Der EINFLUSS der HORMONE
Versorgung in Anbetracht des biologischen Geschlechts hinausgeht. Die Kardiologin Prof. Vera Regitz-Zagrosek ist Gründerin des Instituts für Geschlechterforschung in der Medizin an der Berliner Charité und war die erste Lehrstuhlinhaberin dieser Disziplin an deutschsprachigen Universitäten. Sie sagt: „Anders als viele denken, geht es nicht um Geschlechtsangleichungen. Gendermedizin will Frauen und Männer optimal behandeln, indem sie ihre Besonderheiten berücksichtigt, denn lange hat man ja in der Medizin so getan, als gäbe es keine Unterschiede, außer natürlich bei den Geschlechtsorganen selbst.“
Arzneimittel – Frauen schlucken, was an Männern getestet wurde
In ihrem Körperbau und den Abläufen im Organismus unterscheiden sich Frauen und Männer. Frauen sind meist kleiner, leichter und haben weniger Muskeln, ebenso einen völlig anderen Hormonhaushalt als Männer. All dies sollte man bei der Mengengabe von Medikamenten berücksichtigen. Was leider nicht immer der Fall ist. Ein Grund: Männer sind das Maß bei der Dosierung, weil sie den Großteil aller Studienteilnehmer bilden. Erst werden medikamentöse Therapien an männlichen Mäusen erforscht, später
überwiegend an männlichen Studienteilnehmern. Frauen sind zu komplex, Forscher befürchten, dass der weibliche Zyklus die Ergebnisse beeinflussen könnte. Prof. Vera RegitzZagrosek: „Das ist an sich schon sehr widersprüchlich, denn genau das sollte bei der Behandlung unter anderem auch berücksichtigt werden.“
Die DiplomBiologin und Ernährungsexpertin Prof. Michaela Döll setzt sich ebenfalls für einen differenzierten Blick auf die Medikamentierung ein, sie gibt zu bedenken:
„Dabei geht es nicht nur um die Höhe der Dosierung, sondern man muss beachten, dass Arzneimittel bei Frauen ganz anders wirken können als bei Männern. Das hängt auch damit zusammen, dass Frauen einen höheren Fettanteil, einen geringeren Wasseranteil und eine andere Muskulatur haben als Männer. Ein fettlösliches Medikament verteilt sich folglich ganz anders. Auch die Nebenwirkungen unterscheiden sich, da Frauen, was die Entgiftung betrifft, weniger gut aufgestellt sind als Männer.“Leber, Niere und Lunge arbeiten teilweise anders, ebenso der Verdauungstrakt. Ein Team von Gastroenterologen der Universität Göteborg fand heraus, dass eine Tablette für den Weg durch den Körper einer Frau – vom Mund durch Speiseröhre, Magen und Darm – doppelt so lange braucht wie durch den eines Mannes. Letztlich kann all dies bedeuten, dass die Frauen weniger optimal versorgt werden. Zudem sollte man bedenken, dass viele Frauen zusätzliche Hormone zu sich nehmen, sei es zur Verhütung, aus Kinderwunschgründen oder während der Wechseljahre. Das alles beeinflusst den Organismus: „Idealerweise würde man im Beipackzettel eines Arzneimittels auf all diese Kriterien hinweisen, außerdem das Körpergewicht berücksichtigen und dann empfehlen, welche Dosis die Frau und welche Menge ein Mann nehmen sollte.“
Weibliche Herzensangelegenheiten
So sehr der komplexere Hormonhaushalt die Wirksamkeit mancher Medikamente beeinflusst, so sehr schützt der natürliche Zyklus Frauen bis zu den Wechseljahren vor zahlreichen Krankheiten. Bestimmte Krebsarten, zum Beispiel Darmkrebs, treten beim weiblichen Geschlecht nicht selten erst zehn Jahre später auf. Auch von Herzinfarkten sind Frauen meist später betroffen. Während Männer ab 40 Jahren ein erhöhtes Risiko tragen, ist dies bei Frauen erst ab 50 Jahren festzustellen. Forscher vermuten, dass Östrogene
DAS HERZINFARKTRISIKO STEIGT BEI FRAUEN ERST AB 50 JAHREN