Rebecca Reusch: Die Eltern sind immer noch sicher, dass ihre verschwundene Tochter lebt
REBECCA REUSCH Es ist zwei Jahre her, dass die Schülerin aus Berlin spurlos verschwand. Wie lebt ihre Familie mit dieser Tragödie? Ein exklusives BUNTE-Gespräch
Abend für Abend wiederholt sich in einem hellgelben Einfamilienhaus in Berlin-Rudow dasselbe Ritual: Bevor Brigitte Reusch, 54, einschläft, betet sie und sendet ihrer jüngsten Tochter Rebecca, 17, „Liebe, Kraft und Mut“, erzählt Brigitte Reusch BUNTE. „Mein Glaube hilft mir, die Hoffnung nicht zu verlieren und weiterhin stark zu bleiben.“Die herzliche, vom Naturell her eigentlich fröhliche Frau, kämpft immer wieder mit den Tränen. „Wir sind so eine Kuschelfamilie. Diese tiefe Liebe, die wir füreinander empfinden, schweißt uns fest zusammen und gibt uns Stärke. Wir dürfen uns nicht hängen lassen. Selbst wenn die Verzweiflung noch so groß ist. Lässt man das zu, wird man krank.“Pause. „Wir dürfen nicht krank werden. Wir wollen stark sein, wenn unsere Becci zurückkommt. Damit wir für sie da sein können. Dieser Gedanke ist unsere Motivation und treibt uns an, jeden Tag aufs Neue durchzuhalten.“
Wie hält eine Mutter den Schmerz um ihr vermisstes Kind aus? Wie geht Bernd Reusch, 57, ein stiller, liebevoller Vater und Opa, mit der Ungewissheit um? Was macht der Druck, der auf der Familie lastet, mit „Beccis“Schwestern Jessica, 28, und Vivien?
Fragen über Fragen, die sich seit dem 18. Februar 2019 viele Menschen stellen. Damals verschwand die Schülerin Rebecca Reusch, 15, spurlos, nachdem sie bei ihrer großen Schwester und Schwager Florian R., 28, übernachtet hatte. Der „Fall Rebecca“sorgt seitdem bundesweit immer wieder für Schlagzeilen. Polizei und Staatsanwaltschaft gingen von Anfang an davon aus, dass „Becci“nicht mehr am Leben ist. Die Ermittler halten Florian R. für den einzigen Tatverdächtigen, auch wenn es keine Beweise dafür gibt. Florian R., Koch in einem angesehenen Hotel, sagt, er sei unschuldig. Das glaubt auch Rebeccas Familie.
BUNTE begleitet Familie Reusch seit zwei Jahren auf ihrem schweren Weg. Als wir vor wenigen Tagen mit Brigitte Reusch telefonieren, sitzen ihr Mann und die mittlere Tochter Vivien, 25, mit am Tisch, im Hintergrund hört man Viviens Sohn plappern. Brigitte Reusch: „Unsere beiden Enkel geben uns Halt. Wir wollen ihnen eine möglichst normale Kindheit schenken. Becci hat immer unseren Weihnachtsbaum geschmückt. Dieses Mal durfte unser Enkel den goldenen Stern auf die Spitze setzen. Mein Mann und ich versuchen, unser Leid von den Kindern fernzuhalten. Doch auch die Kleinen wissen, dass ihre Tante Becci weg ist und wir sie suchen. Sie merken, wenn Omi und Opi traurig sind. Dann nehmen sie uns in den Arm und plötzlich lacht man wieder. Humor ist eine Art Selbstschutz, damit die Seele nicht krank wird.“
Vivien Reusch, die als Gesundheits- und Krankenpflegerin arbeitet, erzählt: „Meine Arbeit lenkt mich von den permanenten Gedanken um Becci ab. Auch mein Sohn hält mich auf Trab. Nachts träume ich ziemlich oft von Becci.“Was sind das für Träume? „Fast immer schöne. Ich träume, dass sie vor unserer Haustür steht, grinst und sagt: ‚Ich bin wieder da.‘ Ich frage: ‚Wo warst du denn bloß so lange?‘ Sagt sie: ‚Ist doch egal, ich bin jetzt hier.‘ Damit hat sie recht. Wir wollen sie einfach zurückhaben. Wir lieben Becci so sehr. Sie fehlt einfach in jeder Sekunde.“
