Editorial
Kaum einer von uns ist völlig frei davon, wie ihn seine Mitmenschen beurteilen. Und manchmal richten wir selbst unser Verhalten sogar danach aus. Im Kleinen wie im Großen. Obwohl man es eigentlich nie jemandem recht machen kann.
Du trägst ja schon wieder dieselbe Jeans! Euer Rasen könnte auch ein bisschen öfter gemäht werden! Ihr fahrt ziemlich häufig in Urlaub! Eure Kinder sind aber recht ungezogen! In diesem Aufzug willst du deinem Chef gegenübertreten?! Meist sind es Äußerlichkeiten, nach denen wir eingeordnet werden. Und fast immer will jemand anderes uns in eine Richtung lenken, in die wir uns gar nicht bewegen wollen. Warum denken wir dann überhaupt darüber nach? Weil wir nicht anecken wollen? Oder weil wir nicht selbstsicher genug sind?
Schauspielerin Mina Tander hat sich intensiv mit diesem Thema auseinandergesetzt. Als Mutter von zwei Kindern im Alter von acht Jahren und neun Monaten litt sie lange unter dem Druck, den die Gesellschaft immer noch auf Frauen ausübt. „Uns wird oft ein schlechtes Gewissen gemacht“, sagt sie. Und fast immer gehen die Forderungen in widersprüchliche Richtungen: „Wie, du lässt dein Kind bei der Nanny? Wie, du nimmst dein Kind mit?“Oder: „Ach, du arbeitest schon wieder? Willst du nicht mal wieder deine Karriere vorantreiben?“Die einen meinen es so, die anderen so. Mina Tander hat für sich einen Weg gefunden, diesen Druck nicht mehr an sich heranzulassen. Sie hat sich Klarheit verschafft, was ihr und ihrem Leben guttut. Sie weiß, dass ihre wichtigste Aufgabe ist, ihren Kindern ein gutes Vorbild zu sein. Und sie versucht auch, öfter einmal Nein zu sagen. Für sich und vor allem ihren Kindern zuliebe. „Kinder sind noch im Werden“, sagt sie. „Kinder sollen sich entfalten und nicht irgendjemandem gefallen.“
Und was für Kinder gilt, gilt auch für uns Erwachsene. Das Gefühl, anderen gefallen zu müssen, entwickelt sich zu einem wachsenden gesellschaftlichen Problem. Gerade die sozialen Medien wie Instagram vermitteln den Eindruck, wertlos zu sein, wenn man nicht genügend „Likes“einsammelt. Doch der wahre Wert des Lebens liegt nicht in der Beurteilung durch andere. Er liegt in dem schönen Gefühl, in seiner Einzigartigkeit geliebt zu werden. Und in dem Bewusstsein, dass Glück das Einzige ist, das sich verdoppelt, wenn man es teilt.
Sei du selbst, alle anderen sind bereits vergeben.