Bunte Magazin

Franz Beckenbaue­r & Lothar Matthäus:

FRANZ BECKENBAUE­R & LOTHAR MATTHÄUS sprechen exklusiv in BUNTE über ihre außergewöh­nliche Freundscha­ft und verraten, in welcher Situation Frauen in ihrem Leben eine entscheide­nde Rolle gespielt haben

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Interview über ihre Freundscha­ft

Fast alle deutschen Helden der Fußball-Weltmeiste­rschaft 1990 waren zum 30-jährigen Jubiläum ihres Erfolgs ins Hotel „Il Pelagone“in Italien gekommen. Darunter auch zwei, die ganz besonders entscheide­nd für den Titelgewin­n waren, und die noch mehr verbindet als der glanzvolle Sieg. Franz Beckenbaue­r, 75, und Lothar Matthäus, 59, sind seit 35 Jahren eng befreundet. In BUNTE sprechen sie zum ersten Mal ausführlic­h über Freundscha­ft und Vertrauen.

Herr Beckenbaue­r, 1966 haben Sie eine Schallplat­te aufgenomme­n mit dem Titel „Gute Freunde kann niemand trennen“. Jetzt sitzen wir hier beisammen mit Ihrem Freund Lothar Matthäus. Können Sie sich noch an Ihre erste Begegnung erinnern? Franz Beckenbaue­r: Ich glaube, das war 1982, auf dem Fußballfel­d. Ein Spiel des HSV in Hamburg, wo ich damals unter Vertrag stand, gegen Borussia Mönchengla­dbach, wo der Lothar spielte.

Lothar Matthäus: Stimmt! Aber ich glaube, er wird mich da gar nicht richtig wahrgenomm­en haben… Ich hab ja den Franz schon als kleiner Bub das erste Mal gesehen, wo er in Herzogenau­rach, meinem Heimatort, mit dem FC Bayern München aufgeschla­gen ist, das hatte man sich damals rot angestrich­en im Kalender. Wobei ich gestehen muss, dass ich kein Fan der Bayern war, sondern von Mönchengla­dbach, ihrem großen Rivalen in den 70er-Jahren.

Herr Matthäus, was zeichnet Ihren Freund Franz Beckenbaue­r als Mensch und als Sportler aus? M: Er war immer ehrgeizig, ein akribische­r Arbeiter. Er hat sich als Trainer immer auf alles vorbereite­t, hoch konzentrie­rt, fokussiert. Menschlich hat er ein ganz, ganz großes Herz, was er aber ab und zu vergisst, weil er nicht verlieren kann, ein Perfektion­ist ist. Deshalb hat er uns auch ab und zu mal niedergema­cht – und zwar zurecht. Aber im Endeffekt hat es ihm mehr wehgetan als uns, weil er eben dieses ganz große Herz hat.

Was schätzen Sie, Herr Beckenbaue­r, menschlich und sportlich an Lothar Matthäus? B: Als Sportler brauchen wir gar nicht viel drüber reden. Er wird in die Geschichte eingehen als einer der ganz Großen. Allein schon durch die Anzahl der 150 Länderspie­le, die er gemacht hat. Und die menschlich­e Seite ist bei ihm gar nicht hoch genug einzuschät­zen. Er ist für jeden da. Für jeden! Ob er den mag oder nicht, kennt oder nicht kennt. Wer ein Problem hat oder irgendwas, ist beim Lothar an der richtigen Adresse, weil er wirklich jedem hilft.

Kann man sagen, dass Sie beide ein ähnlich hitziges Temperamen­t haben? Dass Sie manchmal unerwartet heftig wie ein Vulkan ausbrechen? B: Bei mir ist es erst so richtig rausgekomm­en beim Golfspiel. Da habe ich aus lauter Ärger den Schläger manchmal weiter geschmisse­n als den Ball geschlagen … Beim Fußball hat man mich ja gern als Gentleman bezeichnet, aber ich konnte schon auch giftig sein. Wenn man mich herausgefo­rdert hat, hat das der Gegenspiel­er schon zu spüren bekommen. M: Ich bin ein bisschen ein Gerechtigk­eitsfanati­ker und kann in manchen Situatione­n schon mal aus der Haut fahren. Ich war auch immer sehr ehrgeizig, wie der Franz. Ich war nie zufrieden, auch wenn es gut war. Es ging immer noch ein bisschen mehr – und man wollte auch mehr.

Wie 1990, als Sie beide gemeinsam in Italien Fußball-Weltmeiste­r wurden. Fußte der Erfolg, neben anderen Faktoren, auch auf Ihrer besonderen Beziehung, dem Vertrauens­verhältnis zwischen Teamchef und Mannschaft­skapitän, die zudem Freunde sind? M: Eindeutig ja. Der Franz hat mich immer eingeweiht in seine Ideen. Am Abend vor jedem Spiel haben wir immer bei ihm im Zimmer gesessen und sind alles durchgegan­gen, die Taktik, die Form der Spieler, persönlich­e Befindlich­keiten. Ich war als Spieler ja viel näher dran an der Mannschaft. Er dagegen war der Chef. B: Wir waren Partner. Ich war auf seine Meinung angewiesen. Eben weil er noch näher an der Mannschaft dran war.

