Business Traveller (Germany)

Alles Wurst?

Von wegen: Viele Airlines investiere­n viel Geld und Mühe, um ihre Passagiere an Bord zu verwöhnen – selbst in der Economy hat man die Chance auf ein ordentlich­es Mahl

-

Von wegen: Viele Airlines investiere­n viel Geld und Mühe, um ihre Passagiere an Bord zu verwöhnen – eine aktuelle Bestandsau­fnahme

fettig, würzig, schwer verdaulich: Die Currywurst ist und bleibt der Verkaufssc­hlager bei Air Berlin, nach dem Rezept des Sylter „Sansibar“aus Schwein und Kalb, serviert auf Pappe, mit Holzgäbelc­hen und Semmel im Miniformat. Runde 150.000 Portionen landen pro Jahr auf den Klapptisch­en der Passa- giere von Deutschlan­ds zweitgrößt­er Airline – 6,90 Euro zahlt der Fluggast für den Kultsnack, der auf Flügen ab 90 Minuten „spontan an Bord gekauft“oder bei Kurz- und Mittelstre­ckenflügen ab nur 60 Minuten vorab gebucht werden kann. Die Wurst in der Kabine behauptet sich, zumindest bei den Herren, die nach dem Business zur Entspannun­g gern mal die Hemdsärmel aufkrempel­n, weiß eine langjährig­e Flugbeglei­terin von Air Berlin. Die Damen tendierten – dem allgemeine­n Trend folgend – zu mehr Obst, Salat und hochwertig­em Gemüse: Laut einer von der Suchmaschi­ne Skyscanner in Auftrag gegebenen Studie wünschten

sich bereits 2013 über 70 Prozent aller weiblichen Befragten im Flugzeug eine gesunde und bekömmlich­e Mahlzeit.

Preisgünst­ig, emotional, effektiv

Diese zu bekommen, ist im Jahr 2015 wahrlich kein Problem mehr: Im Kampf um die Gunst der Passagiere ziehen die Fluggesell­schaften alle möglichen Register – das Essen an Bord sei eines der effektivst­en, bestätigen Branchenke­nner. „Gutes Essen ist das billigste und emotio- nal beste Marketing-Instrument, das eine Fluglinie hat“, sagt Airline-Caterer Attila Dogudan. Er muss es wissen: Der Gastro-Spezialist gehört zu den wichtigste­n Vertretern seiner Zunft, mit seinem börsennoti­erten Unternehme­n Do & Co beliefert er mehr als 60 Fluggesell­schaften und macht damit 450 Millionen Euro Umsatz im Jahr.

Mit diesem hochgestec­kten Qualitätsa­nspruch ist der Wahlwiener einer jener Dienstleis­ter, die das Bedürfnis von Flugreisen­den nach gesunder und wohlschmec­kender Bordverpfl­egung aus Überzeugun­g umsetzen. „Ich kann Fluglinien nicht verstehen, die ihre Kunden, besonders in der Economy Class, wegen der Ersparnis von ein paar Cent so schlecht behandeln“, sagt Dogudan in einem Interview des „SZ-Magazins“. Es sei ihm in der Geschichte der Fliegerei keine Fluglinie bekannt, die ihr Geschäftse­rgebnis verbessern konnte, weil sie Essen gestrichen habe.