Schon 2019 hatte Brigitte Reusch einen Brief an die Berliner Polizeipräsidentin geschrieben, erfährt BUNTE. Die Familie hofft darauf, dass die „Soko Rebecca“ausgewechselt wird, damit – in ihren Augen – „endlich ohne Vorurteile“ermittelt wird. Bernd Reusch: „Die Polizei legte sich von Tag eins auf unseren Schwiegersohn als Täter fest, ohne Beweise. Zeugen, die sich bei uns melden und berichten, sie hätten unsere Tochter nach dem 18. Februar gesehen, will die Polizei gar nicht hören. Auch nicht die Personen, die unseren Schwiegersohn entlasten. Stattdessen tauchen immer wieder unwahre Behauptungen in den Medien auf, die nur aus Polizeikreisen stammen können. So war es auch mit Florians Ehering, den er während der angeblichen Tat verloren haben soll. Dabei steckte der Ring am Tag seiner ersten Verhaftung in seiner Jacke, die an unserer Garderobe hing. Wir gaben sie der Polizei, und plötzlich soll der Ring verschwunden sein, behaupten die Ermittler.“
Die Reuschs hatten zuletzt im Mai 2020 direkten Kontakt mit den zuständigen Beamten. „Immerhin“, so Brigitte Reusch zu BUNTE, „wissen wir von unserem Anwalt, dass Rebeccas Akte bei der Polizei noch nicht geschlossen ist. Sie ermittelt weiter.“Die Familie verfolgt inzwischen auf eigene Kosten Spuren. Anfang Januar reisten die Eheleute Reusch ins europäische Ausland, ein Zeuge, der Hinweise auf Rebeccas Verbleib haben will, hatte sich gemeldet. Ein winziger Lichtblick.
„Wir geben die Hoffnung nicht auf. Auch wenn unsere Seelen Narben tragen und wir körperliche Schmerzen empfinden, weil Becci nicht bei uns ist“, sagt Brigitte Reusch. „Schlimm sind die bösen Kommentare bei Facebook und Instagram. Wir werden als Familie beschimpft, wir sollten uns endlich damit abfinden, dass Rebecca nie wieder auftauchen würde. Auch bekommen wir Bikinifotos und Pornofilme von Frauen geschickt, die Becci sein sollen. Das ist unmenschlich.“Khubaib-Ali Mohammed, der Berliner Anwalt der Familie, bereitet gerade rechtliche Schritte gegen diese Personen vor.
An den Tagen, an denen Brigitte Reusch innerlich komplett zusammenzubrechen droht, hat sie „Gott sei Dank“ihre Freundinnen. „Lauter tolle, starke Frauen, die immer für mich und meine Familie da sind.“Auch die Nachbarn geben den Reuschs Halt. Eine Therapie lehnen sie „bislang noch“ab. Die Ehe ist stabil und harmonisch, trotz allem. „Ganz schlimm ist es für uns immer an jedem 18. eines Monats. Mein Mann und ich haben angefangen, Spanisch zu lernen, um auf andere Gedanken zu kommen.“Vivien Reusch sagt: „Beccis Zimmertür steht immer offen. Mama bezieht auch ihr Bett regelmäßig. Damit alles schön ist, wenn sie wieder da ist.“Brigitte Reusch hat eine Botschaft „an den Menschen, der unsere Becci mit sich nahm: ‚Bitte gehen Sie in sich, seien Sie barmherzig und sagen Sie uns, wo Becci ist. Ich bin ihre Mutter und spüre, dass sie noch am Leben ist.“