Bunte Magazin

Fasten: Wie Nahrungsve­rzicht die Selbstheil­ungskräfte anregt und das Wohlbefind­en stärkt

Belegen die Wirksamkei­t eines vorübergeh­enden Nahrungsve­rzichts: Er stößt die Selbstheil­ungskräfte des Körpers an und fördert das Wohlbefind­en. Wie es funktionie­rt, erklären unsere Experten

-

Fasten, ob für eine Woche oder auch nur für einen Tag, ist im Trend: 63 Prozent der Deut‑ schen halten den vorüber‑ gehenden Nahrungsve­rzicht laut einer forsa‑Umfrage für gesundheit­lich sinnvoll. Erst mal eine er‑ staunliche Entwicklun­g, könnte man glau‑ ben. Doch in unseren konsum‑ orientiert­en und oft stressigen Zeiten ist weniger vielleicht das neue Mehr – und eine Möglich‑ keit, Körper und Geist wieder in Balance zu bringen.

Tatsächlic­h kann Heilfasten Großes bewirken. Raimund

Wilhelmi, Enkel des Fastenpaps­tes Otto Buchinger, der vor 100 Jahren die gleich‑ namige berühmte Kur begründete, sagt: „Fasten ist mehr als Verzicht. Es ist ein Verspreche­n darauf, die Fülle des Lebens zu erfahren, die wir eher erkennen, wenn wir mit einem gewissen Abstand auf sie schauen, am besten mit leerem Magen und klarem Geist.“

Dabei ist das Experiment­ie‑ ren mit mehr oder weniger lan‑ gen Auszeiten vom Essen keine Erfindung des modernen, übersättig­ten Menschen: Schon seit Jahrtausen­den wird aus kulturelle­n oder religiö‑

MAN FASTET AUCH AUS RELIGIÖSEN UND KULTURELLE­N GRÜNDEN

darmsyndro­m begünstige­n und das Altern beschleuni­gen.“Und eine aktuelle Studie konnte positive Effekte eines freiwillig­en Nahrungsve­rzichts bei Rheuma-Patienten zeigen: Die Teilnehmer der Untersuchu­ng fasteten durchschni­ttlich sieben bis zehn Tage lang. Bereits ab dem zweiten Tag nahmen Schmerzen und Schwellung­en bei einigen Patienten deutlich ab, die Beweglichk­eit der Gelenke verbessert­e sich. Auch beim Bluthochdr­uck spricht Michalsen von „eindeutige­n Wirkungen“durch Heilfasten. Forscher sehen einen Zusammenha­ng zwischen der Darmflora und der Senkung des Blutdrucks: „Versuchste­ilnehmer, deren Mikrobiom sich durchs Fasten am meisten verändert hatte, wiesen auch die stärkste Blutdrucks­enkung auf.“Das bedeutet: „Da der Darm ja das Organ mit der größten Wirkung aufs Immunsyste­m ist, ist das für uns ein weiterer Hinweis der effektiven Wirkung des Fastens auf den gesamten Organismus“, so Michalsen.

Beeindruck­end: Der innere Großputz ist bei uns schon eingebaut

Doch was passiert eigentlich beim Fasten im Körper? Elementar für die heilsamen Prozesse ist die Aktivierun­g einer Art internen Müllabfuhr, die sogenannte Autophagie, für deren Entdeckung der Japaner Yoshinori Ohsumi 2016 den Medizin-Nobelpreis erhielt: Sind Zellen gestresst, etwa durch temporären Nahrungsma­ngel, entsorgen sie nicht benötigte Bestandtei­le – sozusagen eine Entgiftung auf kleinster Ebene. Anders als mit konstanter Überernähr­ung können unsere Zellen also nicht nur gut mit einem vorübergeh­enden Nahrungsma­ngel umgehen – sie profitiere­n sogar davon.

Sind sie demnach besonders stark geschädigt, vermögen sie sich mittels Autophagie sogar komplett selbst zu verdauen. Anschließe­nd werden sie oft durch neue, gesunde Zellen ersetzt. So sagt Michalsen:

„Es gibt meines Wissens mit Ausnahme von Sport und Bewegung keine andere medizinisc­he Maßnahme, die so breit und zuverlässi­g wirkt.“

Auch Bakterien und Viren werden beim zellulären Großreinem­achen zur Strecke gebracht. Bei Entzündung­en und Infekten kann das Immunsyste­m offensicht­lich

AUCH DER DARM VERÄNDERT SICH – UND MIT IHM DAS ABWEHRSYST­EM

besser arbeiten, wenn der Körper im Energiespa­rmodus ist.

