Christina Hecke: Ihre große Liebe ist eine Frau
offenbart in ihrem Buch, dass sie seit zwei Jahren mit der Fotografin STEFFI HENN verheiratet ist
Das Drama in ihrem Leben sieht man Schauspielerin Christina Hecke, 40, nicht an. Zart, ruhig und umsichtig wirkt die erfolgreiche Schauspielerin („Kommissar Dupin“, „In Wahrheit“, „Charlotte Link“) beim BUNTE-Interview in Berlin. In der Branche genießt sie den Ruf, unkompliziert, unprätentiös und sanftmütig zu sein. Attribute, die nur wenig mit der Christina Hecke ihrer Jugend und frühen 20ern gemein haben. Sie selbst bezeichnet sich als „Grenzgängerin“. Sie habe „sich im Leben getummelt“und wer ihr autobiografisch gefärbtes Buch „Mal ehrlich: Mein Blick hinter unser Leben“liest, erkennt schnell, dass sie tatsächlich in ihrem Leben „nichts ausgelassen“hat, wie sie selbst sagt.
Und es stimmt: Vom Kugelhagel auf ihren Reisebus in Jerusalem bis zum Selbstmordversuch – dieses Leben reicht eigentlich für mehrere. Ihre Eltern trennen sich, als sie mitten in der Pubertät steckt, und missbrauchen sie als Sprachrohr, um zwischen Mutter und Vater zu vermitteln. Aufgrund des psychischen Stresses erleidet sie mit 14 einen Hörsturz. Die Beruhigungstabletten, die sie verschrieben bekommt, sammelt sie heimlich, statt sie zu nehmen. Mit 15 versucht sie, sich mit dem Pillencocktail das Leben zu nehmen. Drei Wochen liegt sie danach im Krankenhaus – die Ärzte vermuten einen Hirntumor, von ihrem Suizidversuch erzählt sie nichts. Sie feiert, manchmal bis zum Umfallen, trinkt viel, schläft „oft mehr zum Spaß als aus Liebe“mit Männern und Frauen. Mit 17 wird sie schwanger, erleidet aber eine Fehlgeburt. Sie wird Opfer sexueller Übergriffe von Männern genauso wie von seelischem Missbrauch. Auch Haschisch und Koks probiert sie aus („Das habe ich einige Male versucht, war mir aber zu extrem. Du denkst, du kannst alles, hast unendlich viel Energie, wirst einfach nicht müde. Aber wenn die Wirkung nachlässt, fühlt es sich an, als knallst du ungebremst auf den Boden“).
Auch von einem furchtbaren Verkehrsunfall 2007 schreibt sie: „Meine Lunge war bei dem Aufprall geplatzt. Die oberen Bronchien sind eingerissen. (…) Ich wäre also fast an meinem eigenen Blut ertrunken.“Sie wird ins künstliche Koma versetzt und erlebt noch in der ersten Nacht eine Nahtoderfahrung, „die mich nachhaltig beeinflusst und mein Leben verändert hat“, sagt sie BUNTE. „Danach habe ich mich natürlich gefragt: Mit welcher Qualität werde ich mein Leben fortsetzen? Ich wusste, ich würde etwas ändern.“
Es ist eine der Botschaften ihres Buches: „Nichts bleibt ohne Folgen. Aber egal, wofür ich mich je entschieden habe, ich kann das ändern. Wir sind keine Opfer. Jeder kann sein Leben ändern“, so Christina Hecke. „Ich möchte durch meine Transparenz den Lesern anhand von meiner Biografie aufzeigen, dass jedes Leben mehr Möglichkeiten bietet und man die Türen nur öffnen und durch sie hindurchgehen muss. Egal, was wir schon alles erlebt haben. Wir müssen es nur wagen, unser Leben in die Hand zu nehmen. Nur so kann sich die Gesellschaft ändern.“Und weiter sagt sie: „Für mich ist Ehrlichkeit der Schlüssel zu Veränderung. Deshalb zeige ich in meinem Buch auch tatsächlich die ungeschönte Wahrheit meiner Lebensgeschichte auf.“Das Buch ist für Christina Hecke auch in anderer Hinsicht eine Art „ehrlicher Einblick“, offenbart sie doch darin – fast beiläufig –, dass sie mit einer Frau verheiratet ist. „Eigentlich sollte man glauben, dass das heutzutage kein Thema mehr ist beziehungsweise sein sollte. Aber für viele Menschen ist es das leider doch. Nur zwei Landesgrenzen weiter von uns Richtung Osten werden Homosexuelle noch öffentlich gejagt und diskriminiert. Und auch bei uns in Deutschland gibt es immer noch Anfeindungen und Vorbehalte. Aus meiner Sicht ist die Differenzierung zwischen Homo und Hetero an sich schon eine Farce. Liebende sind Liebende. Männer wie Frauen. Da gibt es keinen Unterschied“, sagt Christina Hecke.
