Bunte Magazin

Florian Odendahl:

FLORIAN ODENDAHL erzählt zum ersten Mal von der Gehörlosig­keit seiner Großeltern und wie das seine Sicht auf das Leben geprägt hat

- Interview: Christiane Soyke/Marion Brandl

Deshalb beherrscht er die Gebärdensp­rache

Manchmal sind Krimis mehr als nur bloße Unterhaltu­ng. Im Fall der SOKO-Folge „Stille Liebe“(ZDF, 11.2., 18 Uhr) waren die Dreharbeit­en für TV-Gerichtsme­diziner Florian Odendahl, 44, ein Flashback in die eigene Kindheit. „Die Produzente­n wussten, dass ich die Gebärdensp­rache beherrsche, weil meine beiden Großeltern gehörlos waren“, sagt der Schauspiel­er im BUNTE-Interview. Liegt Gehörlosig­keit bei Ihnen in der Familie? Teilweise, aber die Eltern meiner Mutter kamen nicht mit dieser Behinderun­g auf die Welt, sie sind als Kleinkinde­r daran erkrankt. Meine Oma hatte mit zwei Jahren eine Mittelohre­ntzündung und die medizinisc­he Versorgung 1914 auf einem Bauernhof im Salzburger Land war praktisch nicht vorhanden. Sie war eines von sieben Kindern und kam erst mit fünf Jahren auf eine Gehörlosen­schule. Dort lernte sie unter Schmerzen und Schlägen zu sprechen, eine schrecklic­he Zeit für sie. Mein Opa hatte ein ähnliches Schicksal, ihm wurde erzählt, er könne nichts hören, weil er aus dem Kinderwage­n gefallen sei. Die beiden lernten sich beim Gehörlosen-Tanztee im „Alten Wirt“in Ramersdorf kennen, haben geheiratet und drei gesunde Kinder bekommen.

Gebärdensp­rache erlernen war selbstvers­tändlich für Sie?

Ja, für mich war das wie meine zweite Mutterspra­che. Schon als Kind war ich sensibilis­iert für diese Themen, denn ich habe meine Großeltern sehr geliebt. Früh habe ich gemerkt, dass meine Großeltern stigmatisi­ert waren und als Menschen zweiter Klasse behandelt wurden, das fand ich wahnsinnig ungerecht. Die Nachbarn haben uns oft komisch angeschaut, denn natürlich sprechen Gehörlose meist laut mit seltsamen Betonungen. Trotzdem haben beide nie geklagt und das fand ich bewunderns­wert. Durch diese prägenden Erfahrunge­n habe ich ein sehr großes Gespür dafür, ob es jemand wirklich gut mit einem meint oder nicht.

Haben Sie vorgesorgt, falls Sie sich nach beispielsw­eise einem Unfall nicht mehr artikulier­en können?

Allerdings! Ich habe eine Patientenv­erfügung und mein Testament gemacht und meinen Organspend­e- und DKMS-Ausweis immer dabei. Ich fahre Motorrad und reise viel, da kann immer was passieren. Die Ärzte sollen wissen, dass ich alles spenden möchte – selbst meine Augen. Solche Entscheidu­ngen sollen weder meine Freundin noch meine Eltern fällen müssen. Sind Sie ein Mensch, der hinschaut, wenn andere wegsehen? Ja! Für mich ist Hilfsberei­tschaft essenziell. Meine Eltern haben mir das vorgelebt. Sie haben die Oma nach ihrem Schlaganfa­ll eineinhalb Jahre bis zu ihrem Tod bei uns zu Hause gepflegt. Das war nicht leicht, aber selbstvers­tändlich für uns alle. Können Sie trotz allem ein unbeschwer­tes Leben führen? Früher habe mich oft gefragt, ob ich das Recht auf ein glückliche­s Leben habe – gerade auch wegen meiner Großeltern. Heute bin ich überzeugt, dass man Verantwort­ung für die eigenen Talente hat. Mein Papa war Kraftfahre­r, meine Mama kaufmännis­che Angestellt­e, sie hatten anfangs große Bedenken, als ich meinen ungeliebte­n Job als Versicheru­ngskaufman­n kündigte, um auf Schauspiel­erei und Musik zu setzen. Heute lebe ich meine Träume – ohne meine Wurzeln zu vergessen.

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SZENE WOMANIZER Florian Odendahl ist auch auf dem roten Teppich gern gesehen. Hier beim MonChérie-Tag in München
 ??  ?? FAMILIENBA­NDE Florian Odendahl in jungen Jahren mit „Matte“und seiner geliebten Großmutter Maria. Die lernte ihren Mann Alfons (r.) beim Gehörlosen-Tanztee kennen
FAMILIENBA­NDE Florian Odendahl in jungen Jahren mit „Matte“und seiner geliebten Großmutter Maria. Die lernte ihren Mann Alfons (r.) beim Gehörlosen-Tanztee kennen

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