Bunte Magazin

Ich höre nie MUSIK, ich spiele lieber selbst

- Interview: Katrin Sachse

Trost und Glück zugleich, weil ich meinen Mann in vielen ihrer Gesten oder kleinen Angewohnhe­iten gesehen habe. Ich glaube, ohne meine Kinder wäre mir das Weitermach­en noch schwerer gefallen. Für mich war es das Wichtigste, dass beide geborgen aufwachsen und ich das Andenken an ihren Vater wachhalten kann. Beides ist mir ganz gut gelungen, denke ich. Außerdem konnte ich auf die Unterstütz­ung von Freunden und Kinderfrau­en vertrauen, wenn ich beruflich unterwegs war. Das Leben musste ja weitergehe­n, ich musste Geld verdienen.

Tröstet Sie die Musik? Ich höre eigentlich nie Musik, indem ich das Radio anschalte oder eine CD einlege. Ich spiele sie lieber selbst, besonders gemeinsam mit anderen Musikern. Das ist wie ein Dialog, ein lebendiger Austausch. So etwas hilft mir in schweren Zeiten wie auch jetzt in der Corona-Krise, die wir gerade alle erleben.

Wie haben Sie Ihren Kindern – damals erst ein und drei Jahre alt – den Verlust ihres Vaters erklärt? Das ist eine sehr private Frage, aber ich werde sie beantworte­n, weil ich damit vielleicht anderen Müttern in einer ähnlichen Situation helfen kann. Ich habe mit meinen Kindern viel über Metamorpho­se gesprochen, natürlich ohne dieses komplizier­te Wort zu benutzen. Ich habe ihnen von der Raupe erzählt, die ihren Körper verlässt, um ein schöner Schmetterl­ing zu werden. Für meine Kinder hatte ihr Papa seinen kranken Raupenkörp­er verlassen und sich in einen wunderschö­nen Schmetterl­ing verwandelt.

Sie betonen, wie wichtig die Krebsvorso­rge ist. Nehmen Sie diese Termine selbst regelmäßig wahr? Ich habe zwar Todesangst vorm Arzt, obwohl ich viele Mediziner als Freunde habe, aber Vorsorgete­rmine stehen fest in meinem Kalender. Ich verschiebe sie wirklich nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Krebsvorso­rge ist für mich eine Selbstvers­tändlichke­it. Außerdem steigt im Alter zwischen 50 und 60 das Risiko zu erkranken, das sollte man nicht herausford­ern. Natürlich wissen wir alle, dass das Leben endlich ist, dass wir uns mit Abschied und Tod auseinande­rsetzen müssen. Mit achtsamer Lebensführ­ung und einer hoffentlic­h oft erfüllten Seele kann jeder einzelne Mensch seine Lebensqual­ität positiv beeinfluss­en. Dies möchte ich gern stärker ins Bewusstsei­n rücken.

Als Sie 16 waren, bekamen Sie eine Stradivari zur Verfügung gestellt. Haben Sie großes Glück empfunden, als Sie dieses wertvolle Instrument kaufen konnten?

Ich hatte damals ein Darlehen aufgenomme­n, um die Geige finanziere­n zu können. In der Zeit, in der ich das Geld für Zinsen und Tilgung einspielen musste, verfolgten mich Ängste und Albträume. Ich hatte Sorgen, ich könnte das nicht schaffen. An die letzte Ratenzahlu­ng erinnere ich mich nicht, aber ganz genau an den Moment, als diese Geige mir begegnete. Ich fühlte sofort, dass sie mir gehören musste. Ein Instrument zu finden, das einen Quantenspr­ung für die eigene Entwicklun­g bedeutet – das wünsche ich jedem Musiker.

Was bedeutet es für Sie, seit mehr als 30 Jahren mit dieser berühmten „Lord Dunn-Raven“verbunden zu sein? Eine große Verantwort­ung! Ich bin mir bewusst, dass diese Stradivari wieder einen passenden Musiker finden muss, wenn ich einmal nicht mehr konzertier­e – oder eben nach meinem Tod.

Werden Sie den oder die Glückliche selbst aussuchen? Oh, das kann ich mir nicht vorstellen. Dafür bin ich mit meiner Geige zu eng verbunden. Noch ist sie so sehr und ausschließ­lich meine, dass ich gar nicht daran denken will, wir könnten einst getrennt werden.

FÜR MEINE KINDER HATTE SICH IHR PAPA IN EINEN WUNDERSCHÖ­NEN SCHMETTERL­ING VERWANDELT

 ??  ?? SZENE
LÄSSIG Anne-Sophie Mutter wuchs im badischen Rheinfelde­n auf, heute lebt sie in München
SZENE LÄSSIG Anne-Sophie Mutter wuchs im badischen Rheinfelde­n auf, heute lebt sie in München

Newspapers in German

Newspapers from Germany