Nicolas Puschmann:
Erobert bei „Let’s Dance“die Herzen der Zuschauer. Der „Prince Charming“redet hier über sein Outing und Händchenhalten in der Öffentlichkeit
Der „Let’s Dance“Star über sein Coming-out
In der Liebe ist bei Nicolas Puschmann, 30, alles wieder im Lot. Der Hamburger ist nach kurzer Pause glücklich mit Lars Tönsfeuerborn, 30, dem er in der TVDatingshow „Prince Charming“die letzte Rose gegeben hatte. Doch momentan verbringt Tänzer Vadim Garbuzov, 33, mehr Zeit mit ihm – sein Partner bei „Let’s Dance“.
Wie fühlt es sich für Sie an, mit einem Mann zu tanzen? Wundervoll! Es ist einfach stinknormal und ich frage mich, warum ich einen Discofox nicht schon früher mit einem Mann ausprobiert habe. Wahrscheinlich, weil alle anderen blöd geschaut hätten. Meine Füße schmerzen allerdings, als würde ich nur High Heels tragen. Ich kann die Frauen jetzt echt verstehen.
War von Anfang an klar, dass Sie als „Prince Charming“mit einem Mann tanzen werden?
Nein, ursprünglich hatte ich mir eine Frau gewünscht. Ich habe mich dann aber mit Equality-Dance auseinandergesetzt und einen Blick in andere Länder wie Österreich, Dänemark und Italien geworfen, wo das längst gemacht wird. Ich fand trotzdem zunächst diese Nähe zwischen zwei Männern in einer Show als wahnsinnig intim und irritierend. Man lässt doch sonst nur seinen Partner so nah an sich heran. Damit hatte ich anfangs sehr zu kämpfen. Auf der anderen Seite war mein Ziel bei „Prince Charming“, die Zuschauer an einen Männer-Kuss zu gewöhnen, und das ist jetzt der nächste Schritt. Ich möchte die Sichtbarkeit von schwulen Männern in der Gesellschaft verstärken. Die Menschen sollen sich daran gewöhnen, dass sich auch zwei Männer nahekommen können, in der Öffentlichkeit Händchen halten oder sich küssen dürfen und das nicht mehr als störend oder seltsam empfunden wird.
Zeigen Sie Ihre Liebe offen in der Öffentlichkeit? Ich bin nicht der Typ, der mit seinem Partner ständig Hand in Hand rumlaufen muss. Aber wenn ich das möchte, mache ich es auch. Oder ich küsse ihn. Tatsächlich ist es ein Vorteil, dass Lars und ich bekannt sind. Die Menschen sehen uns und wissen: „Ach, das ist das ,männliche Pärchen‘ aus dem Fernsehen.“Es ist eine Selbstverständlichkeit und das erhoffe ich mir für das breite Spektrum. Ich glaube, dass es immer normaler wird, je mehr queere Menschen sich öffentlich zu ihren Gefühlen bekennen. Deswegen ist diese Show so wichtig: Denn das Ziel ist ganz klar, dass man über ein Coming-out nicht mehr reden muss, dass es keine Sensation ist.
Ist ein Coming-out denn aus Ihrer Sicht noch ein großes, gesellschaftliches Thema? Ja, leider. Ich kenne einige Menschen, die sich nicht zu ihrer Homosexualität bekennen aus Angst, ihren Job zu verlieren, in eine Schublade gesteckt zu werden oder nicht mehr für die Projekte zur Verfügung zu stehen, die sie gerne machen wollen. Das halte ich für dramatisch, denn es geht ja um die eigene Lebenszeit. Ich bin mit Jochen Schropp befreundet und er sagte mir erst neulich, dass er seit seinem Coming-out viel freier lebt.
Trotzdem scheuen einige bekannte Schauspieler diesen Schritt. Ich finde das extrem schade, dass sich heutzutage noch Menschen aus Angst davor abhalten lassen, ihr wahres Selbst zu leben. Vielleicht gibt es auch Bedenken, dass sich die Fan-Base abwendet, aber da traut man den Fans zu wenig zu. Man wirkt sympathischer, wenn man sich zu sich selbst bekennt, anstatt ständig Bedenken zu haben, dass etwas schwul wirken könnte.
Wann genau haben Sie sich eigentlich geoutet?
Schon mit 15. Ich wusste sogar schon mit zwölf, dass ich auf Männer stehe, habe das auch einer Schulfreundin erzählt, die meinte, das sei nur eine Phase. Ich hielt das gleich für Quatsch. In der Pubertät hatte ich dann eine ausgeprägte rebellische Ader und keine Lust mehr zu erzählen, dass ich keine Zeit für eine Freundin habe. Das war mir schlicht zu blöd. Ich wollte keine Lüge mehr leben, sondern mein wahres Selbst ausleben. Wie haben Ihre Eltern reagiert? Meine Mutter war anfangs enttäuscht von der Art, wie ich es ihr gesagt habe, aber danach hat sie mich sehr unterstützt. Mein Vater hatte mehr damit zu kämpfen, er konnte mich lange nicht verstehen und wir mussten viele Gespräche führen, bis er sich mit dem Gedanken anfreunden konnte, dass sein Sohn schwul ist. Heute haben wir eine sehr entspannte Beziehung, aber das hat gedauert. Ich war mit 15 sehr forsch in meinem jugendlichen Denken und hatte mir kaum Gedanken über die Konsequenzen meines Outings gemacht. Dadurch bin ich in der Schule direkt ins offene Messer gelaufen, wo ich eh schon mit Mobbing-Attacken zu kämpfen hatte.
Haben Sie mal überlegt, heute in Schulen darüber zu reden? Ich war im Herbst in Bensheim an einer Schule, habe dort an einer Diversity-Convention teilgenommen. Ich war beeindruckt von dem Interesse und der Offenheit der Schülerschaft, wurde im Rahmen der Podiumsdiskussion aber auch gleichzeitig mit Vorurteilen und der Haltung, dass „eine Klassenfahrt voll schwul ist“, konfrontiert. Auf diese Negativbehaftung des Wortes und dessen diskriminierende Wirkung wird ja zum Glück jetzt im Duden hingewiesen. Schwul wird oft verglichen mit weich oder schwach und welcher Heranwachsende will mit diesem Attribut versehen werden? Mir ist es wichtig, die Jugendlichen da zu sensibilisieren, Aufmerksamkeit und Normalität zu schaffen. Ich bin kein Aktivist. Mir geht es eher darum, mit Feingefühl einen gangbaren Weg für alle zu finden.
ICH FINDE ES DRAMATISCH, DASS IMMER NOCH SO VIELE STARS MIT EINER LÜGE LEBEN