Marius Müller-Westernhagen
spricht über das schwierige Verhältnis zu den Eltern und wie ihm ein Therapeut geholfen hat
über das schwierige Verhältnis zu seinen Eltern
Kein Verhältnis ist so prägend wie das zu den Eltern. Es beeinflusst ein Leben lang unser Handeln. Und viele Menschen gehen in Therapie, um diese sensible Beziehung aufzuarbeiten. So auch Rock-Legende Marius Müller-Westernhagen, 71. Im Buch „Soundtrack Deutschland – Wie Musik made in Germany unser Land prägt“spricht der Sänger über das Verhältnis zu seiner Mutter Liselotte (†1999) und darüber, wie der frühe Tod seines Vaters, Schauspieler Hans MüllerWesternhagen (†1963), sein Leben schlagartig verändert hat: „Als mein Vater starb, war ich 15, ein richtiges Kind.“Er musste früh erwachsen werden, aber die Rolle des Familienoberhauptes nahm der Düsseldorfer als einziger Sohn neben einer Schwester nicht ein: „Meine Mutter habe ich als Kind bedin‑ gungslos geliebt. Die Konflikte gingen los mit dem Tod meines Vaters. Meine Mutter begann irgendwann, sich mit anderen Männern zu treffen, was für dich als Kind eine absolute Qual ist. Auf der anderen Seite sollst du die Stelle des Pa‑ triarchen in der Familie über‑ nehmen, womit du vollkommen überfordert bist. Ich hatte nie die Figur des starken Mannes vor Augen. Mein Vater war ein gebrochener Mann, als er aus dem Krieg kam.“Er litt an Depressionen, kam tagelang nicht aus dem Bett und „hat getrun‑ ken“. Allerdings wurde er als Schauspieler unter Gustaf Gründgens am Düsseldorfer Schauspielhaus gefeiert. Müller-Westernhagen: „Als Kind siehst du das als Messlatte für dich. Mein Vater war nie so populär wie ich. Aber trotzdem habe ich jahrelang gehört, dass ich der Sohn vom Hans bin. Natürlich spornt dich das an. Vieles, was man im Leben tut, hat mit Kompensation zu tun.“
Zu seiner Mutter hatte der heute in zweiter Ehe mit Lindiwe Suttle verheiratete Wahlberliner ein zwiespältiges Verhältnis: „Ich war mal bei einem Therapeuten, um mir über meine Beziehung zu meiner Mutter klar zu werden, und das war der größte Luxus, weil du mit einem Menschen redest, der nicht beurteilt, aber dir zuhört. Und du kannst dei‑ nen ganzen Müll abladen.“Vor allem der Generationenkonflikt stand einem entspannten Umgang im Weg, wie der zweifache Vater berichtet: „Ihr wäre wohl lieber gewesen, ich hätte den Hamlet in Remscheid gespielt als in Stadien den Rockstar.“Es gab Phasen, in denen er seine Mutter gehasst habe. Doch inzwischen empfindet er Liebe für sie: „Das dauert, bis man das begreift, dass die Eltern mitunter auf einem anderen Planeten leben als du selbst. Da muss man freundlich sein, zuhören, aber nicht mehr versuchen, deine Eltern verändern zu wollen.“
Es half nur Rebellion: „Dass man sich an‑ passt und eine Rolle spielt, das war den Eltern meiner Generation sehr wichtig. Wir hatten es deshalb andererseits auch leichter als die Jungen heute, weil wir ein klares Feindbild hatten. Wir wollten nicht wie unsere Eltern wer‑ den.“