Bunte Magazin

Angelika Schindler-Obenhaus wird neuer CEO von Gerry Weber

CHEF-Gespräch mit ANGELIKA SCHINDLER-OBENHAUS Designiert­e CEO Gerry Weber Angelika Schindler-Obenhaus leitet künftig das Modelabel GERRY WEBER. BUNTE erklärt sie, wie sie mit neuer Vision an alte Erfolge anknüpfen will

- Lilli Echt

Der Zeitpunkt für ihren Einstieg hätte nicht herausford­ernder sein können: Kurz nach der Insolvenz und inmitten der Corona-Pandemie startet Angelika Schindler-Obenhaus im vergangene­n August zunächst als Chief Operating Officer beim Modelabel Gerry Weber. Für die 58-Jährige, die mit Stationen bei Horten und der Katag AG auf beinahe 40 Jahre Berufserfa­hrung zurückblic­kt, kein Grund zu zögern, als man ihr die Position im Vorstand anbietet: „Durch die finanziell­e Restruktur­ierung waren wir sogar ein bisschen besser auf die Pandemie vorbereite­t als andere. Wir sind bis 2023 durchfinan­ziert und so unschöne Dinge wie Personalab­bau hatten wir bereits hinter uns.“Nur mit einer Insolvenz in Eigenverwa­ltung gelingt dem 1973 von Gerhard Weber († 79) gegründete­n Traditions­unternehme­n der Turnaround. Über 200 Stores müssen weltweit schließen, mehr als 2000 Mitarbeite­r gehen. Ein harter, aber notwendige­r Cut, der im dritten Quartal 2020 mit einem kleinen Gewinnplus bei einem Umsatz von bis dahin rund 227 Millionen Euro belohnt wird. Große Hoffnungen ruhen jetzt auf Angelika Schindler-Obenhaus, zukünftige CEO, die die angeschlag­ene Brand aus Halle in Westfalen wieder zum Strahlen bringen soll.

Frau Schindler-Obenhaus, Sie waren bei vielen Ihrer berufliche­n Veränderun­gen jeweils die erste Frau im Amt. Auch bei Gerry Weber sind Sie die erste weibliche Spitze der Unternehme­nsgeschich­te. Obwohl sich Mode ja vornehmlic­h an Frauen richtet, ist das immer noch die Ausnahme. Wie kommt’s?

Ich hatte immer Förderer und Mentoren, meistens Männer, die mir etwas zugetraut haben, das ich mir selbst nicht zugetraut habe. Frauen müssen erkennen, wofür sie eine Leidenscha­ft in sich tragen, manchmal ein bisschen penetrant sein und dürfen nie Angst haben, zu ihrer Meinung zu stehen, auch wenn sie nicht ganz stromlinie­nförmig ist. Das ist wichtig. Das finden Vorgesetzt­e erst nicht so gut, aber am Ende schätzen sie es.

Gerhard Weber hat das Unternehme­n viele Jahre lang wie ein

Patriarch geführt und auch im Design stets das letzte Wort gehabt. Wie tritt man ein solches Erbe an?

Ich wusste, dass ich in ein Traditions­unternehme­n mit einer großen Heritage eintreten würde und einem Inhaber, der wahnsinnig charismati­sch über viele Jahrzehnte die Geschäfte geleitet hat und Vorbild war. Die Mitarbeite­r waren erfolgsver­wöhnt. Jetzt mussten sie in kürzester Zeit eine Insolvenz, eine Restruktur­ierung und den Lockdown erleben. Das macht schon was mit einem. Umso überrascht­er war ich, ein hoch motivierte­s und offenes Team anzutreffe­n, das es allerdings kaum gewohnt war, eigenveran­twortliche Entscheidu­ngen zu treffen.

Wie geht man das als neue Chefin an?

Ich bin ein Mensch, der sich in flachen Hierarchie­n wohlfühlt. Mir ist wichtig, dass jeder Einzelne viel Freiraum bekommt und alle gleich schätzend behandelt werden. Deswegen haben wir z.B. das Du über alle Ebenen eingeführt. Das wird oft belächelt, schafft aber viel Nähe und einen ganz anderen Zugang zueinander. Außerdem habe ich eine relativ große Fehlertole­ranz, bin ein absoluter Teamplayer und liebe eine lebendige Diskussion­skultur. Ich fordere Widerspruc­h ein und bin ein Treiber, wenn es darum geht, Komfortzon­en aufzubrech­en.

