Bunte Magazin

„Irgendwann habe ich MEINEN PERFEKTION­ISMUS fallen gelassen“

- Anja Reichelt

Diese schwere Zeit hat aber meinen Blick dafür geöffnet, dass Menschen anderswo auf der Welt ganz anders leben“, betont sie. Sie verurteilt den Glauben nicht. „Die Mormonen sind sehr fleißig und erfolgreic­h. Aber es ist eine christlich­e Religion mit strengen moralische­n Verboten, wie kein Sex vor der Ehe, kein Alkohol, kein Kaffee, keine Zigaretten. Ich lehne die Religion nicht prinzipiel­l ab, aber für mich habe ich sie abgelehnt. Ich brauche keinen strengen Glauben, um mich im Leben zurechtzuf­inden“, betont Simone Hanselmann.

Doch zum Glück gab es für sie einen Weg zurück in ihr altes Leben. „Mein Vater war in Deutschlan­d geblieben, und so konnte ich dann mit 13 wieder nach Hause.“Eine Entscheidu­ng, die nicht ohne heftige Diskussion­en mit ihrer Mutter ablief. „Ich habe damals gelernt, dafür einzustehe­n, das zu tun, was ich möchte im Leben, und meine eigenen Entscheidu­ngen zu treffen. Meine Schwester und meine Mutter habe ich dann erst mal ein paar Jahre nicht gesehen. Danach hatten wir Kontakt, aber natürlich nicht so eng, wie wenn man gemeinsam aufwächst.“

Doch die Schauspiel­erin macht ihrer Mutter keine Vorwürfe. „Ich denke, sie hatte gar nicht die Wahl, sich dagegen zu entscheide­n. Wenn man etwas wirklich glaubt, muss man das akzeptiere­n, dann kann man sich nicht aussuchen, welchen Teil davon man glaubt“, meint Simone Hanselmann. „Meine Mutter und ich haben akzeptiert, dass wir andere Glaubensgr­undsätze haben, aber wir sind trotzdem eine Familie geblieben und lieben uns.“

Ihre Mutter ist immer noch Mormonin, seit 22 Jahren wieder verheirate­t, mittlerwei­le US-Staatsbürg­erin. „Sie hat sich in Amerika ein neues, glückliche­s Leben aufgebaut. Meine Schwester ebenso, sie hat studiert, dort ihren Mann kennengele­rnt. Sie haben vier Söhne.“

Zurück in Deutschlan­d musste Simone Hanselmann mit 13 lernen, selbststän­dig zu sein. „Mein Vater war voll berufstäti­g, ich habe mir nach der Schule etwas zu essen gemacht, bin zu Freunden gegangen und abends trafen wir uns wieder. Ich bin aber ohne schlimmere Vorfälle durch die Pubertät gekommen, und wir haben bis heute ein sehr vertrauens­volles Verhältnis.“Ihr Vater unterstütz­te sie auch bei ihrem Weg in die Schauspiel­erei. „Ich brauchte sein Einverstän­dnis. Ich bin ja mit 16 als Model schon um die Welt gereist, mit 17 nach Berlin gezogen, für ,GZSZ‘ habe ich die Schule vor dem Abi abgebroche­n. Aber er hatte Vertrauen und sagte: ‚Ich habe dich dazu erzogen, dass du keinen Mist baust.‘“

Als sie mit 33 dann ihre Tochter bekam, war die Schauspiel­erin komplett überwältig­t. „Als frischgeba­ckene Mutter hatte ich erst einmal große Ängste. Dieses neue, zarte Leben, das komplett von mir abhängig war, hat mich überforder­t“, erklärt sie. „Ich fand es auch schwierig, weil damals jeder eine Meinung dazu hatte, wie Mütter sein sollen. Gerade in Berlin Prenzlauer Berg. Man soll arbeiten, aber auch nicht zu viel, sonst ist man eine Rabenmutte­r. Ich wollte alles richtig machen. Aber irgendwann habe ich meinen Perfektion­ismus fallen gelassen und meinen eigenen Weg gefunden.“

Die Beziehung zum Vater ihres Kindes zerbrach allerdings. Im Nachhinein überrascht sie das nicht. „Für die Partnersch­aft ist es schwierig, weil plötzlich ein dritter Mensch alle Aufmerksam­keit braucht. Ich denke, man sollte sich dessen bewusst sein, dass es eine herausford­ernde Zeit ist, sonst fragt man sich ständig, warum bin ich eigentlich nicht permanent glücklich und erfüllt, sondern permanent müde und überlastet?“, betont die 41-Jährige. „Kinder sind wunderschö­n, aber auch sehr anstrengen­d. Man muss selbstlos sein. Als junge Mutter fühlte ich mich oft mit meinen Problemen sehr allein“, sagt sie. „Es ist eine schwierige Zeit für eine Partnersch­aft. Am besten, man sagt zwei, drei Jahre Augen zu und durch, und dann kümmern wir uns wieder um uns. Aber ich bin da optimistis­ch, bei mir hat es zwar nicht funktionie­rt, aber in meinem Umfeld kriegen das viele Paare hin.“

Für die Zukunft wünscht sie sich mehr Rollen für Frauen jenseits der 40 im TV.

„Gerade die Geschichte­n beim ,Bergdoktor‘ handeln ja nicht von Menschen Anfang 20, und trotzdem ist es interessan­t, wie sie ihren Platz im Leben und in der Liebe suchen. Dieser Lebensabsc­hnitt ist gerade für Frauen eine sehr aufregende Zeit. Vielleicht sehen wir ja immer mehr darüber auch im Fernsehen.“

DAS WICHTIGSTE IST, DASS MEINE TOCHTER UND ICH GLÜCKLICH SIND

ALS JUNGE MUTTER FÜHLTE ICH MICH MIT MEINEN PROBLEMEN OFT ALLEIN

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GUTES TEAM Simone Hanselmann freut sich über jeden Schritt, den ihre siebenjähr­ige Tochter alleine geht
SZENE GUTES TEAM Simone Hanselmann freut sich über jeden Schritt, den ihre siebenjähr­ige Tochter alleine geht

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