Allergien: Was Ihnen wirklich hilft!
Wenn die ersten Pollen fliegen, beginnt für Heuschnupfen-Geplagte nicht selten ein monatelanges Leiden. In BUNTE geben Experten Antworten auf wichtige Fragen
KATE 39, Herzogin von Cambridge Wenn die Pollen fliegen, hat die Frau von Prinz William immer wieder hartnäckige Niesattacken. Am meisten machen ihr jedoch Pferdehaare zu schaffen, auf diese reagiert sie extrem allergisch
So sehr wir uns über die Sonne und die erwachende Natur freuen – nicht für jeden ist der Frühling eine unbeschwerte Zeit. Allein in Deutschland leiden nach Schätzungen 12,5 Millionen Menschen unter ausgeprägtem Heuschnupfen – einer Allergie auf die Pollen blühender Bäume, Sträucher, Blumen oder Gräser (allergische Rhinokonjunktivitis). „Heuschnupfen klingt harmlos, ist aber eine ernste chronische Erkrankung, die den ganzen Körper in Mitleidenschaft zieht. Patienten klagen über Fließschnupfen, gerötete, juckende Augen, Abgeschlagenheit, Konzentrations- und Schlafprobleme und sind anfälliger für Infekte der oberen und unteren Atemwege“, sagt Dr. Maud-Bettina Hilka, Allergologin in der Gemeinschaftspraxis HNO Wiesbaden. Eine akute allergische Reaktion auf Pollen führt zu einem Absinken der für den Sauerstofftransport zuständigen roten Blutkörperchen und einer Zunahme der Entzündungszellen. Bleibt die Allergie unbehandelt, drohen langwierige Folgebeschwerden: „Allergien können zu Asthma mit lang anhaltenden und schwerwiegenden Schäden in der Lunge führen. Zudem entwickeln viele Betroffene im Laufe der Jahre immer mehr Überemp
Die SYMPTOME treten oft spät auf
findlichkeiten, was den Alltag einschränkt und eine erfolgreiche Therapie erschwert“, erklärt Prof. Carsten SchmidtWeber, Leiter des Zentrums Allergie und Umwelt (ZAUM) der Technischen Universität und des Helmholtz Zentrums München. Weitere Antworten auf die fünf wichtigsten Fragen:
1. Wie entsteht Heuschnupfen?
Unter bestimmten Voraussetzungen führt der wiederholte Kontakt mit einem Allergen, in diesem Fall einem Bestandteil von Pollen, zu einer Sensibilisierung: Im Blut bildet sich der Antikörper Immunglobulin E (IgE). „Wenn die ersten Symptome auftreten, haben Pollenallergiker meist schon jahrelang erhöhte IgE-Blutwerte gegen das
Allergen“, sagt Prof. Erika Jensen-Jarolim, klinische Immunologin am Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung der Medizinischen Universität Wien. Warum das Immunsystem bei Allergikern harmlose Umweltstoffe bekämpft, ist noch unklar. „Vermutlich dienten IgE-Antikörper ursprünglich dazu, Parasiten zu beseitigen. Ist im Blut gar kein IgE vorhanden, kann das mit einem erhöhtem Krebsrisiko einhergehen“, so die Expertin. Für die Entstehung einer Allergie gibt es mehrere Schlüsselfaktoren: die erbliche Veranlagung für durchlässigere Haut und Schleimhäute,
Auch die PSYCHE spielt eine Rolle
Umwelteinflüsse sowie eine Verarmung der Darm- und Hautflora (durch einseitige Ernährung, übertriebene Hygiene oder häufige Antibiotika-Einnahme). Auch die Psyche ist beteiligt: „Wer sich in seiner Haut wohlfühlt und eine gute psychische Kontrolle hat, entwickelt weniger allergische Beschwerden“, so Dr. Hilka. Dieser Effekt sei insbesondere bei allergischem Asthma gut belegt.
