Ich bin fast BLIND und trotzdem GALERIST
Mit elf Jahren verlor er bei einem Unfall sein Augenlicht. BUNTE erzählt er, wie er dennoch zum gefeierten Kunsthändler wurde
Er ist der spannendste Galerist Deutschlands, vertritt Künstler und Stars wie Anselm Reyle, Jorinde Voigt oder Norbert Bisky. Und das, obwohl Johann König, 38, mit elf fast sein komplettes Augenlicht verlor. Die Munition einer Startschusspistole explodierte in seinen Händen. Wir treffen den Spross des berühmten Kölner König-Clans – sein Vater Kasper König ist ein bekannter Kurator, sein Onkel Walther Besitzer eines großen Kunstbuchverlags – in seiner Berliner Galerie. Eine ehemalige Kirche, die längst Pilgerstätte für Kunstliebhaber, Party-People und die Fashion-Crowd weltweit ist.
Ihr Unfall ist jetzt 27 Jahre her… … und 30 Operationen. Hauttransplantationen an den Händen, Hornhauttransplantationen, die lange nicht geholfen haben. Anfangs war ich völlig blind. Ich habe keine Pupillen mehr. Das erste Jahr lag ich nur im Krankenhaus.
Trotzdem stehen Sie hier: selbstbewusst, erfolgreich, Vater von vier Kindern … Es war Fluch und Segen zugleich, dass ich gerade in die
Pubertät kam. Meine Hormone führten ein Eigenleben. Plötzlich waren Mädchen interessant. Allerdings wog ich mit 14 wegen des Cortisons 100 Kilo. Dick und blind – das hat es nicht einfacher gemacht. Aber ich habe diese Situation nie wirklich akzeptiert. Vielleicht war das meine Rettung.
Wollten Sie nie alles hinschmeißen? Die Frage stellte sich nicht. Das ist wie bei einer Chemotherapie. Man kämpft, solange man kann, und nimmt die ein oder andere Delle in Kauf. Einmal in den Anfangsjahren meiner Karriere war ich zu Besuch bei einer steinalten, juwelenbehangenen Sammlerin und sagte zu ihrer Bediensteten: „Sie haben ja eine großartige Sammlung!“Es ist schräg, aber so ist es eben.
Vor zehn Jahren konnten Sie nach einer OP zum ersten Mal wieder mehr sehen. Wie fühlte sich das an? Es war irre. Ich werde nie den ersten Augenkontakt vergessen.
War das Ihre Frau? Liebe auf den ersten Blick? Nein, aber in Lena habe ich mich sofort verliebt und ihr einen Antrag gemacht. Wir leiten die Galerie gemeinsam.
Wie kamen Sie auf die Idee, eine Galerie zu eröffnen? Aus der Not heraus. Ich war 20, hatte Abi und sah so
ICH BIN VOR ALLEM SPARRINGSPARTNER, BERATE DIE KÜNSTLER STRATEGISCH UND KONZEPTIONELL
gut wie nichts. Aber ich kannte nichts anderes als Kunst und Künstler von zu Hause. Da mein Drang, selbst kreativ zu werden, nicht stark genug war, blieb mir nur das Verkaufen. Ich habe mich anfangs auf Konzeptkunst spezialisiert. Die erschließt sich übers Sprechen über den Kontext und nicht nur visuell. Trotzdem war es jugendlicher Leichtsinn. Zu meiner ersten Vernissage kam kein Mensch.
Hatten Sie Angst, nicht ernst genommen zu werden? Natürlich, aber erstaunlicherweise spielte meine Blindheit nie eine Rolle. Obwohl meine Brille ja Bände spricht. Deswegen ist meine Biografie auch eine Art Outing und sie hat eine Message: Traut euch! Mein Erfolg war harte Arbeit. Aber ich habe das Glück in die eigenen Hände genommen und meine Schwäche in eine Stärke transformiert.
Trotzdem klingt es paradox – blind und Galerist… Ich bin vor allem Sparringspartner. Ich berate Künstler strategisch und konzeptionell. Ich weiß, wie man sie vermarktet, weil ich den Kunstbetrieb schon mein ganzes Leben lang analysiere. Und am Ende ist der Erfolg meiner Künstler ja auch gut für mich.