Ihre erste Beziehung mit einer Frau hat sie mit Anfang 20 – mit ihrer Sportlehrerin. „Ja: wieder so ein Klischee. Urteilen Sie ruhig. Haben schon andere“, kommentiert sie das in ihrem Buch. Es ist ihre erste große, lange Liebe.
Ihre Eltern sind damals alles andere als begeistert. Ihr katholisch geprägter Vater wirft ihr an den Kopf, dass man „‚noch vor hundert Jahren Frauen wie dich verbrannt hätte!‘ Bis vor wenigen Jahren kam er
MIT 17 WIRD SIE SCHWANGER, ERLEIDET ABER EINE FEHLGEBURT NOCH VOR HUNDERT JAHREN HÄTTE MAN FRAUEN WIE DICH VERBRANNT“, SAGTE IHR VATER ZU IHR
Sie bekam eine ROLLE nicht – weil sie lesbisch ist
mit meiner Sexualität nicht klar. Er hat es auch nie unterlassen, mir sein Bedauern mitzuteilen, dass er keine Enkelkinder von mir bekommen wird“, erzählt Christina Hecke offen.
Christina Hecke wurde auch schon mal wegen ihrer Liebe zu einer Frau eines Restaurants verwiesen: „Der Stammkunde am Tresen hat unsere gleichgeschlechtliche Liebe nicht gerne gesehen, war die Begründung. Mir wurden auch schon Prügel angedroht oder Vergewaltigung: Da bekommst du Sachen zu hören wie ‚Dich muss man doch nur mal ordentlich…‘ Doch das möchte ich jetzt nicht weiter ausführen“, so die Schauspielerin.
Die Wahrheit ist ihr jedoch wichtiger als der Versuch, „Idealbildern zu entsprechen“. Wenngleich sie das Risiko der Diskriminierung eingeht – im beruflichen Bereich wie in der Öffentlichkeit: „Ich wurde mal für eine Hauptrolle in einem Film nicht besetzt mit der stillen Rückmeldung: ‚Die kann man nicht für die Rolle dieser verliebten Frau an der Seite von Kollege X besetzen. Die ist doch mit ner Frau zusammen. Das geht nicht!‘ Was mich damals noch mehr als überrascht hat, ist für mich heute kein Grund zur Angst mehr. Die Erfahrung zeigt: Wer meine Qualität als Schauspielerin schätzt, der arbeitet mit mir. Egal mit wem ich verheiratet bin. Denn: Was hat meine Sexualität mit meinem Beruf als Schauspielerin zu tun, in dem man ja immer in Rollen anderer Menschen schlüpft?“
Seit acht Jahren ist die Schauspielerin nun schon mit der Fotografin Steffi Henn, 39, zusammen. An den Tag ihres ersten Treffens am 22. Dezember 2011 erinnert sich Christina Hecke noch genau: „Steffi und ich hatten einen Termin, bei dem es auch um die Besprechung eines Fotoshootings gehen sollte. Dass wir aber da auf das Potenzial unserer Beziehung gestoßen sind, war uns nicht klar.“
Schon vor dem später „tatsächlich erfolgten Fototermin sind wir uns nähergekommen und haben stundenlang geredet“, so Christina Hecke. „Wir haben die gleiche
Schwingung, dieselbe Energie. Es ist, als ob unsere Seelen sich gesucht und gefunden hätten. Obwohl wir bei unserem ersten Treffen noch dachten: Sie? Auf gar keinen Fall! Wir waren komplett unterschiedlich. Ich kam von einer durchfeierten Nacht zum ersten Treffen, sie dagegen hat schon damals seit Jahren keinen Alkohol mehr getrunken“, erinnert sie sich. „Bei uns war das wie die Umarmung zweier Kakteen. Fünf Jahre haben wir uns aneinander aufgerieben, weil wir die Kraft unserer Verbindung nicht annehmen wollten. Doch das ist inzwischen vorbei.“
2018 sagten die beiden offiziell „Ja!“zueinander. Christina Hecke hatte ihre Freundin eines abends beim Kochen gefragt, was sie davon halte, wenn sie heiraten würden. Nur fünf Gäste waren bei der standesamtlichen Trauung in Berlin dabei – bei der freien Trauung einige Zeit später auch viele Freunde.
Ihr Vater Martin war beide Male an der Seite seiner Tochter. Christina Hecke: „Vor wenigen Jahren hatte ich ein langes, intensives Gespräch mit meinem Vater. So offen und ehrlich hatten wir noch nie geredet. Wir hatten den Mut, alles an- und auszusprechen. Er akzeptiert und liebt mich inzwischen so, wie ich bin. Erwartungen und Bewertungen sind Respekt und Achtung gewichen. Auch hier sieht man: Es ist nie zu spät und man kann immer einen neuen Weg einschlagen.“
ES IST, ALS OB SICH UNSERE SEELEN GESUCHT UND GEFUNDEN HÄTTEN“