Die HÖHEN und TIEFEN meines Lebens
ULRIKE FOLKERTS Die „Tatort“-Kommissarin zieht mit 59 Jahren Bilanz. In BUNTE spricht sie über die Liebe, verpasste Chancen und gewonnene Freiheiten
Als toughe Kommissarin Lena Odenthal ermittelt Ulrike Folkerts, 59, seit 32 Jahren im „Tatort“– und lässt sich wenig gefallen. Privat sei sie anders, sagt sie: „Empfindlich, sensibel, fast schüchtern.“Eine neue Sicht auf sich, ihre Karriere und ihr Leben ermöglicht sie jetzt in ihrer Autobiografie „Ich muss raus“. BUNTE sprach mit Ulrike Folkerts über die Tiefpunkte und Highlights ihres Lebens, über Ängste und Alter, über Familie und Träume. Oder wie sie sagt: „Das Leben ist bunt und kompliziert, aber du wächst an deinen Aufgaben.“
Das COMING-OUT befreit
Als Ulrike Folkerts 25 Jahre ist, traut sie sich erstmals in Lesben-Bars. „Ich lernte andere Frauen kennen und merkte: Es gibt gar nicht so wenige von uns.“Schließlich vertraut sie sich ihrer Mutter an: Die reagiert erst entsetzt. „Für meine Mutter stand dann aber im Vordergrund, dass ihre Kinder, und in diesem Fall ich, glücklich sind.“Über Jahre behält Ulrike Folkerts ihr Geheimnis für sich. „Das Geheimnis um meine Beziehung begleitete mich fortan wie ein Schatten und es verstärkte das Gefühl der Einsamkeit und Fremdheit am Set.“1999 outet sie sich – ein wichtiger Schritt, wie sie BUNTE sagt: „Wenn man ein so tiefgreifendes Geheimnis schützen möchte, ist das emotional belastend. Nur aus dem Grund war das Outing für mich befreiend.“
Beleidigende oder enttäuschte Post von Fans habe sie nie bekommen. „Aber mir schrieben junge Frauen, die mich um Rat und Hilfe baten. Sie lebten nicht in einer Großstadt und wussten nicht, wie und ob sie ihren Eltern und Bekannten von ihrer Homosexualität erzählen sollten.“Bis heute sei es für Schauspieler ein Manko, homosexuell zu sein, „weil sie Angst haben, ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können. Sie würden nach einem Outing nicht mehr für Hetero-Rollen angefragt werden. Viele Menschen verstehen nicht, dass viele Schauspieler und Schauspielerinnen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, jede Rolle spielen können.“Sie selbst habe nie auf Rollen wegen ihrer Homosexualität verzichten müssen: „Meine Sexualität spielt für meinen Beruf keine Rolle.“
Ihre große LIEBE Katharina
Von Katharina Schnitzler, 58, ist die Schauspielerin von der ersten Minute an fasziniert. „Allein wie sie in den Raum kam, ihr Lächeln, ihr Schweben, ein Luftwesen“, erinnert sie sich an die Begegnung 2003. „Als Katharina ging, hätte ich beinahe vergessen, nach ihrer Telefonnummer zu fragen, so verzaubert war ich.“Zehn Jahre später lässt sich das Paar in Berlin verpartnern. „Aus Liebe“habe sie sich zu diesem Schritt entschieden, sagt Ulrike Folkerts zu BUNTE: „Es war nach zehn Jahren Beziehung der richtige Schritt für uns beide. Die Sonne schien an jenem Morgen im Dezember 2013, als der Wecker klingelte und wir fast zu spät zum Standesamt gekommen wären. Es war so ein schäbiger Raum, das Büro eines Standesbeamten eben, es sollte schnell gehen. Und dann war es doch auch sehr emotional, denn der Beamte hatte einen sehr berührenden Text für uns vorbereitet. Mir kamen die Tränen. Wir steckten uns unsere Ringe, die wir schon lange vorher in New York gekauft hatten, gegenseitig an die Finger, küssten uns.“Geändert habe die Hochzeit nichts. „Nein, es hatte sich nichts verändert. Wir hatten sehr viel Spaß. Der Tag war etwas Besonderes, weil er uns gehörte, ganz privat.“
Eine ABTREIBUNG als Zäsur
Mit 16 verliebt Ulrike Folkerts sich: „Meine erste ernsthafte Beziehung hatte ich mit 16, mit einem Musiker“, schreibt sie. Danach folgen Affären mit anderen Männern, „nie was wirklich Ernstes. Ich probierte mich aus.“Als sie 19 ist, wird sie schwanger. „Ich war verzweifelt, sah mein Schicksal besiegelt, all meine Träume dahinschwinden.“Und: „Wenn ich das Kind kriegen muss, nehme ich mir das Leben.“Sie entscheidet sich für eine Abtreibung, ihre Mutter unterstützt sie dabei – zeitgleich ist ihre ältere Schwester
