Meinen Neffen muss ich inzwischen ERKLÄREN, was FERNSEHEN ist
CHRISTINE STROBL Die neue ARD-Programmdirektorin ist eine der mächtigsten Frauen der deutschen Fernsehlandschaft und nebenbei auch noch glücklich verheiratet
Klare Worte, teamorientiert, mit einem guten Sinn für Humor. Christine Strobl, 49, ist bekannt für ihren unaufgeregt-erfolgreichen Führungsstil. Neun Jahre war sie Chefin der Degeto Film GmbH, eine Dienstleistungsgesellschaft der ARD (400 Mio. Euro Etat, 75 Mitarbeiter) und verantwortete die Planung, Auswahl und Entwicklung fiktionaler Filme und Serien (u.a. „Babylon Berlin“). Seit 1. Mai ist die Juristin neue Programmdirektorin der ARD und eine der mächtigsten Frauen der deutschen Fernsehbranche. Als sie sich ihrem Team vorstellte, sagte sie: „Ich heiße Christine, arbeite seit 1998 im System der ARD. Ich wohne in Heilbronn, habe einen Mann, der zu Hause nicht stört, keine Kinder, aber zwei kleine Nichten und zwei Neffen.“Das riesige Büro ihres Vorgängers Volker Herres, 63, im Gebäude des Bayerischen Rundfunks (BR) in München ließ sie zum Großraumbüro für sich, ihren Büroleiter Philipp Kosak und ihre Stellvertreter Florian Hager und Oliver Köhr umgestalten. Wände wurden eingerissen, der Teppichboden durch Holzdielen ersetzt, mit ihrer Sekretärin duzt sie sich. „Wir spüren ja alle, dass diese Corona-Zeit unsere Arbeitswelt verändert hat. Ich halte es für sehr wichtig, dass man die Zeit, die man im Büro und nicht im Homeoffice verbringt, nutzt, um nicht räumlich getrennt zu sitzen, sondern zusammen. Meine feste Überzeugung ist: Wenn fünf Personen ihre Ideen zusammenwerfen, kommt auch etwas Besseres dabei raus“, sagt Christine Strobl im BUNTE-Gespräch. „Und ehrlich gesagt, macht es auch mehr Spaß.“
Sie verdienen Ihr Geld mit Fernsehschauen. Wie erklären Sie Ihren Nichten und Neffen, was Sie beruflich machen?
Die Mädchen sind noch zu klein. Die Jungs sind im Teenageralter. Das ist inzwischen eine ganz andere Generation. Denen muss man erklären, was Fernsehen überhaupt ist. Sie spielen und sie streamen, das Programm der ARD kennen sie häufig nur durch mich und natürlich den Sport. Wenn sie sich mal eine unserer Serien oder Filme ansehen, dann bedienen sie sich in der ARDMediathek. Herkömmliches Fernsehen haben junge Leute oft gar nicht mehr auf dem Schirm. Daran kann man klar erkennen, dass wir Handlungsbedarf haben. Generell haben wir bei den unter Fünfzigjährigen ein Problem. Nicht wegen unseres Angebots, sondern weil Menschen heute immer seltener im Fernseher fernsehschauen. Deshalb wollen wir für die Zukunft ein echtes, eigenständiges Mediathekangebot aufbauen, mit hochwertigen Inhalten für junge wie ältere Menschen.
Läuft bei Ihnen rund um die Uhr der Fernseher? Das mache ich manchmal, aber ich höre dann nur mit halbem Ohr zu und schaue nicht gezielt hin. Ich bin leider nicht multitaskingfähig. Ich komme ja aus der Fiktion und habe mir zur Vorbereitung auf meine neue Aufgabe viele Stunden die vielen anderen Bereiche unseres Angebots angesehen, z.B. intensiv unseren Dokumentationsbereich. Ich schaue professionell anders fern, als wenn ich mir zusammen mit meinem Mann den „Tatort“ansehe. Da ist Fernsehschauen herausfordernd, auch wenn mir das meine Neffen natürlich nicht glauben.
Sitzen Sie auch mal mit einer Tüte Gummibärchen auf dem Sofa und schauen sich zur Erholung einen Liebesfilm an? Ich bevorzuge Chips, dazu ein Glas Weißwein. Gerade in den Zeiten, als man nicht ins Kino gehen konnte, habe ich es genossen, mich von grandiosen Schauspielerinnen und Schauspielern in eine andere Welt entführen zu lassen. Ich mag Spannung, liebe Krimis und Thriller, gern auch mal Serien. Auch über eine gut gemachte Komödie kann ich herzhaft lachen. Gerade vor dem Hintergrund von Corona realisierte ich noch mal intensiver, wie unglaublich wichtig es ist, den Zuschauern mit guten Informationssendungen Halt und Einordnung zu liefern. Wir haben über 70 Sondersendungen zu Corona gemacht, die Kolleginnen und Kollegen haben Herausragendes geleistet. Aktuell schaut das ganze Land Fußball.
Sie legen keinen Wert auf Statussymbole. Ist das eher typisch für erfolgreiche Frauen als für Männer? Ich kenne auch Männer, die keine Statussymbole benötigen, um sich respektiert zu fühlen. Ich glaube aber schon, dass Frauen noch konsequenter die Teamarbeit suchen. Wir haben lange genug nicht genügend darauf geachtet, uns zu vernetzen. Vielleicht haben wir jetzt ein bisschen Nachholbedarf und nutzen den Kontakt zu anderen Frauen intensiver. Ich auf jeden Fall.
Sie pendeln zwischen Heilbronn und München. Ihr Mann Thomas Strobl, Vize-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, hat Büros in Berlin und Stuttgart. Wie oft sehen Sie sich?
Na ja, in jedem Fall jedes Wochenende. Mein Büro ist in München, aber die ARD-Redaktionen sind in ganz Deutschland. Ich verstehe meinen Job so, dass ich aus dem Koffer leben werde. Manches ist im Homeoffice möglich. Aber ohne den persönlichen, direkten und kreativen Austausch geht es nicht. Ich nenne das Kopfmanagement. Wir sind ja in der ARD wirklich mit einer Vielzahl von tollen Köpfen gesegnet, Florian Silbereisen oder Kai Pflaume, um nur zwei Beispiele zu nennen. Mein Mann und ich kennen uns lange genug, um zu wissen: Wenn der eine beruflich wirklich etwas will, würde der andere ihn nicht davon abhalten wollen, aber mein Mann hat natürlich nicht aus der Zeitung von meiner neuen Aufgabe erfahren. Und ich weiß, hätte ich ein echtes Problem, würde ich es immer mit meinem Mann besprechen.
Im April hatten Sie silberne Hochzeit. Ja. Unfassbar. Ich bin jetzt länger verheiratet als nicht verheiratet. Es ist etwas Schönes, aber daran merkt man auch, wie man älter wird. Wobei mir mein 50. Geburtstag am 5. August nichts ausmacht. Zu der Zahl 50 habe ich keinen Bezug, zur silbernen Hochzeit schon.
Hatten Sie Zeit zum Feiern im kleinen Kreis? (Sie lacht) An dem Tag steckte mein Mann in Baden-Württemberg mitten in den Koalitionsverhandlungen mit CDU und Grünen. Wir haben aber drei Tage später angestoßen und uns zusammen unsere Hochzeitsfotos angesehen.
ICH KENNE AUCH MÄNNER, DIE KEINE STATUSSYMBOLE BENÖTIGEN