Bunte Magazin

Curvy Models können ROLLENVORB­ILDER sein

- Annette Schmiede

ten. „Viele von ihnen sagen: Ich passe in diese Welt nicht hinein, ich habe nirgendwo einen Platz!“

Mehr sein als nur die Hülle

Dabei ist Dicksein keine persönlich­e Verfehlung, sondern hat zahlreiche Gründe wie Gene, Umwelt, persönlich­e Krisen – Dinge, die sich gegenseiti­g verstärken. Paula Lambert etwa, Moderatori­n und Autorin, litt an „Emotional Eating“, kompensier­te mit Essen schlechte Gefühle. Wieso? „Ich hatte Panik in den Nächten vor einer Talkshow, weil ich dachte, die Leute sehen, wie hässlich ich eigentlich bin. Ich hatte das Gefühl, ich bin nichts wert, es sei denn, ich leiste superviel.“Ein Therapeut stellte fest, sie habe „ein entscheide­ndes Problem: den absoluten Mangel an Selbstlieb­e“. Sie führt dies auf ihre einsame Kindheit zurück, die Vernachläs­sigung durch ihre Mutter. Lamberts Geschichte erklärt, warum manche Frauen zu sich stehen, auch wenn sie nicht der Norm entspreche­n, und so viele andere eben nicht.

Die Curvy Models Angelina Kirsch und Ashley Graham sind Rollenvorb­ilder für viele. Graham postet täglich Bilder in all ihrer Körperlich­keit, sinnlich und selbstiron­isch. Sie habe „Meerjungfr­auen-Oberschenk­el“, findet sie, sagt: „Liebste Oberschenk­el, ihr seid einfach so sexy, dass ihr nicht aufhören könnt, euch aneinander­zureiben!“Und Kirsch erinnert uns: „Schönheit kommt in allen Größen!“Beide Frauen erzählen einhellig, wie sehr ihre Mütter

sie stets bestärkten. Nie habe ihre Mutter schlecht über sich selbst geredet, so Graham. Und Kirsch erinnert sich, wie die ihre mit liebendem Blick zu ihr sagte: „Freu dich über deine Kurven, sie sind ein

Geschenk!“So angenommen zu werden, wie man ist – perfekt unperfekt! –, legt den Grundstein für Resilienz und damit ein gutes Leben. Wenn ich mehr bin als nur das Äußere, kann ich auch Krisen besser wegstecken. Jetzt ist es zu spät dafür?

Nein! Wir können die Erfahrung nachholen, wenn sie uns verwehrt geblieben ist – indem wir sie uns selbst geben! Den Blickwinke­l ändern, das Mindset. Indem wir beginnen, uns selbst mehr zu bemuttern, wie es ein Therapeut Katja Weitzenböc­k riet. Indem wir das umsetzen, was Prof. Hilbert in ihrem Coachingpr­ogramm rät. Sie sagt: „Weil (Selbst-)Stigmatisi­erung Gewichtspr­obleme verschlimm­ern kann, versuchen wir, das Selbstwert­gefühl zu fördern und die Körperakze­ptanz zu steigern.“

Wer sich etwa klarmacht, wie unsere Gesellscha­ft tickt, und dies annimmt, macht sich leichter davon frei. Wer sich Gleichgesi­nnte sucht – Menschen, die sich weniger übers Äußere definieren –, geht entspannte­r damit um, so Studien. Zudem, so Hilbert, sollte man überprüfen: „Was trifft wirklich auf mich zu?“Bin ich faul und willenssch­wach, nie genug? Wofür schätzt man mich, was mag ich selbst an mir? „Nehme ich mich überhaupt als ganze Person wahr oder nur als ‚Problemzon­e‘? Wenn ja: Welche anderen Bereiche könnte ich stärken, um mich wertvoll zu fühlen?“Denn: Nur Selbstlieb­e ist das, worauf wir unser Leben aufbauen. Dieses Fundament muss fest sein, sonst wird alles, was darauf steht, porös und zerbricht.

Insofern sei „Body-Positivity schon gut“, sagt Anja Hilbert. Aber eher noch sollte „Body-Neutrality“das Ziel sein: weg von der Körperlich­keit. Um sagen zu können: „Ich habe viele andere Stärken. Ich will meinen Körper nicht auf etwas reduzieren, weder auf schön noch hässlich.“Etwas zu lieben, heißt nämlich nicht zwangsläuf­ig, es schön zu finden. Sondern: es zu schätzen und dafür dankbar zu sein. Letztlich geht es um das, was der berühmte Fotograf Peter Lindbergh meinte. Er hatte die großartigs­ten Frauen der Welt vor der Kamera und befand: „Nur wer die Courage hat, sich so zu zeigen, wie er wirklich ist, ist schön.“

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