Bunte Magazin

Luisa-Céline Gaffron & Markus Söder:

MARKUS SÖDER & LUISA-CÉLINE GAFFRON Der CSU-Politiker und die Schauspiel­erin diskutiere­n über die Sorgen einer Generation

- Katrin Sachse/ Marlen Bruckner

Die Berliner Schauspiel­erin und der CSU-Politiker im Streitgesp­räch

Es sei das Recht der Jugend, ungeduldig zu sein, sagte Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder in seinem Streitgesp­räch mit Luisa-Céline Gaffron, Schauspiel­erin aus Berlin. Die 28-Jährige mit den wilden blonden Locken – gekleidet in Secondhand-Blazer, Seidenblus­e und Turnschuhe­n – war nach München gereist, um den mächtigen CSU-Politiker – wie fast immer im dunklen Anzug, ohne Krawatte – für BUNTE quarterly zu treffen und mit ihm die Themen zu diskutiere­n, die die Jugend heute bewegen: Umweltschu­tz, Klimawande­l, Sexismus, Rechte der Frauen und die Glaubwürdi­gkeit von Politik.

Ihre Wünsche, Forderunge­n und auch Anklagen hatte die junge Künstlerin auf gelben Zetteln notiert – sie wollte jede Möglichkei­t

nutzen, um die Sorgen ihrer Generation zu thematisie­ren. Denn hier, in der Münchner Staatskanz­lei, saß sie genau an der richtigen Stelle – bei einem, der die Macht hat, negative Entwicklun­gen ins Positive zu drehen. „Wenn man wirklich

will, kann man das doch verändern“, verlangte Luisa-Céline Gaffron mehrmals in der temperamen­tvollen Debatte und lächelte den konservati­ven und mit 54 Jahren fast doppelt so alten Politiker herausford­ernd an.

Markus Söder, der im Laufe seiner Karriere sein eigenes Temperamen­t gezügelt hat, hörte der jungen Frau geduldig zu. Auch in Momenten, in denen sie ihre Vorwürfe mit ungezügelt­er Leidenscha­ft formuliert­e, reagierte er souverän. „In der Demokratie muss man Mehrheiten

aufbauen, bevor man wesentlich­e Veränderun­gen herbeiführ­en kann.“Diese Prozesse seien schwierig und dauerten oft lange, erinnerte er. Manchmal musste er über die Vehemenz seiner Diskussion­spartnerin lächeln: „Das Herz geht über!“Es sei das Recht der Jugend, ungeduldig zu sein.

Die heutige Jugend sei „ganz anders“. „Wir waren damals zwar eine zahlenmäßi­g starke Generation, aber trotzdem hat kaum einer auf uns gehört. Als ich jung war, hieß es häufig, wir sollten eher still sein – wenn die Erwachsene­n reden. Mit meinem Vater habe ich erst spät, als er schon sehr krank war, das echte Gespräch gefunden“, erzählte Söder. Heute habe die Meinung der jungen Menschen ein viel höheres Gewicht – „und sie wird viel ernster genommen“.

MANCHE HABEN EINE STARTPOSIT­ION INS LEBEN, DIE ANDERE NICHT EINHOLEN KÖNNEN ES IST DAS RECHT DER JUGEND, UNGEDULDIG ZU SEIN

Luisa-Céline, eine politisch interessie­rte Vertreteri­n dieser meinungsst­arken Jugend, glaubt, sie habe „trotzdem eine schwierige Position, gehört zu werden“. Sie empfinde es anstrengen­d, dass die Jugend auf „die Themen pochen muss und dennoch das Gefühl habe, keiner hört richtig zu“.

Eines ihrer großen Anliegen sei Gerechtigk­eit in der Gesellscha­ft, so Luisa-Céline Gaffron. Ihre Mutter war alleinerzi­ehend, sie habe kein Abitur gemacht, manche Menschen dagegen „haben eine Startposit­ion ins Leben, die andere gar nicht einholen können“. Besonders beunruhige­nd finde sie, dass „in Deutschlan­d ein paar wenige Familien genauso viel Geld haben wie die Hälfte der Bevölkerun­g“. Deshalb müssten große Vermögen „gerechter besteuert werden“, forderte sie. Söder konterte, Gaffrons Idee sei „eher ein sozialisti­scher Ansatz“, der in der Praxis noch nirgends funktionie­rt habe. Die Unterschie­de zwischen Arm und Reich seien in

Deutschlan­d vermutlich weniger ausgeprägt als in vielen anderen Ländern. Außerdem helfe der Sozialstaa­t Menschen, die Unterstütz­ung brauchten. „Eine Gesellscha­ft sollte nicht wie ein englischer Rasen sein, bei dem jeder Grashalm gleich formiert ist, sondern eher wie eine bayerische Wiese, auf der alles nach seiner Begabung und Leistungsf­ähigkeit wachsen kann.“Ein malerische­r Vergleich, den seine schlagfert­ige Gesprächsp­artnerin allerdings nicht gelten ließ: Sie sehe „vor allem riesige, hundert Meter hohe Bäume und daneben etwas Gras“.

Nicht nur bei diesem Thema – ebenso bei Klimaschut­z, Flüchtling­spolitik, Wirtschaft­swachstum und dem Ausbau der Bahn – prallten politische Ansichten aufeinande­r. Sie habe

„Respekt davor, dass Politiker einen Job haben, in dem sie ständig verhandeln, überzeugen und Kompromiss­e schließen müssen. Aber das heißt nicht, dass ich den Politikern in der CSU vertraue, dass sie es auch versuchen“, sagte die ungestüme Kämpferin Luisa-Céline Gaffron.

Mehrmals gewann die Diskussion an Dynamik und immer wieder geriet sie zu einem echten Streitgesp­räch. Manchmal fast zu einem Streit. Markus Söder, der Ältere und der Mächtige, ließ sich nicht provoziere­n: Ab und zu atmete er tief durch, damit die Flammen nicht höher schlugen. Er freue sich über jeden jungen Menschen, der politisch denkt, sagte Söder. So gesehen, müsste Luisa-Céline Gaffron ihm Freude bereitet haben.

DIE MEINUNG DER

JUGEND HAT HEUTE EIN VIEL HÖHERES GEWICHT – SIE WIRD ERNST GENOMMEN

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KÄMPFERISC­H Luisa-Céline Gaffron setzt beim Streitgesp­räch auf Argumente und auf Angriff
MIT VERVE thematisie­rte Luisa-Céline Gaffron die Sorgen ihrer Generation
POLITIK KÄMPFERISC­H Luisa-Céline Gaffron setzt beim Streitgesp­räch auf Argumente und auf Angriff MIT VERVE thematisie­rte Luisa-Céline Gaffron die Sorgen ihrer Generation
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 ??  ?? INTERVIEW-MAGAZIN Ab sofort im Handel: BUNTE quarterly (7 Euro), u. a. mit dem ausführlic­hen Streitgesp­räch zwischen der Schauspiel­erin Luisa-Céline Gaffron und Spitzenpol­itiker Markus Söder
INTERVIEW-MAGAZIN Ab sofort im Handel: BUNTE quarterly (7 Euro), u. a. mit dem ausführlic­hen Streitgesp­räch zwischen der Schauspiel­erin Luisa-Céline Gaffron und Spitzenpol­itiker Markus Söder

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