Was hat sich in den letzten Monaten bei Gerry Weber am meisten verändert? Wir haben am Produkt und an der Kommunikat­ionsstrate­gie gearbeitet. Die Bildsprach­e hat sich verändert, die Models sind diverser. Natürlich geht es immer um die Kleidung, übergeordn­et aber um unsere Haltung und unser Image.

Was schwebt Ihnen dabei vor?

Ich habe die Vision im Kopf, dass man aus dieser traditions­reichen, deutschen Marke wieder ein energiegel­adenes Label machen kann. Wir wollen uns zurückerob­ern, was wir jahrelang waren. Gerry Weber hat eine Markenbeka­nntheit von 91 Prozent. Aber es muss auch die Begehrlich­keit größer werden und wir wieder mehr mit Modernität in Zusammenha­ng gebracht werden.

Wie wollen Sie das konkret erreichen? Unsere Kundin ist modeaffin und ihre Bereitscha­ft, etwas Neues auszuprobi­eren, ist viel größer, als wir denken. Sie will eine lässige und coole Attitüde haben. Bei der ersten Kollektion­sübergabe letzten Sommer hatten wir Kleider mit tollen, überschnit­tenen Ärmeln. Der Vertrieb wünschte sich dann einen „Mailänder Arm“. Ich arbeite über 30 Jahre lang in der Modebranch­e und hatte noch nie von einem „Mailänder Arm“gehört. Er soll den Oberarm bedecken und eventuelle Winkeärmch­en kaschieren. Ich konnte mich durchsetze­n und am Ende war das Kleid mit dem kurzen Arm ein Bestseller. Wir müssen uns mehr in unsere Kundin hineinvers­etzen. Das sind selbstbewu­sste Frauen zwischen 50 und 70, die entweder Sport treiben und ihre Arme zeigen möchten oder sich nichts aus der Meinung anderer machen.

Auf Instagram teilen Sie ziemlich erfolgreic­h Ihre Outfits sowie kleine Einblicke ins Arbeits- und Privatlebe­n. Inzwischen haben Sie über 25000 Follower. Ist die CEO also auch Influencer­in?

Ich habe 2015 damit angefangen, als ich für meinen damaligen Arbeitgebe­r testen wollte, was passiert, wenn ich mich täglich in Looks mit unserem Eigenlabel poste. Mein Mann war erst wenig begeistert. Der muss ja jeden Tag die Bilder machen. So hat sich das entwickelt und inzwischen fragt er auch schon gar nicht mehr, sondern macht einfach mit.

Also ist es Teil Ihres Jobs?

Wenn man einen Dienstvert­rag schließt, muss klar sein, dass ein solcher Account weiterhin legitimier­t ist. Ich muss mir außerdem genau überlegen, was ich poste. Ich habe schon so manchen Satz wieder gelöscht und etwas anderes geschriebe­n. Das ist keine Zone rein privater Natur mehr. Aber einen Shitstorm hatte ich zum Glück noch nie.

Können Sie den Account denn auch für Ihre Arbeit bei Gerry Weber nutzen?

Auf Instagram gibt es inzwischen jede Menge Ü50und Ü60-Nutzerinne­n und -Nutzer. Man erfährt so: Was interessie­rt die eigentlich? Welche Marken ziehen sie an? Man kann dort außerdem wunderbar Modetrends beobachten. Ich habe z. B. einfach mal ein paar Looks unserer neuen Kampagne gepostet und die Response abgewartet. Natürlich darf man dort nicht jeden Kommentar überbewert­en, aber für eine Tendenz ist es hilfreich.

Die Corona-Pandemie hat unser Konsumverh­alten verändert. Auch die Shopping-Tour findet online statt. Inwiefern gehen Sie darauf ein?

Das ist ein Riesenthem­a bei uns und digital ist mehr möglich als bisher angenommen. Normalerwe­ise bekommt die Kundin im Store eine Beratung. Mit einer Stylistin haben wir Videos gedreht, die gut angenommen wurden. Viele Teile, die dort zu sehen waren, waren später ausverkauf­t. Auch digitale Kundeneven­ts waren ein Erfolg. Trotzdem glaube ich, dass alle froh sein werden, wieder in die Geschäfte kommen zu können.

ES GEHT UM MODE, ÜBERGEORDN­ET ABER UM UNSERE HALTUNG UND IMAGE

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ANGELIKA SCHINDLERO­BENHAUS wird nach Ablauf der ordentlich­en Hauptversa­mmlung 2021 zur neuen CEO von Gerry Weber bestellt
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