Luisa-Céline Gaffron & Markus Söder:
MARKUS SÖDER & LUISA-CÉLINE GAFFRON Der CSU-Politiker und die Schauspielerin diskutieren über die Sorgen einer Generation
Die Berliner Schauspielerin und der CSU-Politiker im Streitgespräch
Es sei das Recht der Jugend, ungeduldig zu sein, sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in seinem Streitgespräch mit Luisa-Céline Gaffron, Schauspielerin aus Berlin. Die 28-Jährige mit den wilden blonden Locken – gekleidet in Secondhand-Blazer, Seidenbluse und Turnschuhen – war nach München gereist, um den mächtigen CSU-Politiker – wie fast immer im dunklen Anzug, ohne Krawatte – für BUNTE quarterly zu treffen und mit ihm die Themen zu diskutieren, die die Jugend heute bewegen: Umweltschutz, Klimawandel, Sexismus, Rechte der Frauen und die Glaubwürdigkeit von Politik.
Ihre Wünsche, Forderungen und auch Anklagen hatte die junge Künstlerin auf gelben Zetteln notiert – sie wollte jede Möglichkeit
nutzen, um die Sorgen ihrer Generation zu thematisieren. Denn hier, in der Münchner Staatskanzlei, saß sie genau an der richtigen Stelle – bei einem, der die Macht hat, negative Entwicklungen ins Positive zu drehen. „Wenn man wirklich
will, kann man das doch verändern“, verlangte Luisa-Céline Gaffron mehrmals in der temperamentvollen Debatte und lächelte den konservativen und mit 54 Jahren fast doppelt so alten Politiker herausfordernd an.
Markus Söder, der im Laufe seiner Karriere sein eigenes Temperament gezügelt hat, hörte der jungen Frau geduldig zu. Auch in Momenten, in denen sie ihre Vorwürfe mit ungezügelter Leidenschaft formulierte, reagierte er souverän. „In der Demokratie muss man Mehrheiten
aufbauen, bevor man wesentliche Veränderungen herbeiführen kann.“Diese Prozesse seien schwierig und dauerten oft lange, erinnerte er. Manchmal musste er über die Vehemenz seiner Diskussionspartnerin lächeln: „Das Herz geht über!“Es sei das Recht der Jugend, ungeduldig zu sein.
Die heutige Jugend sei „ganz anders“. „Wir waren damals zwar eine zahlenmäßig starke Generation, aber trotzdem hat kaum einer auf uns gehört. Als ich jung war, hieß es häufig, wir sollten eher still sein – wenn die Erwachsenen reden. Mit meinem Vater habe ich erst spät, als er schon sehr krank war, das echte Gespräch gefunden“, erzählte Söder. Heute habe die Meinung der jungen Menschen ein viel höheres Gewicht – „und sie wird viel ernster genommen“.
MANCHE HABEN EINE STARTPOSITION INS LEBEN, DIE ANDERE NICHT EINHOLEN KÖNNEN ES IST DAS RECHT DER JUGEND, UNGEDULDIG ZU SEIN
Luisa-Céline, eine politisch interessierte Vertreterin dieser meinungsstarken Jugend, glaubt, sie habe „trotzdem eine schwierige Position, gehört zu werden“. Sie empfinde es anstrengend, dass die Jugend auf „die Themen pochen muss und dennoch das Gefühl habe, keiner hört richtig zu“.
Eines ihrer großen Anliegen sei Gerechtigkeit in der Gesellschaft, so Luisa-Céline Gaffron. Ihre Mutter war alleinerziehend, sie habe kein Abitur gemacht, manche Menschen dagegen „haben eine Startposition ins Leben, die andere gar nicht einholen können“. Besonders beunruhigend finde sie, dass „in Deutschland ein paar wenige Familien genauso viel Geld haben wie die Hälfte der Bevölkerung“. Deshalb müssten große Vermögen „gerechter besteuert werden“, forderte sie. Söder konterte, Gaffrons Idee sei „eher ein sozialistischer Ansatz“, der in der Praxis noch nirgends funktioniert habe. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich seien in
Deutschland vermutlich weniger ausgeprägt als in vielen anderen Ländern. Außerdem helfe der Sozialstaat Menschen, die Unterstützung brauchten. „Eine Gesellschaft sollte nicht wie ein englischer Rasen sein, bei dem jeder Grashalm gleich formiert ist, sondern eher wie eine bayerische Wiese, auf der alles nach seiner Begabung und Leistungsfähigkeit wachsen kann.“Ein malerischer Vergleich, den seine schlagfertige Gesprächspartnerin allerdings nicht gelten ließ: Sie sehe „vor allem riesige, hundert Meter hohe Bäume und daneben etwas Gras“.
Nicht nur bei diesem Thema – ebenso bei Klimaschutz, Flüchtlingspolitik, Wirtschaftswachstum und dem Ausbau der Bahn – prallten politische Ansichten aufeinander. Sie habe
„Respekt davor, dass Politiker einen Job haben, in dem sie ständig verhandeln, überzeugen und Kompromisse schließen müssen. Aber das heißt nicht, dass ich den Politikern in der CSU vertraue, dass sie es auch versuchen“, sagte die ungestüme Kämpferin Luisa-Céline Gaffron.
Mehrmals gewann die Diskussion an Dynamik und immer wieder geriet sie zu einem echten Streitgespräch. Manchmal fast zu einem Streit. Markus Söder, der Ältere und der Mächtige, ließ sich nicht provozieren: Ab und zu atmete er tief durch, damit die Flammen nicht höher schlugen. Er freue sich über jeden jungen Menschen, der politisch denkt, sagte Söder. So gesehen, müsste Luisa-Céline Gaffron ihm Freude bereitet haben.
DIE MEINUNG DER
JUGEND HAT HEUTE EIN VIEL HÖHERES GEWICHT – SIE WIRD ERNST GENOMMEN