Die New Faces Award Music-Gewinnerin über ihre schwere Vergangenheit
ZOE WEES Ihr Song „Control“wird weltweit gefeiert, ihr Name in einem Zug mit berühmten Diven genannt. BUNTE trifft die Frau mit der großen Stimme
Die gefühlvolle Ballade „Control“stürmte im Spätsommer die deutschen Charts, eroberte Großbritannien und ist jetzt unter den Top 20 in den USA. Eine irre Erfolgsgeschichte für die Sängerin Zoe Wees, 18. From zero to hero in wenigen Wochen. BUNTE zeichnete die Hamburgerin gerade mit dem New Faces Award Music als beste Newcomerin des Jahres aus. Und doch weiß man wenig über die junge Frau mit der Samtstimme. Bekannt war eigentlich nur, dass eine schwere Krankheit sie zu diesem Super-Hit inspiriert hat.
Als Kind litten Sie unter einer besonderen Form der Epilepsie. Wie zeigte sich diese Krankeit? Ich litt unter Rolando-Epilepsie. Das ist eine Kindheitsepilepsie, die mit der Pubertät ausheilt. Bei mir hat es damals über ein Jahr gedauert, bis meine Mutter überhaupt eine Diagnose bekam. Ich hatte plötzlich Krampfanfälle. Manchmal nur einmal am Tag, manchmal bis zu drei Mal. Alles krampfte, die
Muskeln verschoben sich. Totaler Kontrollverlust. Auf mich wartete vor der Schule immer schon ein Krankenwagen mit Sanitätern, die mir im Notfall Erste Hilfe leisten konnten.
Von diesem Kontrollverlust handelt auch Ihr Song. In „Control“habe ich die schwierigste Phase meines Lebens verarbeitet. Als Kind verstehst du ja noch viel weniger, was da mit dir passiert. Du bist absolut hilflos. Die anderen Kinder hatten Angst vor mir und wollten nicht mit mir spielen. Ich saß oft im Nebenraum mit der Lehrerin und bin nach der Schule allein nach Hause gegangen. So etwas prägt. Auch heute habe ich zwei richtig enge Freundinnen und das reicht mir.
Haben Sie noch andere Spätfolgen? Körperlich eigentlich nicht, aber psychisch. Während eines Anfalls durfte man mich nie fest anfassen, weil es sonst zu Lähmungserscheinungen hätte kommen können. Das wirkt bis heute nach. Manchmal schmerzen schon leichte Berührungen. Nur wenige Menschen dürfen mich bis heute auch umarmen.
Sind das Phantomschmerzen? Es tut auf jeden Fall wirklich weh. Aber ich habe es im Griff. Auch weil ich schon früh psychologische Hilfe bekommen habe. Trotzdem fühlen sich diese vier Jahre für mich wie verlorene Jahre an. Wie nicht gelebt. Gleichzeitig weiß ich, dass ich „Control“nie ohne diese Krankheit geschrieben hätte. Alles passiert aus einem Grund.
Sie wirken wahnsinnig reif für Ihr Alter und verdammt mutig. Woher nehmen Sie diese Kraft? Diese Energie verdanke ich meiner Grundschullehrerin. Sie war immer für mich da und hat mir versichert, dass die schlechten Zeiten vorbeigehen und ich da heile wieder rauskomme. Und natürlich meiner Mama. Sie hat mich ermutigt, meinen Traum zu leben. Ich wollte schon mein ganzes Leben lang Musik machen und habe nach der Schule alles auf eine Karte gesetzt. Es gab aber auch keinen Plan B, denn so richtig gut war ich nur in Musik und Englisch.
Sind Sie in Hamburg allein bei Ihrer Mutter aufgewachsen? Ja, meine Mutter hat mich alleine großgezogen und ihre ganze Energie und ihr ganzes Herzblut in mich gelegt. Ich bin sehr stolz darauf, dass wir das zu zweit gemeistert haben.
Wo war Ihr Vater? Meinen Vater kannte ich gar nicht, bis ich 16 wurde. Ich habe damals selbst nach ihm gesucht. Nicht, weil er mir zu meinem Glück fehlte. Aber jedes Mal, wenn ich in den Spiegel guckte, erkannte ich zum Großteil meine Mutter wieder und ich wollte einfach wissen, wen ich da noch sehe. Genau solche Momente im Leben versuche ich in Songs zu packen und zu verarbeiten.
Hat Ihr Musiklehrer ein wenig die Vaterrolle übernommen? Nein, Nils ist ein guter Freund und mein Mentor. Er hat mich bei einem Schulauftritt singen gehört und gefragt, ob ich mit ihm arbeiten möchte. Anfangs war das komisch. Mit einem Lehrer? Die anderen Kids fanden das uncool. Es war harte Arbeit, hat aber Spaß gemacht. Nils hat damals sogar meinen Stundenplan ändern lassen, um mich musikalisch zu fördern. Heute hat er seinen Job an den Nagel gehängt und ist mein Manager.
Fällt es Ihnen leicht, eine Bühne zu betreten und vor Tausenden Menschen zu performen? Sie meinen, weil ich schüchtern wirke? Das fällt von mir ab, sobald ich singe. Dann blende ich alles aus und bekomme nichts mehr mit. Sogar mit offenen Augen. Ich bin dann in meiner eigenen Welt, zu der sonst niemand Zutritt hat. Für viele Frauen sind Sie ein Role Model. Auch weil Sie selbstbewusst zu Ihren Kurven stehen. Ich weiß gar nicht, ob ich ein Role Model sein will. Ich möchte auch Fehler machen dürfen. Das Wichtigste ist für mich, authentisch zu bleiben und die Menschen mit meiner Musik zu berühren. Ich habe mir noch nie Gedanken darüber gemacht, ob ich die Bühne mit fünf Kilo mehr oder weniger rocke. Ich bin absolut fein mit meinem Aussehen und Gewicht. Deine Seele zeigt sich ohnehin nur in deinen Augen. Der Rest, der Körper, ist reine Hülle, die du schmückst mit Klamotten oder Ketten. Aber deine Persönlichkeit spiegelt sich in deinen Augen wider und wird durch dein Lächeln unterstützt.
Sie haben gesagt: Confidence – also Selbstvertrauen – is the sexiest thing. Wenn du nicht lernst, dich und deinen Körper zu lieben oder zumindest zu akzeptieren, wirst du immer unglücklich sein. Und dabei meine ich nicht das hochgestylte Ich, kurz bevor man ausgeht oder sich auf Insta zeigt, sondern, sich auch nackt vorm Spiegel zu mögen oder direkt nach dem Aufstehen mit all seinen Unzulänglichkeiten. Das ist sexy.
ICH BIN MIT MEINEM AUSSEHEN, MEINEM KÖRPER UND GEWICHT ABSOLUT FEIN NUR WENIGE MENSCHEN DÜRFEN MICH UMARMEN, DA BERÜHRUNGEN MIR OFT WEHTUN