Nora Tschirner
ließ sich wegen Depressionen behandeln
Schauspielerinnen müssen immer strahlen. Vor allem, wenn sie erfolgreiche Filme mit Star-Regisseuren wie Til Schweiger & Co. drehen, dachte Nora Tschirner, 39, viele Jahre lang. Auch, wenn es in ihr oft ganz anders aussah. „Meine erste depressive Episode hatte ich schon mit 18, aber vor zehn Jahren kam der Tiefpunkt. Da ging es mir so schlecht, dass ich auf einer Website einer Depressionsklinik eine Prüfliste durchgegangen bin. Da stand, wenn Sie bei den folgenden 20 Fragen drei mit Ja beantworten, wäre es ganz gut, wenn Sie zeitnah vorbei
kommen. Bei mir waren es 19“, schildert sie ihren Leidensweg im „SZ-Magazin“.
„Ich hab ohne ersichtlichen Grund in der Maske geweint und konnte nicht aufhören. Konnte nachts nicht schlafen, nur Geratter im Kopf. Ich konnte mich nicht mehr freuen und mir nicht einmal mehr vorstellen, wie es wäre, mich über etwas zu freuen“, erinnert sie sich an die schreckliche Zeit. „Das ist das Schlimme an der Depression: Irgendwann tut sie so, als wäre man selbst die Depression. Und das Ich wäre verschwunden.“Dazu kam die Scham vor der Außenwelt. „Als privilegierte Person – Schauspielerin, Dach über dem Kopf, zwei gesunde Arme, zwei gesunde Beine – hatte ich das Gefühl, meine Probleme gar nicht haben zu dürfen.“
Ohne Medikamente wäre sie aus dieser Depression nicht herausgekommen, ist die alleinerziehende Mutter eines siebenjährigen Kindes überzeugt. Eine Therapie war ihre Rettung. „Zwei Wochen lang stationär in der Klinik, aber ich habe ein Jahr lang Psychopharmaka genommen. Mich hat das total stabilisiert. Das Serotonin konnte bei mir nicht mehr lange genug in den Synapsenspalten verharren. Es lief zu schnell durch, ich hatte kein Glücksempfinden mehr“, erklärt Tschirner. „Die Medikamente waren wie Gehhilfen, sie haben diese Prozesse verbessert, bis mein Körper das wieder selber konnte.“
Sie musste ihre Krankheit aber verheimlichen, um weiter Jobs als Schauspielerin zu bekommen. Jede Filmproduktion sichert sich gegen den Ausfall ihrer Darsteller ab. „Ganz klar: Ich war Versicherungsbetrüger. Ich habe in diesen Fragebogen kategorisch gelogen, weil ich sonst keinen Job mehr bekommen hätte. Es gab nie Ausfälle wegen mir. Es wurde sehr viel Geld mit mir verdient. Ich habe auch viel Geld verdient. Aber wahre Angaben hatte ich nie gemacht“, gibt sie heute zu.
Betroffenen rät sie, sich schnell Hilfe zu holen. „Eine der größten Bedrohungen der Depression ist diese ständige innere Isolation“, betont sie. Nora Tschirner schuf sich ein Umfeld der Unterstützung und des Ausgleichs zur Schauspielbranche. Sie lebt mit ihrem Kind in einer WG in Berlin und hat vier Pferde.
ICH HATTE DAS GEFÜHL, MEINE PROBLEME GAR NICHT HABEN ZU DÜRFEN ICH HABE VIEL GELD VERDIENT. ABER WAHRE ANGABEN HABE ICH NIE GEMACHT