Ein emotionales Rendezvous
Manch ein Rendezvous bleibt lange im Gedächtnis haften – selbst wenn es nur ein andächtiger Moment mit ein paar Seiten Papier ist. Der italienische Dirigent Antonello Manacorda beispielsweise hat in der Staatsbibliothek in Berlin eine denkwürdige Begegnung erlebt, als er ein einzigartiges und wertvolles Dokument in den Händen halten durfte: die Originalnoten der Neunten Sinfonie, komponiert und aufgeschrieben von Ludwig van Beethoven. Manacorda, der in Turin Violine studierte und derzeit als Chefdirigent die Kammerakademie Potsdam leitet, hat gerade mit seinem Orchester den gesamten Beethoven-Zyklus aufgenommen (5 CD-Box, Sony Classical, ab 3. Mai). „Notenseiten anzuschauen, die ein großer Komponist wie Beethoven selbst geschrieben hat, ist etwas ganz Besonderes“, sagt der 54-Jährige zu BUNTE. „Das hat schon eine Aura, die sogleich etwas näher ans Werk führt. Auch wenn das vielleicht eine Illusion ist.“Nachdem er die originale Handschrift mit eigenen Augen gesehen habe, fühle er „stark die Notwendigkeit, die Wünsche von Beethoven zum Leben zu bringen.“Zwar bleibe das künstlerische Verständnis nach der Begegnung mit dem Autografen gleich, sagt Manacorda, „aber der emotionale Blick auf das Komponierte“ändere sich.
„Alle Menschen werden Brüder“, dichtete Friedrich Schiller 1785 und Beethoven vertonte den Text für seinen letzten Satz der 1824 uraufgeführten Sinfonie. Die Ode, ein ikonisches Musikwerk, ist inzwischen die EuropaHymne. „Eine gute Wahl“, sagt Manacorda – „besonders in diesen Zeiten.“