Der Zauber der Vertrautheit
Fast täglich begegnen wir neuen Menschen, knüpfen neue Kontakte, manchmal entstehen sogar neue Freundschaften. Doch so schnell wir jemanden kennenlernen, so schnell haben wir diese Person oft auch wieder vergessen. Auf faszinierende Art und Weise ist dies bei Menschen aus unserer Kindheit und Jugend ganz anders. Selbst wenn wir sie jahrelang nicht mehr gesehen haben, so kehrt das Gefühl der Vertrautheit sofort zurück, wenn man sich wiedersieht. Es ist beinahe so, als würde man einen Film auf Anfang drehen. Ist es die Stimme? Ist es die Gestik? Die Art, wie jemand erzählt? Sind es die gemeinsamen Erlebnisse aus einer prägenden Zeit? Auf jeden Fall ist es ein Gefühl, das alle verschiedenen Lebenswege überdauert, alle äußerlichen Veränderungen ignoriert. Ein Gefühl, das einem Stärke gibt, Zutrauen und die Gewissheit, tief verwurzelt zu sein.
Von solch einem Glücksgefühl berichten auch Schauspieler Lenn Kudrjawizki („Der Kroatien-Krimi“) und seine Frau, die Geigerin Nora. Beide lernten sich als Kinder auf der Musikschule kennen. Sie war damals zehn, er 15 Jahre alt. „Bei uns gab es gleich eine Verbindung“, sagt Lenn. „Nora fand sofort einen Platz in meiner Welt, wir wurden wie Bruder und Schwester, waren unzertrennlich.“Nora erinnert sich: „Lenn war mein Beschützer, wir erzählten uns alles, Freude, Kummer, Schulstress. Aber auch über unsere ersten Dates.“Jahre später begegneten sie sich wieder. Lenn: „Ich sah sie an und mir wurde schlagartig bewusst, was für eine wunderschöne Frau da vor mir steht. Und, dass ich sie wahrscheinlich schon mein ganzes Leben lang geliebt habe.“Der erst Kuss war etwas Magisches. „Vertraut und doch völlig neu!“Heute sind sie verheiratet und Eltern von zwei Kindern. Eine Beziehung auf einem stabilen Fundament.
Dieses wertvolle Gefühl der Vertrautheit droht uns immer mehr abhandenzukommen. So segensreich das Internet mit seinen sozialen Medien sein kann, so sehr bleiben die meisten Kontakte an der Oberfläche. Es fehlt die Tiefe, die Aufrichtigkeit und die Fähigkeit, einen Konflikt ehrlich auszutragen und zu einem versöhnlichen Ende zu bringen. Es fehlt alles, was wahre Freundschaft ausmacht.
Die Pracht der Rose fußt in ihrer Wurzel.