KOMPLIMENTE? Senta Berger freut sich über sie
AUF IHR BUCH GAB ES 2006 KAUM REAKTIONEN – WARUM JETZT?
► fort darüber gesprochen, mit allen Leuten, die’s hören wollten. Und ich habe darüber geschrieben, vor 15 Jahren in meinem Buch.
Wie waren die Reaktionen auf die Enthüllungen in Ihrem Buch? Es hat sich niemand bei mir gemeldet. Es gab keine Solidaritätsbekundungen, es hat damals nichts ausgelöst, wobei ich das auch nicht erwartet hatte. Ich habe das geschrieben, weil das zu meinem Leben gehört, und nicht, um irgendeinen Mechanismus auszulösen.
Heute werden Ihre Erlebnisse als #metoo-Vorfälle diskutiert. Was hat sich da verändert?
Es hat sich eine Art übergreifendes Selbstbewusstsein von Frauen gebildet. Frauen sagen, sie lassen sich das nicht mehr gefallen, das finde ich gut. Die gesellschaftliche Position der Frauen hat sich geändert und dazu hat es sehr vieler Schritte bedurft, angefangen damit, dass Frauen ihr eigenes Geld verdienen konnten. Dass jetzt meine Geschichte von manchen mit einer Art geilem Voyeurismus aufgegriffen wird, finde ich schade. Das verdeckt die Inhalte.
Die legendäre Besetzungscouch gibt es nicht mehr, dass Produzenten erwarten, dass Schauspielerinnen ihnen gefügig sind? Dass ein Produzent das unter Umständen wie einen Bonus für sich in Anspruch nimmt, das gibt es ganz bestimmt nicht mehr. Frauen haben heute auch ganz andere Möglichkeiten. Ich habe damals schon gewusst, wenn ich nur deswegen, weil ich in dieses oder jenes Zimmer mitgehe, eine Rolle bekomme, dann pfeife ich auf die Rolle. Dann kriege ich eine andere. Das hat mich ausgezeichnet, dass ich so früh, ohne es zu wissen, eine große Kraft gehabt habe. Aber ich hab gewusst: Das ist nichts für mich, das macht mich unglücklich, da muss ich mich fernhalten.
Wir reden hier von Männern, die ihre Macht ausnutzen, von Machtmissbrauch. Wir reden von Menschen, die ihre Macht missbrauchen. Das sind sicherlich nicht nur Männer, aber immer noch sind die entscheidenden Positionen von Männern besetzt, deshalb entsteht dieses Bild. Bei Künstlern, also auch bei Schauspielern, wird die Abhängigkeit vielleicht offensichtlicher als in anderen Berufen. Man gerät in die Falle der Abhängigkeit, will Wohlverhalten ausstrahlen und in seinen künstlerischen Möglichkeiten erkannt und eingesetzt werden. Das ist sehr verständlich, wird aber auch als Schwäche erkannt. Am Theater, aber auch in den Filmproduktionen und Fernsehredaktionen funktioniert zum größten Teil immer noch eine Hierarchie, an deren Spitze ein Mann steht, der Entscheidungsträger. Ich denke aber, wir sind in einem gesellschaftlichen Umbruch. In der Generation meiner Söhne gibt es bereits spürbar ein Miteinander, von dem beide Geschlechter profitieren.
Was machen die gesellschaftlichen Veränderungen mit den Männern? Die Veränderungen werden die Sensibilität der Männer schärfen, hoffe ich. Ich glaube, dass ein Mann sehr schnell spüren kann: Ist mein Kompliment erwünscht? Ist mein Näherrücken erwünscht? Hab ich da was missverstanden oder funktioniert das zwischen uns beiden?
Ein Kompliment kann auch heute noch willkommen sein?
Bei mir schon. Ideal wäre es, wenn wir Frauen uns gemeinsam mit den Männern emanzipieren würden. Das würde es leichter machen, weil keiner mehr ein Rollenbild erfüllen müsste. Die Verantwortung würde auch geteilt werden, dass die Männer nicht unter so einem Druck stehen, den sie dann auf eine andere Art und Weise weitergeben. Eine Solidarisierung mit den Männern auf einer neuen und freiwilligen Basis, das wäre der Weisheit letzter Schluss. Dann müssen wir beide nicht mehr Theater spielen – nicht die Frau als Zauberwesen und nicht der Mann als starker, verantwortlicher Geld-nach-Hause-Bringer.
Würde die Welt eine bessere werden, wenn an der Spitze der Hierarchien nicht ein Mann stünde, sondern eine Frau? Nein, das glaube ich nicht, dass wir Frauen die besseren Menschen sind. Aber mit unserer durch Jahrtausende ausgebildeten Beobachtungsgabe, unserer Intuition und der Fähigkeit, Leben zu erhalten, werden wir dafür sorgen können, dass wir alle menschenfreundlicher und respektvoller miteinander umgehen. Und das wäre die ideale Welt.