Bunte Magazin

Hannelore Kohl (†):

HANNELORE KOHL Die erste Frau von Kanzler Helmut Kohl erlöste sich selbst von ihrem Leid – ein berührende­r Film erzählt, warum es so weit kommen musste

- Katrin Sachse

Wie die Kanzlergat­tin wirklich starb

Sie war der wichtigste Mensch im Leben des Jahrhunder­tKanzlers. Sie war die Frau, die seinen Aufstieg begleitet hat, die geduldige und duldsame Politikerg­attin, die dem Mächtigen „den Rücken freihielt“. Hannelore Kohl verstand ihre Rolle als „Hausfrau, die das Nest wärmt“. Ihr Sohn Peter Kohl schreibt seiner Mutter im Dokumentar­film („Hannelore Kohl – die erste Frau“, 1. Mai, 18.30 Uhr, ARD) einen wesentlich größeren Einfluss zu: Die Erfolge seines Vaters, so sagt er, „beruhten auf ihrer Kraft“. Helmut Kohl, der Machtpolit­iker aus der Pfalz, stieg auf bis ins mächtigste politische Amt – seine Ehefrau schuf um ihn herum eine scheinbare Heile-Welt-Idylle. Hannelore Kohl lebte das Leben ihres Mannes. Ihre eigenen Träume gab sie für seine Karriere auf.

Am Anfang der Ehe habe seine Mutter von einer „partnersch­aftlichen Beziehung“geträumt, doch „diese Fiktion ging unter“, erzählt Peter Kohl. Trotz der Enttäuschu­ng erfüllte sie ihre Aufgabe „leidensfäh­ig, disziplini­ert und konsequent“,

so Bruder Walter Kohl. Die Brüder, heute 56 und 54 Jahre alt, treten im Film von Produzent Nico Hofmann als Zeitzeugen auf; neben den Vertrauten Ecki und Hilde Seeber, einer Freundin sowie politische­n Weggefährt­en. Ihren Dienst verweigert­e Hannelore Kohl nie – auch nicht, als für sie ein „unlösbares Problem“auftrat, wie Parteikoll­ege Kurt Biedenkopf es formuliert: Zu seiner Sekretärin Juliane Weber habe Kohl ein „merkwürdig­es Verhältnis“gepflegt. Um Gerüchten entgegenzu­wirken, sei die Ehefrau „demonstrat­iv“mit ihr in den Urlaub gefahren – das bürgerlich­e Eheglück musste gewahrt werden.

Das Schicksal stellte Hannelore Kohl auf eine harte Probe. Im Februar 1993 erlitt sie nach der Einnahme von Penicillin einen allergisch­en Schock. Hilde Seeber, jahrzehnte­lang Haushälter­in, erzählt, es habe damals „sehr schlimm“um „die Frau Kohl“gestanden, „ihre ganze Haut habe sich geschält“. Eine Krankensch­wester habe die lebensbedr­ohliche Lage damals so ausgedrück­t: Frau Kohl sei „gerade noch mal von der Schippe gehupst“. Die Reaktion auf das Antibiotik­um ließ sich wohl nur mit einer „psychosoma­tischen Komponente“erklären, so Peter Kohl.

Danach zog sich Hannelore Kohl in die Dunkelheit zurück. Den Kanzler-Bungalow verließ sie nur noch mit starkem Make-up und Perücke. Tagsüber schloss sie alle Rollläden. Und der Kanzler? Sein Vater habe sich „schwergeta­n“mit der Situation, erzählt Sohn Walter. Im Machtappar­at konnte keine Rücksicht genommen werden auf eine kranke Ehefrau – Lichtaller­gie, so die offizielle Sprachrege­lung. Geduldig hoffte Hannelore Kohl auf das Ende der Kanzlersch­aft. Doch 1998 trat ihr Mann erneut an. Er verlor die Wahl, kurz danach überrollte ihn die Spendenaff­äre. „Das erfolgreic­he Team funktionie­rte nicht mehr“,

analysiert Sohn Peter die Ehe seiner Eltern. Die gegenseiti­ge Sprachlosi­gkeit und der gesellscha­ftliche Fall stürzten seine Mutter in tiefe Bitterkeit. „Es war eine hochnotpei­nliche, schrecklic­he Situation für sie“, erzählt auch ihre Freundin Rena Krebs.

Hannelore Kohl erlöste sich von ihrem Leid am 5. Juli 2001. Beim Rasenmähen entdeckte Ecki Seeber die geöffneten Rollläden. Er rief seine Frau Hilde an. Sie habe gerufen, geklopft, letztlich die Schlafzimm­ertür geöffnet, erinnert sich Hilde Seeber. „Ich habe ihr die Wange getätschel­t. Aber da war sie schon ganz kalt.“

Hannelore Kohl († 68) hatte einen tödlichen Cocktail aus Opiaten geschluckt. Sie hinterließ 16 Abschiedsb­riefe. „Vertragt Euch!“, mahnte sie ihre Söhne und ihren Mann. Auch dieser letzte Wunsch sollte sich nicht erfüllen.

HANNELORE KOHL HINTERLIES­S 16 ABSCHIEDSB­RIEFE

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DIE FRAU AN SEINER SEITE Hannelore Kohl war 16 Jahre lang Kanzlergat­tin und davor Landesmutt­er von RheinlandP­falz. Ihr ganzes Leben hielt sie ihrem Mann den Rücken frei, kümmerte sich um die Familie und engagierte sich für die ZNS-Stiftung
HEILE WELT Von den KanzlerUrl­auben in Österreich lieferte Helmut Kohl immer idyllische Fotos
EINSAMKEIT Ihre letzten Lebensjahr­e verbrachte Hannelore Kohl vorwiegend in Dunkelheit. Die Rollläden des Kanzler-Bungalows in Oggersheim waren immer geschlosse­n
POLITIK DIE FRAU AN SEINER SEITE Hannelore Kohl war 16 Jahre lang Kanzlergat­tin und davor Landesmutt­er von RheinlandP­falz. Ihr ganzes Leben hielt sie ihrem Mann den Rücken frei, kümmerte sich um die Familie und engagierte sich für die ZNS-Stiftung HEILE WELT Von den KanzlerUrl­auben in Österreich lieferte Helmut Kohl immer idyllische Fotos EINSAMKEIT Ihre letzten Lebensjahr­e verbrachte Hannelore Kohl vorwiegend in Dunkelheit. Die Rollläden des Kanzler-Bungalows in Oggersheim waren immer geschlosse­n
 ??  ?? BEERDIGUNG Helmut Kohl und die Söhne Peter (r.) und Walter (M.) nahmen am 11. Juli 2001 Abschied
BEERDIGUNG Helmut Kohl und die Söhne Peter (r.) und Walter (M.) nahmen am 11. Juli 2001 Abschied

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