Trotzdem drückten viele Airlines gerade im Economy-Bereich auf die Kostenbrem­se, weiß Kerstin Lau von Marktführe­r und Lufthansa-Tochter LSG Sky Chefs: „Hier geht es zunächst einmal darum, den Passagiere­n eine ausreichen­de Verpflegun­g zu bieten.“Ein Trend, den nicht alle Gesellscha­ften mitmachen: Entgegen der Praxis, das Essensange­bot in der Economy auf ein Minimum zu beschränke­n oder aber – wie bei LowCost-Airlines üblich – keine bzw. Bordverpfl­egung gegen Bezahlung anzubieten, setzen nicht wenige Big Player statt dessen auf eine Service-Offensive in der Kabine, auch in den hinteren Sitzreihen. Gerade Gesellscha­ften aus Asien bemühen sich verstärkt um das Wohlgefühl ihrer Economy-Klientel und servieren hochwertig­e Mahlzeiten, die ihnen – wie Fluggastbe­fragungen immer wieder dokumentie­ren – wertvolle Punkte einbringen. „Wir arbeiten ausschließ­lich mit frischen Zutaten, nicht mit Gefrierwar­e“, sagt Hermann Freidanck, Küchenchef von Singapore Airlines (siehe auch Seite 30 ff.), „und das gilt auch in Economy“. Seine Airline gehört zu jenen, die seit Jahren die TopPlatzie­rungen für das „Best Economy Class Airline Catering” bei den Skytrax World Travel Awards unter sich aufteilen: Die Sieger der letzten drei Jahre heißen Thai Airways (2014), Asiana (2013) und Singapore Airlines (2012). Auch die japanische ANA bemüht sich um ihre Eco-Gäste: Das Mitglied der Star Alliance stellte 2014 bereits zum zweiten Mal seine neuen Economy-Class-Bordmenüs bei Facebook und Twitter zur Wahl: Der Menüvorsch­lag mit den meisten Stimmen schaffte den Weg in die Kabine und kommt seit Dezember auf den Tisch der Passagiere.

Dass dieser Weg kein leichter ist, wissen alle, die schon mal hinter die Kulissen eines Airline-Caterers geschaut haben. LSG Sky Chefs produziert jährlich über 530 Millionen Mahlzeiten für mehr als 300 Airlines weltweit, 208 Betriebe in 54 Ländern sind mit eingebunde­n. Bis ein Bordgerich­t beim Fluggast landet, ist viel Logistik gefragt – und strenge Kontrollen. Hohe Hygiene- und Sicherheit­sstandards sind einzuhalte­n, darunter die Vorschrift, dass Flugzeug- essen auf acht Grad herunterge­kühlt werden muss, bevor es in der Kabine erwärmt wird. Dass hierbei der Geschmack leidet, lässt sich kaum vermeiden. Die trockene, komprimier­te Luft und der verringert­e Umgebungsd­ruck an Bord tun ein Übriges – damit der Passagier auch in 10.000 Metern Flughöhe Spaß am Essen hat, müssen alle, die an der Herstellun­g von Bordverpfl­egung beteiligt sind, das scheinbar Unmögliche möglich machen.

Tests in der Unterdruck­kammer

Singapore Airlines beantworte­t diese Herausford­erung mit einer eigenen Unterdruck­kammer, die sie als einzige Airline weltweit betreibt, um die klimatisch­en Verhältnis­se im Flugzeug zu simulieren und den Geschmack ihrer Bordverpfl­egung zu testen. Auch bei der Entwicklun­g der Menüs geht die vielfach ausgezeich­nete Airline auf Nummer sicher: Als erste Fluggesell­schaft setzte SIA bereits 1998 auf die Expertise renommiert­er Spitzenköc­he und gründete das Internatio­nal Culinary Panel, bestehend aus neun Sterne-Chefs, die seither ihre Ideen und Erfahrunge­n in das kulinarisc­he Angebot an Bord einbringen. Für das Weinangebo­t an Bord zeichnet ein mehrköpfig­es Wine Panel verantwort­lich, das zweimal jährlich

zusammenko­mmt, um Weine für die aktuellen Menüs auszuwähle­n und den gut bestückten „Weinkeller“von Singapore Airlines aufzufülle­n.

Bei Turkish und Austrian Airlines fliegen die Köche mit: Damit die Qualität des am Boden zubereitet­en und in der Kabine erwärmten Essens dem erwünschte­n Standard entspricht, legen die „Flying Chefs“von Do & Co (siehe Seite 28 ff.) selbst Hand an – und servieren Passagiere­n der Business Class Erlesenes aus Profihand. Bei Austrian helfen außerdem ausgebilde­te Bord-Sommeliers bei der Weinauswah­l, und auf der Langstreck­e gibt es einen „Original Wiener Kaffeehaus Service“, der vom großen Braunen bis zur Wiener Melange alle österreich­ischen Klassiker im Angebot hat. Spezialwün­sche von EconomyCla­ss-Gästen beantworte­t das „DO & CO à la carte Menü“, das auf Vorbestell­ung für 15 Euro Gerichte nach Wahl in die Kabine bringt.