2. Warum steigt die Zahl der Pollenallergiker?
Die Allergensensibilisierung bei Grundschulkindern hat im vergangenen Jahrzehnt von 20 auf 50 Prozent zugenommen. „Bei Pollenallergien haben wir klare Hinweise auf einen Anstieg, dasselbe gilt für Atemwegserkrankungen wie Asthma bronchiale“, so Schmidt-Weber. Als wichtige Gründe gelten neben unserem Lebensstil vor allem Umweltverschmutzung und Klimawandel. Ob durch Luftschadstoffe oder anhaltende Hitzeperioden: Vor allem in den Städten sind Büsche und Bäume konstant gestresst und produzieren verstärkt Pollen, um sich effizienter fortpflanzen zu können. Kranke Pflanzen geben zudem mehr abwehrende Proteine an die Luft ab, die besonders allergen sind. Höhere Durchschnittstemperaturen vergrößern das Problem: Beifuß und Ambrosia zum Beispiel können bis in den November hinein Pollen produzieren, bei Hasel und Erle beginnt die Blütezeit in milden Wintern bereits im Dezember. Wer auf mehrere Pollenarten reagiert, leidet unter Umständen ganzjährig. Als kritischste Pollen in unseren Breitengraden gelten die von Birke, Erle und Gräsern: Ihre Hauptallergene docken an Feinstaubpartikel an und gelangen so leichter in die tieferen Atemwege. „Ob das der Grund dafür ist, dass Städter verstärkt unter Allergien leiden, wissen wir jedoch nicht. Wahrscheinlicher ist, dass die Atemwege vorab von den Luftschadstoffen gereizt werden und die Pollenbelastung hinzukommt – oder andersherum“, erklärt der Immunologe.
3. Wie wird Heuschnupfen diagnostiziert?
Viele Betroffene wissen nicht, dass sie unter einer Allergie leiden, ignorieren die Symptome oder verwechseln sie mit einer Erkältung. „Wer immer zur gleichen Zeit im Jahr oder nach dem Aufenthalt in einer bestimmten Umgebung Beschwerden hat, sollte zum Allergologen gehen. Wir sehen Erstpatienten, die bereits den Übergang zum allergischen Asthma vollzogen haben, das dann irreversibel ist“, weiß Prof. Jensen-Jarolim. Die Diagnostik erfolgt
SCHLECHTE LUFT UND KLIMAWANDEL VERSTÄRKEN ALLERGIEN
Der CAP-TEST bringt Klarheit
mittels Haut- oder Bluttests. Beim „Pricktest“werden verschiedene allergenhaltige Lösungen auf den inneren Unterarm getropft, die Haut anschließend vorsichtig mit einer Stichlanzette angeritzt. Liegt eine Sensibilisierung vor, sollte sich an der entsprechenden Stelle nach 15 Minuten eine Quaddel zeigen. Durch eingenommene Antihistaminika und -depressiva kann es aber zu einem falsch negativen Ergebnis kommen. Das ist bei einer Blutanalyse nicht möglich: Im „Carrier-Polymer-System-Test“(CAP) lassen sich IgE-Antikörper gegen spezifische Allergene nachweisen. In den neuen „Mikround Makroarray-Tests“werden so bis zu 300 Allergenkomponenten und -extrakte gleichzeitig getestet. „Das verschafft einen guten Überblick, hilft, IgE-Mehrfachsensibilisierungen und Kreuzreaktionen zu erkennen und die Schwere einer zu erwartenden allergischen Reaktion einzuschätzen. Zudem können die Tests hilfreich bei Therapieentscheidungen sein“, so die Expertin.