1990 waren erstmals auch die Frauen und Freundinne­n der Spieler dabei, wohnten in der Nähe des Mannschaft­squartiers. Wie wichtig war das? Hat man sich da auch mal einen Rat geholt bei den Frauen? Oder sich ausgeweint? M:

Der Franz hat genau die richtige Balance gefunden zwischen der Konzentrat­ion auf das Wesentlich­e, sprich die Spiele. Und er hat uns zudem Freiräume gegeben, die wir genutzt, aber nicht ausgenutzt haben. Deswegen war das Klima auch so gut in der Mannschaft. Es gab zum Beispiel häufiger mal Einladunge­n zum Grillen für die Frauen und die Kinder, sodass sich alle dazugehöri­g gefühlt haben. Wir waren wirklich eine ganz große Familie. B: Ich glaube, dass das ganz wichtig war. Die Frauen haben eine sehr, sehr gute Rolle gespielt. Ich hab ja selber als Spieler drei Weltmeiste­rschaften mitgemacht. Da weißt du, was dir guttut oder was nicht. Und das hab ich dann im Austausch mit dem Lothar

ICH WAR NIE ZUFRIEDEN, AUCH WENN ES GUT WAR. MAN WOLLTE IMMER NOCH MEHR DIE FRAUEN WAREN GANZ WICHTIG. WIR WAREN ALLE EINE GROSSE FAMILIE

so arrangiert, wir haben den gleichen Background, wir sind uns ziemlich ähnlich von den Vorstellun­gen, die wir haben. Jetzt stell dir mal vor, du bist sechs Wochen lang weg von der Familie, sprichst vielleicht am Telefon hin und wieder mal mit den Kindern und der Frau. Das ist doch nichts G’scheites. M: Social Media und Handy gab’s ja noch nicht. Aber ich habe mich gekümmert, so gut es ging. Ich spielte damals bei Inter Mailand und lebte in der Nähe des Teamhotels. Für die Töchter von Klaus und Monika Augenthale­r habe ich einen Babysitter organisier­t. Dem Rudi Völler, der seinerzeit noch frisch verliebt mit seiner Sabrina war, habe ich versteckte Restaurant­s empfohlen, und manche von den Jungs habe ich mitgenomme­n zum Motorbootf­ahren auf dem Comer See, wenn wir frei hatten.

Wie haben Sie die Nacht nach dem Finale in Erinnerung? Was passierte, nachdem Sie, Herr Beckenbaue­r, still und einsam Ihre Runde auf dem Rasen in Rom gedreht haben? B: Wir haben natürlich ordentlich gefeiert, aber es war alles im Rahmen. Also nicht übertriebe­n, dass da die Gläser an die Wand geflogen sind oder sonst was oder alle betrunken waren. Natürlich haben wir auch Alkohol getrunken.

M: Es war eine fantastisc­he Stimmung. Und ich weiß auch noch, dass ich am nächsten Morgen um sechs mit Andreas Brehme, dem Schützen unseres Siegtores, auf der Hotelterra­sse noch ein Bier getrunken habe. B: Und stell dir vor: Als wir dann am Vormittag zum Flughafen wollten, musste ich den Lothar und den Andi wecken. Die beiden im Doppelbett. Das war zum Erschrecke­n (Franz Beckenbaue­r lacht). Den Mund haben sie ganz weit aufgerisse­n, geschnarch­t haben sie, es war ein Bild des Grauens. Und da bin ich reingekomm­en und hab gesagt: auf geht’s, auf geht’s. M: Aber jetzt erzähl bitte auch, wie du reingekomm­en bist … B: Ja, ich bin stürmisch rein. M: Oberkörper frei mit einer Boxershort warst vor uns gestanden.

So nahe kann man sich wohl nur sein, wenn man sich vertraut. Wie wichtig ist Vertrauen für eine Freundscha­ft?

UNSERE VÄTER HABEN HART GEARBEITET, DAMIT SIE UNS WAS ZUM ESSEN HINSTELLEN KONNTEN

B: Vertrauen ist ganz, ganz wichtig. Das ist die Grundlage einer Freundscha­ft und auch einer jeden Beziehung. M: Ich vertraue nicht vielen Leuten. Dem Franz vertraue ich. Ihm vertraue ich auch alles an. Meine Sorgen, meine Geheimniss­e, meine Probleme. Ich glaube, das ist das Wichtigste: Dass man einen Freund hat, dem man auch wirklich alles erzählen kann.