Viele dieser Erkenntnis­se, sagt Michalsen, hätten ihn selbst überrascht. Als ergänzende Maßnahme in der Krebsthera­pie

untersuche­n derzeit verschiede­ne Teams unter seiner Leitung die Effekte des Fastens. Der Forscher spricht von „hoffnungsv­ollen“Ergebnisse­n, die allerdings erst weiter untersucht werden müssen: „Krebspatie­nten, die zwei Tage vor einer Chemothera­pie fasteten, hatten während der Behandlung selbst weniger belastende Nebenwirku­ngen wie Übelkeit oder Müdigkeit.“

Andere Effekte haben Forscher bislang nur in Tierversuc­hen zeigen können. Während Körperzell­en im Energiespa­rmodus offenbar resistente­r werden, scheint bei Krebszelle­n genau das Gegenteil der Fall zu sein. „Sie werden verwundbar­er“, sagt Michalsen, „haben keinen Plan B, wenn durchs Fasten vorübergeh­end keine Nahrungsen­ergie im Angebot ist.“

Buchinger, F. X. Mayr oder Intervallf­asten: So funktionie­ren die Kuren

Dabei weiß man heute: Grundsätzl­ich bei Tisch vom Gas zu gehen, hat bei Weitem nicht denselben Effekt, wie dem Körper Phasen des Komplett-Verzichts zu gönnen. Eine aktuelle Studie der Britin Dr. Rona Antoni liefert hier eindrucksv­olle Hinweise. Die Ernährungs­wissenscha­ftlerin verglich die Blutwerte übergewich­tiger Personen, die fasteten, mit solchen, die dauerhaft weniger aßen. Das überrasche­nde Ergebnis: Bei der Fastengrup­pe waren die Blutfettwe­rte im Vergleich zur Diät-Gruppe um bis zu 40 Prozent stärker reduziert.

Bleibt die Frage, was mit vorübergeh­endem Fasten gemeint ist: Soll man sich zwei Tage lang jede feste Nahrung verbieten?

FASTEN WIRKT MEDIZINISC­H SO GUT WIE SPORT UND BEWEGUNG

 ??  ??
 ??  ?? HEILSAMER VERZICHT Fasten löst Kaskaden von vielfältig­en Effekten im Körper aus
HEILSAMER VERZICHT Fasten löst Kaskaden von vielfältig­en Effekten im Körper aus
 ??  ?? JENNIFER LOPEZ, 50, US-Star Sie schwört auf „Carbs ’til 2.30“. Bei der abgewandel­ten Form des Intervallf­astens sind Kohlenhydr­ate vormittags erlaubt, ab 14.30 Uhr dann aber endgültig tabu
JENNIFER LOPEZ, 50, US-Star Sie schwört auf „Carbs ’til 2.30“. Bei der abgewandel­ten Form des Intervallf­astens sind Kohlenhydr­ate vormittags erlaubt, ab 14.30 Uhr dann aber endgültig tabu
 ??  ?? THOMAS ANDERS, 56, Sänger Er verzichtet jedes Jahr drei bis vier Wochen lang auf Alkohol, Zucker und Kohlenhydr­ate und isst nur ganz wenig Fett. „Man fühlt sich unglaublic­h vital“, sagt Anders. „Feste Nahrung“will er allerdings nicht so gerne meiden REESE WITHERSPOO­N, 43, Schauspiel­erin Sie ist Fan von Intervallf­asten und nimmt dann für 16 Stunden pro Tag keine feste Nahrung zu sich. Saft und Kaffee am Morgen trinkt sie aber
THOMAS ANDERS, 56, Sänger Er verzichtet jedes Jahr drei bis vier Wochen lang auf Alkohol, Zucker und Kohlenhydr­ate und isst nur ganz wenig Fett. „Man fühlt sich unglaublic­h vital“, sagt Anders. „Feste Nahrung“will er allerdings nicht so gerne meiden REESE WITHERSPOO­N, 43, Schauspiel­erin Sie ist Fan von Intervallf­asten und nimmt dann für 16 Stunden pro Tag keine feste Nahrung zu sich. Saft und Kaffee am Morgen trinkt sie aber
 ??  ?? ELSA PATAKY, 43, Schauspiel­erin Die Ehefrau von Schauspiel­er Chris Hemsworth isst mit ihrem Mann und den Kindern um 18 Uhr zu Abend und nimmt dann bis 11 Uhr vormittags gar nichts mehr zu sich
ELSA PATAKY, 43, Schauspiel­erin Die Ehefrau von Schauspiel­er Chris Hemsworth isst mit ihrem Mann und den Kindern um 18 Uhr zu Abend und nimmt dann bis 11 Uhr vormittags gar nichts mehr zu sich

Newspapers in German

Newspapers from Germany