Ich versuchte, mit SEIFE meine HAUT hell zu waschen
STEFFI JONES Die frühere Weltklassefußballspielerin hat Rassismus am eigenen Leib erfahren. In BUNTE schildert sie ihr schwieriges Verhältnis zum Vater
Mein Vater war kein guter Mensch, sagt Stephanie Ann „Steffi“Jones, 48, im Dokumentarfilm „Schwarze Adler“, der seit 15. April bei Amazon Prime Video läuft (am 18. Juni im ZDF). BUNTE hatte die frühere Weltklassefußballspielerin nach ihrem Vater gefragt: „Als Kind wusste ich nur, dass er uns verließ, als ich vier war. Meine Mutter verlor nie ein schlechtes Wort über ihn, obwohl er sie schon während der Schwangerschaft betrogen und auch anderen Frauen schwer geschadet hatte“, antwortet sie. „Ich habe ihn nur einmal, als ich 19 war, in seiner Heimat Amerika wiedergesehen. Damals kam ich total enttäuscht zurück und erzählte meiner Mutter, diesen Menschen würde ich nicht brauchen in meinem Leben. Mama war für mich Vater und Mutter zusammen.“
Und doch verdankt sie ihrem Vater etwas, das sie von ihren Freunden in Kindergarten, Schule und ihrem ersten Fußballverein SV Bonames („ich fing mit vier Jahren an, Fußball zu spielen“) unterschied: ihre Hautfarbe. In der TV-Doku erzählen schwarze Spielerinnen und Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft ihre Geschichten im Hinblick auf Rassismus. Was bedeutet es, im vollen Stadion und vor Millionen von Fernsehzuschauern rassistisch angefeindet zu werden? Wie gehen Fußballfans, Medien und die Gesellschaft mit Rassismus um, in den 70er-Jahren bis heute?
Steffi Jones spielte bis 2007 in der Bundesliga und Nationalmannschaft, war Direktorin beim DFB und bis März 2018 Bundestrainerin, ihr Spitzname war „Kaiserin“, in Anlehnung an „Fußballkaiser“Franz Beckenbauer. Die Öffentlichkeit kennt die 1,80 Meter große Frau als Topsportlerin, die seit 2014 mit ihrer großen Liebe Nicole Jones, 51, verheiratet ist. Doch von ihren Tränen hinter den Kulissen der scheinbar heilen Fußballerinnenwelt wissen nur die wenigsten.
„Es gab Momente, damals war ich 20, in denen ich darüber nachdachte, mit dem Auto gegen einen Baum zu fahren“, sagt Steffi Jones zu BUNTE. „Das lag nicht nur an meiner Hautfarbe und dem Umgang einzelner mit mir, weil ich eine Schwarze bin. Aber auch. Nach außen waren unsere Nachbarn freundlich zu uns. Aber hinter unserem Rücken wurde meine Mutter als Negerhure beschimpft. Sie ermahnte uns Kinder stets, besonders lieb zu sein, damit wir nicht auffallen oder Ärger bekommen würden. Es kam auch vor, dass uns niemand eine Wohnung geben wollte. Auf dem Fußballplatz machten Fans Affenlaute, wenn ich am Ball war, oder riefen ‚Geh zurück, wo du herkommst!‘. Dabei bin ich in Deutschland geboren, rede Frankfurter Dialekt, habe die deutsche und die US-Staatsbürgerschaft. Ich war stolz darauf, für Deutschland zu spielen.“
Steffis Vater starb 2012, er war Soldat bei der US-Army, stationiert bei Frankfurt, als er Steffis Mutter
Liselotte traf. Erst Jahre später, als Steffi schon erwachsen ist, öffnet sich ihre Mutter und erzählt der Tochter ihre eigene, schwere Lebensgeschichte. Für Steffi und die beiden Brüder ein Schock. „Mama wurde als Mädchen von zwei Männern aus der Verwandtschaft missbraucht. Sie meinte, sie habe sich wohl deshalb stets in schwarze Männer verliebt, damit sie nicht mehr an die alten, weißen Männer denken muss, die ihr das antaten.“Steffi lächelt. „Ob meine Großeltern begeistert waren, schwarze Enkelkinder zu haben, weiß ich nicht. Sie haben uns das auf jeden Fall nie spüren lassen. Sie haben uns voller Liebe und Respekt behandelt. Vor allem meine Oma.“
Im Kindergarten wurde sie erstmals wegen ihrer Hautfarbe gehänselt. „Ich kam heim und fragte meine Mutter, ob ich auch so schön hell werden würde wie sie, wenn ich mich ganz doll mit Seife wasche“, erinnert sich Steffi. „Meine Mutter fand damals stets die richtigen Worte. Sie meinte, andere Menschen würden viel Geld für die Sonnenbank ausgeben, um einen so schönen Teint zu bekommen. Auch meine Haare seien besonders, andere Frauen würden sich Dauerwellen machen lassen. Es war trotzdem schwer für mich, zu verstehen, weshalb die Kinder behaupteten, ich sei anders als sie.“
Erst durchs Fußballspielen, zunächst in Jungenmannschaften, später mit Mädchen, habe sie „einen Anker“gefunden. „Meine Mitspieler akzeptierten mich aufgrund meiner Leistung. Der Fußball gab mir Selbstvertrauen. Natürlich gab es Situationen, die mich verletzten. Auch noch als 30-Jährige, als ich schon für den DFB arbeitete. Einmal sagte jemand zu einer Frau, die mir die Hand gab: ‚Jetzt kannst du sagen, du hast einer Negerin die Hand geschüttelt.‘ Da fiel ich fast vom Glauben ab.“Es komme heute noch vor, „dass Menschen die Straßenseite wechseln, wenn sie mich sehen. Deshalb fürchte ich, dass das Thema Rassismus niemals wirklich aufhören wird. In Deutschland, aber leider auch auf der ganzen Welt“.
Als ihr Vater in den USA erfahren habe, dass Steffi eine Frau liebt, habe er ihr über einen Bekannten der Familie ausrichten lassen, „ich sei krank. Ich solle nach Amerika kommen und er würde mich heilen lassen“. Steffi Jones schüttelt den Kopf. „Meine Mutter hat mir von klein auf beigebracht, anderen Menschen mit Respekt zu begegnen und auch nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Daran halte ich mich.“
ES GAB MOMENTE, IN DENEN ICH GEGEN EINEN BAUM FAHREN WOLLTE