schwanger. „Heute ist meine Nichte 39 Jahre alt, und manchmal, wenn ich sie sehe, denke ich: Mein Kind wäre nun auch so alt. Es ist eine schöne Vorstellung. Und doch habe ich den Schritt nie bereut.“
Ihr Leben, da ist sie sicher, wäre anders verlaufen: „Ich bin in ein Loch gefallen und habe noch einige Zeit sehr gelitten, auch unter Schuldgefühlen. Trotzdem war der Abbruch meine Rettung. Mein Leben wäre völlig anders verlaufen. Wer weiß, ob ich jemals Schauspielerin geworden wäre. Ob ich mir zugestanden hätte, lesbisch zu leben. Ob ich die Frau geworden wäre, die ich heute bin.“
AUF DEM STANDESAMT KAMEN MIR DIE TRÄNEN UND WIR KÜSSTEN UNS MIT EINEM
KIND WÄRE ICH NICHT DIE FRAU GEWORDEN, DIE ICH HEUTE BIN
Kein Spiel mit der WEIBLICHKEIT
„Ulrike wollte immer ein Junge sein“, erzählt ihre Mutter in der Biografie. Die Schau‑ spielerin selbst erinnert sich: „Ich hatte mich Kleidern von klein auf so vehement und radikal verweigert, dass meine Eltern es gar nicht mehr infrage stellten.“Am liebs‑ ten trage sie bis heute Hosen und Anzüge – und was ist mit Röcken? „Zwei, drei Kleider habe ich schon. Es existiert ein paillettenbesetztes Abendkleid in Schwarz und ein rotes, sehr schön geschnittenes Wollkleid.“
Feminin sei sie trotzdem, betont Ulrike Folkerts Im Gespräch mit BUNTE: „Ich bin immer eine Frau, ich spiele nicht mit Weiblichkeit.“Dass sie in der Öffentlichkeit eher als herber Typ bekannt sei, zeigte ihr ein Auftritt beim Filmpreis 2012 im Berliner Friedrichstadt‑Palast: In einem langen Abendkleid mit hochgesteckten Haaren und viel Make‑up habe sie keiner erkannt. „Jemand nannte mich Iris Berben, ich korrigierte ruppig“, schreibt sie in ihrem Buch. Zu BUNTE sagt sie, die Situation habe in ihr „Verwunderung und Amüsement“aus‑ gelöst: „Manchmal habe ich das Gefühl, meine Stimme verrät mich noch schneller als mein Äußeres.“
Keine Frage des ALTERS
Mitte Mai wird Ulrike Folkerts 60. Spürt sie das Alter, will BUNTE wissen: „Letztens beim Joggen habe ich mich gefragt, ob ich nicht mehr so kräftig bin oder nicht mehr so ehrgeizig, schneller, höher, weiter zu kommen.“Dafür fal‑ len ihr mehr positive Eigenschaften an sich auf: „Ich werde gelassener und das ist schön.“Eine Schönheits‑OP oder Botox kämen für sie nicht infrage, wie sie im Interview sagt: „Ein absolutes No-Tox! Einmal angefangen – nie wieder aufgehört. Ich möchte ich selbst bleiben.“
Doch natürlich gäbe es Ängste beim Gedanken ans Älterwerden: „Die vor Krankheiten, körperlichem Verfall und Einsamkeit.“Sie und Katharina haben ihr Tes‑ tament geschrieben und eine Patienten‑ verfügung hinterlegt, wie sie BUNTE sagt: „Aus rein pragmatischen Gründen habe ich mich damit auseinandergesetzt. Es ist so, wie einen aufgeräumten Schrank zu hinterlassen. Das beruhigt mich.“
Sichtbares Zeichen des Alters ist das Hörgerät, gegen das Ulrike Folkerts sich lange gewehrt habe: „Ich wollte es nicht wahrhaben, dass ich tatsächlich ein Schusstrauma in meinem linken Ohr habe“, er‑ zählt sie BUNTE über die Nachwehen eines „Tatort“‑Drehs 2012, bei dem Ohro‑ pax ihr Gehör nicht genügend schützten. „Sofort nach den Schüssen spürte ich, dass mit meinem linken Ohr etwas nicht stimmte. Es war total taub.“
Mit Träumen in die ZUKUNFT
Sie sei in einem neuen Lebensabschnitt, schreibt sie in ihrer Autobiografie. „Ich will nicht mehr müssen und ich muss auch nicht mehr. Die Prioritäten verschieben sich. Meine Beziehung und meine sozialen Kontakte bekommen einen anderen Stellenwert.“Vor allem sei sie mit sich im Rei‑ nen, sagt sie BUNTE: „Bei mir ankommen heißt für mich, ich bin mit meinem Handeln, meinem Leben größtenteils einverstanden. Ich freue mich auf weitere Herausforderungen.“
Ein paar Träume verrät sie BUNTE: „Auf der Chinesischen Mauer zu wandern, würde mich reizen. Die Kirschblüte in Japan zu erleben. Mit Delfinen bin ich schon geschwommen, das würde ich gern noch einmal erleben.“Ulrike Folkerts’ Lebens‑ fazit? Positiv: „Es lohnt sich meistens, über den eigenen Schatten zu springen.“
In 32 Jahren hat sie 74 „TATORTE“gedreht
EIN TESTAMENT IST WIE EIN AUFGERÄUMTER SCHRANK. ES BERUHIGT