsprechenden Werte im Winter um fünf Prozent höher als im Sommer, bei gesun den Probanden gab es keine jahreszeitlichen Schwankungen. „Das Ergebnis be‑ kräftigt einmal mehr die Vermutung, dass es für die SAD, genau wie für die reine De‑ pression, eine genetische Disposition gibt“, erklärt Dr. Bracher.
Wie beuge ich Lichtmangel vor?
Tageslicht ist immer noch die beste Medizin. Selbst ein bewölkter Winterhimmel versorgt uns noch mit satten 3500 Lux – deshalb lautet der einfachste und kostengünstigste Tipp: raus an die frische Luft,
so oft es geht! „Insbesondere die Kombina‑ tion aus körperlicher Betätigung und Tageslicht wirkt antidepres‑ siv: Sport stimuliert die Bildung von Serotonin, Endorphinen und anderen Glückshormonen, Licht baut Melatonin ab“, sagt Ulrike Deutsch. Wer von früh bis spät im Büro sitzt, sollte in der Mittagspause draußen spazieren gehen. Auch künstlich erzeugtes (UVfreies) Tageslicht hilft gegen winterliche Gemütsschwankungen: Spezielle Therapielampen gibt es in allen Preisklassen, Formen und Stärken. 10000 Lux gelten als optimal. „Die Behandlung besteht darin, sich morgens für 20 bis 30 Minuten vom Licht bestrah‑ len zu lassen, um das in der Nacht produ‑ zierte Melatonin abzubauen. Ob man da‑ bei frühstückt, Zeitung liest oder die Augen schließt, ist ganz egal“, so Dr. Schwarz.
MÖGLICHERWEISE IST AUCH EINE GENETISCHE DISPOSITION DIE URSACHE