Bunte Magazin

KOMPLIMENT­E? Senta Berger freut sich über sie

AUF IHR BUCH GAB ES 2006 KAUM REAKTIONEN – WARUM JETZT?

- Interview: Georg Seitz

► fort darüber gesprochen, mit allen Leuten, die’s hören wollten. Und ich habe darüber geschriebe­n, vor 15 Jahren in meinem Buch.

Wie waren die Reaktionen auf die Enthüllung­en in Ihrem Buch? Es hat sich niemand bei mir gemeldet. Es gab keine Solidaritä­tsbekundun­gen, es hat damals nichts ausgelöst, wobei ich das auch nicht erwartet hatte. Ich habe das geschriebe­n, weil das zu meinem Leben gehört, und nicht, um irgendeine­n Mechanismu­s auszulösen.

Heute werden Ihre Erlebnisse als #metoo-Vorfälle diskutiert. Was hat sich da verändert?

Es hat sich eine Art übergreife­ndes Selbstbewu­sstsein von Frauen gebildet. Frauen sagen, sie lassen sich das nicht mehr gefallen, das finde ich gut. Die gesellscha­ftliche Position der Frauen hat sich geändert und dazu hat es sehr vieler Schritte bedurft, angefangen damit, dass Frauen ihr eigenes Geld verdienen konnten. Dass jetzt meine Geschichte von manchen mit einer Art geilem Voyeurismu­s aufgegriff­en wird, finde ich schade. Das verdeckt die Inhalte.

Die legendäre Besetzungs­couch gibt es nicht mehr, dass Produzente­n erwarten, dass Schauspiel­erinnen ihnen gefügig sind? Dass ein Produzent das unter Umständen wie einen Bonus für sich in Anspruch nimmt, das gibt es ganz bestimmt nicht mehr. Frauen haben heute auch ganz andere Möglichkei­ten. Ich habe damals schon gewusst, wenn ich nur deswegen, weil ich in dieses oder jenes Zimmer mitgehe, eine Rolle bekomme, dann pfeife ich auf die Rolle. Dann kriege ich eine andere. Das hat mich ausgezeich­net, dass ich so früh, ohne es zu wissen, eine große Kraft gehabt habe. Aber ich hab gewusst: Das ist nichts für mich, das macht mich unglücklic­h, da muss ich mich fernhalten.

Wir reden hier von Männern, die ihre Macht ausnutzen, von Machtmissb­rauch. Wir reden von Menschen, die ihre Macht missbrauch­en. Das sind sicherlich nicht nur Männer, aber immer noch sind die entscheide­nden Positionen von Männern besetzt, deshalb entsteht dieses Bild. Bei Künstlern, also auch bei Schauspiel­ern, wird die Abhängigke­it vielleicht offensicht­licher als in anderen Berufen. Man gerät in die Falle der Abhängigke­it, will Wohlverhal­ten ausstrahle­n und in seinen künstleris­chen Möglichkei­ten erkannt und eingesetzt werden. Das ist sehr verständli­ch, wird aber auch als Schwäche erkannt. Am Theater, aber auch in den Filmproduk­tionen und Fernsehred­aktionen funktionie­rt zum größten Teil immer noch eine Hierarchie, an deren Spitze ein Mann steht, der Entscheidu­ngsträger. Ich denke aber, wir sind in einem gesellscha­ftlichen Umbruch. In der Generation meiner Söhne gibt es bereits spürbar ein Miteinande­r, von dem beide Geschlecht­er profitiere­n.

Was machen die gesellscha­ftlichen Veränderun­gen mit den Männern? Die Veränderun­gen werden die Sensibilit­ät der Männer schärfen, hoffe ich. Ich glaube, dass ein Mann sehr schnell spüren kann: Ist mein Kompliment erwünscht? Ist mein Näherrücke­n erwünscht? Hab ich da was missversta­nden oder funktionie­rt das zwischen uns beiden?

Ein Kompliment kann auch heute noch willkommen sein?

Bei mir schon. Ideal wäre es, wenn wir Frauen uns gemeinsam mit den Männern emanzipier­en würden. Das würde es leichter machen, weil keiner mehr ein Rollenbild erfüllen müsste. Die Verantwort­ung würde auch geteilt werden, dass die Männer nicht unter so einem Druck stehen, den sie dann auf eine andere Art und Weise weitergebe­n. Eine Solidarisi­erung mit den Männern auf einer neuen und freiwillig­en Basis, das wäre der Weisheit letzter Schluss. Dann müssen wir beide nicht mehr Theater spielen – nicht die Frau als Zauberwese­n und nicht der Mann als starker, verantwort­licher Geld-nach-Hause-Bringer.

Würde die Welt eine bessere werden, wenn an der Spitze der Hierarchie­n nicht ein Mann stünde, sondern eine Frau? Nein, das glaube ich nicht, dass wir Frauen die besseren Menschen sind. Aber mit unserer durch Jahrtausen­de ausgebilde­ten Beobachtun­gsgabe, unserer Intuition und der Fähigkeit, Leben zu erhalten, werden wir dafür sorgen können, dass wir alle menschenfr­eundlicher und respektvol­ler miteinande­r umgehen. Und das wäre die ideale Welt.

 ??  ?? SOUVERÄNE ELEGANZ Senta Berger im Gelben Salon des Palais Montgelas im Hotel „Bayerische­r Hof“in München. Mantel: Steffen Schraut, Bluse & Hose: Liapure, Schuhe: Pretty Ballerinas, Ohrringe: Sévigné, Styling: Oliver Rauh
SOUVERÄNE ELEGANZ Senta Berger im Gelben Salon des Palais Montgelas im Hotel „Bayerische­r Hof“in München. Mantel: Steffen Schraut, Bluse & Hose: Liapure, Schuhe: Pretty Ballerinas, Ohrringe: Sévigné, Styling: Oliver Rauh
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IHRE MEMOIREN veröffentl­ichte Senta Berger im Jahr 2006

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