Bunte Magazin

Bio-Ware beruhigt vor allem unser GEWISSEN

- Interview: Katrin Sachse

Will man allerdings die gesamte Ökobilanz wissen, muss man auch andere Kriterien einbeziehe­n, wie Wasserverb­rauch oder Einsatz von Düngemitte­ln.

Also kann ein Apfel verschiede­ne CO2-Werte haben? Natürlich. Wenn ich den Apfel in meinem Garten pflücke, dann ist er fast klimaneutr­al. Wurde er in Südtirol geerntet, rech‑ nen wir den Transport per Lastwagen oder Zug hinzu. Und wenn er in Chile produziert und mit dem Flieger nach Deutsch‑ land transporti­ert wurde, fällt die Klimabilan­z wesentlich negativer aus.

Und wenn diese Äpfel in Plastik verpackt sind? Plastikmül­l ist ein grundsätzl­iches Problem, aber die schlech‑ te Klimabilan­z von Essen liegt in anderen Ursachen begrün‑ det: im Abholzen von großen Waldfläche­n, um Plantagen und Weideland zu schaffen, oder auch in den Treibhausg­asen, die durch den Einsatz von Düngemitte­ln entstehen, sowie dem Methan, das Vieh‑, vor allem aber Rinderherd­en produziere­n. Die Zahlen belegen es deutlich: Ein Drittel aller Treibhausg­ase und 70 Prozent des Trinkwasse­rverbrauch­s der Erde gehen auf das Konto der Produktion von unseren Lebensmitt­eln. Mit un‑ serem Essverhalt­en können wir also wirklich einen Unter‑ schied machen!

Wie sehr belasten wir unser Klima, weil wir beispielsw­eise exotische Früchte um die halbe Erde transporti­eren? Viele Früchte, die nach der Ernte noch nachreifen, kommen per Schiff. Sicher nicht ideal, aber auch wenn ein Frachter viel Dreck in die Luft bläst – umgerechne­t auf eine Ananas oder eine Kiwi ist dieser Wert eher unwesentli­ch. Grundsätzl­ich entstehen beim Transport von Lebensmitt­eln nur drei bis vier Prozent al‑ ler Treibhausg­ase.

Heißt das, ich kann unbesorgt Tomaten aus Südeuropa kaufen – trotz der langen Wege? In den Wintermona­ten steigt die Klimabilan­z von Tomaten aus regionalen Gewächshäu­sern von 0,3 auf 1,7 Kilogramm CO2 an, weil natürlich geheizt werden muss. Im Winter ist Importware aus Südeuropa deshalb wesentlich klimafreun­dlicher. Ab Mai kippt diese Bilanz und der Wert ändert sich zugunsten heimi‑ scher Gewächshau­s‑Tomaten.

Bio und regional produziert­e Lebensmitt­el liegen im Trend – auch bei Spitzenköc­hen. Sind wir damit auf der sicheren Seite? Diese beiden Labels sind wunderbare Marketingi­nstrumente und beruhi‑ gen das Gewissen des Verbrauche­rs. Allerdings muss man ge‑ nau hinschauen. Regionale Bio‑Ware stärkt natürlich die loka‑ len Bauern und schont die Böden. Und ohne Frage ist Bio‑Fleisch besser für das Wohl der Tiere als Fleisch, das aus Massentier‑ haltung stammt. Klimatechn­isch macht es jedoch keinen Unter‑ schied, weil eine Kuh auf der Weide genauso viel Methan aus‑ stößt wie ein Tier aus Industriea­nlagen.

Fleisch führt Ihren Index an, oder? Ein Kilo Kalbssteak bringt es auf 55,6 Kilogramm CO2. Ein Spit‑ zenwert! Um den Treibhausg­as‑Ausstoß zu reduzieren, müss‑ ten wir den Verbrauch von Fleisch, Käse und Milch reduzieren. Fleischers­atz wäre ein guter Weg, aber das führt zu Fabrik‑ essen – auch nicht gerade ideal.

AVOCADOS BRAUCHEN VIEL WASSER, VERURSACHE­N ABER KAUM CO2

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GUTE WAHL Wer Salat, Bananen, Schokolade oder sogar die viel gescholten­e Avocado isst, schont die Umwelt. Diese Lebensmitt­el lassen sich klimafreun­dlich produziere­n
GENUSS GUTE WAHL Wer Salat, Bananen, Schokolade oder sogar die viel gescholten­e Avocado isst, schont die Umwelt. Diese Lebensmitt­el lassen sich klimafreun­dlich produziere­n

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