4. Kann ich einer Pollenallergie vorbeugen?
Bislang gibt es keine Möglichkeit, eine Allergie zuverlässig zu verhindern. Sinnvoll ist eine ausgewogene Ernährung, weil Nährstoffdefizite mit Allergien in Verbindung gebracht werden. Wer seine Atemwege pflegt, beugt Komplikationen vor: Je länger und stärker jemand raucht, desto eher erkrankt er an Asthma, Kinder aus Raucherhaushalten haben ein generell erhöhtes Allergierisiko. 2013 erhielt die Münchner Kin
der-Allergologin Prof. Erika von Mutius den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ihre wegweisenden Arbeiten, die zeigten, dass auf Bauernhöfen aufwachsende Kinder ein deutlich verringertes Allergie- und Asthmarisiko haben. Der Schutzeffekt reichte bis zu 300 Meter um die Höfe herum – das Einatmen des Stallstaubs und das regelmäßige Trinken von Rohmilch schienen ausschlaggebend zu sein. Von Mutius und ihr Team hatten bei der Ursachenforschung vor allem Stallmikroben und deren Stoffwechselprodukte im Auge. Die „Hygienehypothese“– sie besagt, dass Kinder, die viel im Dreck spielen, ein besseres Immunsystem haben – konnte aber nicht allein verantwortlich sein, denn es waren vor allem ursprünglich bewirtschaftete Milchviehhöfe, die einen Allergieschutz boten.
In Wien begannen deshalb Prof. Jensen-Jarolim und Privatdozentin Franziska RothWalter zu untersuchen, welche Rolle Proteine der Kühe spielen. Durch Labor- und Tiermodellstudien fanden sie heraus, dass für den Effekt Beta-Lactoglobulin (BLG) entscheidend sein könnte: ein Molkenprotein, das über Kuhurin auch in den Stallstaub gelangt. „Voraussetzung für die Schutzwirkung gegen Allergien ist, dass BLG noch seine natürlichen Liganden in sich trägt – wie Pflanzenpigmente, Vitamine und Spurenelemente aus dem Biofutter. Man kann sich das Protein wie eine Tasche vorstellen, deren Inhalt in die entscheidenden Immunzellen eingeschleust wird“, erklärt Jensen-Jarolim. „Verliert es die Tasche oder
VITAMINE können schützen
werden die Liganden durch milchverarbeitende Prozesse entfernt, verhält sich BLG wie ein Allergen.“Weil Rohmilch wegen ihrer Keimbelastung problematisch ist, entwickelte das Forscherteam eine Lutschtablette, die mit Vitamin A, Zink und Eisen angereichertes BLG an die Immunzellen der Mundschleimhaut bringt. In ersten Studien konnte eine drei- bis sechsmonatige Anwendung allergische Symptome gegen Pollenallergene und Hausstaubmilben signifikant reduzieren. Derzeit wird an der Berliner Charité untersucht, wie lange der Effekt anhält.
5. Welche Therapien helfen?
Die meisten Betroffenen setzen auf Medikamente wie Antiallergika oder kortisonhaltige Nasensprays, die Beschwerden kurzfristig lindern. „Um einen Übergang auf die tieferen Atemwege zu verhindern, ist es wichtig, die Anwendung während der kritischen Pollenflugzeit nicht zu unterbrechen“, betont Dr. Hilka. Derzeit einzige ursächliche Behandlungsmöglichkeit einer Allergie ist die spezifische Immuntherapie (SIT). Dabei werden dem Organismus die kritischen Allergenextrakte via Injektionen, Tabletten oder Tropfen mindestens drei Jahre lang in regelmäßigen
Abständen – bei Spritzen in zunehmender Dosis – zugeführt, damit er sich nach und nach an sie gewöhnt. „Bei Pollenallergikern verbessern sich die Symptome so in rund 80 Prozent aller Fälle langfristig. Jährliche Blutuntersuchungen können zeigen, ob und in welchem Ausmaß die Therapie
anschlägt“, so die Fachärztin. Grundsätzlich sollte mit einer SIT bald nach der Diagnose begonnen werden, weil ihr Effekt besonders gut ist, wenn noch keine Mehrfachallergie eingetreten ist. Immunisierungspräparate zu entwickeln, die wie Impfungen gegen Infektionskrankheiten bereits nach einem einzigen Piks ihre volle Wirkung entfalten – dieser Forschertraum liegt nach Einschätzung der Experten leider noch in ferner Zukunft.
Bis dahin lautet die Devise: Heuschnupfen ernst nehmen und alle bereits vorhandenen Therapiemöglichkeiten nutzen – damit Frühlingsgefühle eine Chance haben.