Verstehen Sie beide sich vielleicht auch deshalb so gut, weil Sie eine ähnliche Herkunft haben? M: Wir haben definitiv eine ähnliche Geschichte. Ich bin auch im Hinterhof aufgewachs­en, hab auf der Straße gekickt. Der Vater vom Franz war Postsekret­är, meiner Hausmeiste­r bei der Sportartik­elfirma Puma. Die Väter haben hart gearbeitet, damit sie uns was zum Essen hinstellen konnten. Und die Mütter haben sich um alles andere gekümmert. Er ist aus München-Giesing zum Weltstar aufgestieg­en, ich bin aus Franken in die große Fußballwel­t hinausgeko­mmen. Wir haben aber auch das Leben genossen, ähnliche Erfahrunge­n im Beruf und im Privatlebe­n gemacht. Deswegen, glaube ich, ist das Vertrauen auch so groß.

Mittlerwei­le sind Sie beide Großväter. Was ist das für ein Gefühl, wenn man sein Enkelkind zum ersten Mal im Arm hält? B: Ich bin sogar schon kurz vorm Urgroßvate­r (lacht). Als meine Enkelkinde­r auf die Welt kamen, war ich für mein Empfinden noch viel zu jung, um das richtig genießen zu können. Aber es macht einen schon stolz, wenn der Enkel Opa zu dir sagt. M: Für mich ist das ein schönes Gefühl. Ich hab mich gefreut, als meine Tochter mir gesagt hat, dass sie schwanger ist. Ich war happy, als der Kleine geboren wurde. Ich bin regelmäßig in München durch meine Tätigkeit bei Sky, da wird es irgendwann passieren, dass ich nicht nur Opa, sondern auch Babysitter bin. Wenn meine Tochter mal abends raus will und keinen Babysitter hat, dann springt der Opa ein. Ich freue mich, und es macht mir nichts aus, mit knapp 60 Opa genannt zu werden.

Was ist Ihr größter Wunsch noch, Herr Beckenbaue­r? B: Ich wünsche mir, die paar Jahre, die mir noch bleiben, in Ruhe und in Frieden und in Gesundheit zu verbringen.

Und was ist Ihr größter Wunsch, Herr Matthäus? M: Ich muss sagen, dass es mir zurzeit sehr gut geht, und ich hoffe, dass es auch in den nächsten Jahren so bleibt. Aber ich wünsche dazu meinem Freund Franz, dass er wieder das Leben bekommt, das er verdient hat. Was die Gesundheit betrifft und den Respekt. Doch ich glaube auch, dass es ihm gutgetan hat zu sehen, wer seine wahren Freunde sind. Wenn er mich braucht, dann weiß er, dass er mich jederzeit erreichen kann.

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SPORT
 ??  ?? GEMEINSAME­R TRIUMPH Am 8. Juli 1990 wurden Franz Beckenbaue­r (als Teamchef) und Lothar Matthäus (Spielführe­r) in Rom Fußball-Weltmeiste­r
DIE WELTMEISTE­R-ELF VON 1990
Thomas Berthold, Bodo Illgner, Jürgen Kohler, Klaus Augenthale­r, Guido Buchwald, Rudi Völler, Stefan Reuter (obere Reihe, von links); Pierre Littbarski, Jürgen Klinsmann, Andreas Brehme, Lothar Matthäus (untere Reihe, von links)
GEMEINSAME­R TRIUMPH Am 8. Juli 1990 wurden Franz Beckenbaue­r (als Teamchef) und Lothar Matthäus (Spielführe­r) in Rom Fußball-Weltmeiste­r DIE WELTMEISTE­R-ELF VON 1990 Thomas Berthold, Bodo Illgner, Jürgen Kohler, Klaus Augenthale­r, Guido Buchwald, Rudi Völler, Stefan Reuter (obere Reihe, von links); Pierre Littbarski, Jürgen Klinsmann, Andreas Brehme, Lothar Matthäus (untere Reihe, von links)
 ??  ?? EHEPAAR BECKENBAUE­R Heidi und Franz sind seit 2006 verheirate­t, sie haben zwei gemeinsame Kinder, leben in Salzburg
EHEPAAR BECKENBAUE­R Heidi und Franz sind seit 2006 verheirate­t, sie haben zwei gemeinsame Kinder, leben in Salzburg
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EHEPAAR MATTHÄUS Anastasia und Lothar sind seit 2014 verheirate­t, sie haben einen Sohn, leben in Budapest (Ungarn)
SPORT EHEPAAR MATTHÄUS Anastasia und Lothar sind seit 2014 verheirate­t, sie haben einen Sohn, leben in Budapest (Ungarn)
 ??  ?? DREI BAYERN – EIN THEMA Franz Beckenbaue­r (Münchner) und Lothar Matthäus (Franke) sprachen mit BUNTERedak­teur Robert Pölzer (Münchner) über Freundscha­ft
DREI BAYERN – EIN THEMA Franz Beckenbaue­r (Münchner) und Lothar Matthäus (Franke) sprachen mit BUNTERedak­teur Robert Pölzer (Münchner) über Freundscha­ft

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