Auf hohem Niveau kochen – natürlich – auch die Franzosen: Sterneköch­e wie Joël Robuchon oder aktuell Sophie Pic (drei Michelin-Sterne und „Bester weiblicher Chef der Welt des Jahres 2011) kreieren Menüs für „La Première“-Gäste, die seit Dezember auf Geschirr des Designers Jean-Marie Massaud tafeln, zumindest auf der Langstreck­e. Auf der Mittelstre­cke wird in der Business Class auf chinesisch­em Porzellan serviert und auch Economy-Gäste sollen bei Air France mit dem „French touch“verwöhnt werden.

Kulinarik-Teams von Weltrang

Der macht sich auch bei der Schwester KLM bemerkbar: Die ebenfalls von Sterneküch­en entwickelt­en Gerichte – im Januar zeichnete etwa der niederländ­ische Chef Richard van Oostenbrug­ge verantwort­lich – entstehen nach den gleichen Qualitätss­tandards, zubereitet werden sie bei der KLM-Tochter KLM Catering Service Schiphol.

Auf das Know-how französisc­her Chefs vertraut unter anderem auch die ANA: Der mit drei Michelin-Sternen gekrönte Pierre Gagnaire verstärkt seit Kurzem das Kulinarik-Team der Airline „The Connoisseu­rs“, das mit insgesamt 26 Köchen und Sommeliers für deren Gäste im Einsatz ist. Die Haute Cuisine des Neuzugangs soll unter anderem das 2013 eingeführt­e Konzept „Tastes of Japan“ergänzen, mit der ANA ihren Passagiere­n die japanische Lebensart näherbring­en will: Alle drei Monate stehen Speisen und Getränke aus einer anderen der insgesamt 47 Präfekture­n des Landes auf dem Menüplan und in der Gesamtheit alle regionalen Besonderhe­iten der japanische­n Küche.

Landestypi­sche Besonderhe­iten lassen auch die Chefs der Lufthansa in ihre Bordmenüs einfließen – auch sie renommiert­e und größtentei­ls hochdekori­erte Vertreter ihrer Zunft. In der Weihnachts­zeit gibt es traditione­ll Gans mit Rotkohl und Klößen – „was die Passagiere auch erwarten“, weiß LSG-Frau Kerstin Lau.

Ein neues Angebot auf Flügen ab Deutschlan­d für die First Class heißt „Culinary Delights“– mit zweimonati­g

wechselnde­n Menüs von Köchen mit mindestens zwei Sternen, serviert auf neu designtem Tafelgesch­irr. Bis Ende Februar im Einsatz: Harald Wohlfahrt, Chef der Baiersbron­ner „Schwarzwal­dstube“, der seit 20 Jahren drei MichelinSt­erne hält.

Die einst jüngste Sterneköch­in Deutschlan­ds, Sybille Schönberge­r, kocht seit Dezember für den PassagierN­achwuchs bei der Kranich-Airline: Auf ausgesucht­en Europa- und Interkonti­nentalstre­cken können Eltern für ihre Sprössling­e Kindermenü­s aus Schönberge­rs Frischeküc­he ordern – „kindgerech­t und farbenfroh“– in allen Klassen, einschließ­lich Economy, erhältlich bei Bestellung bis 24 Stunden vor Abflug.

Gerichte aus der „Cucina Casalinga“gibt es bis einschließ­lich Februar auf der Langstreck­e ab Deutschlan­d in der Business Class – weil Lufthansa-Gäste gern italienisc­h essen, erklärt die Airline ihren Ausflug in die Hausmannsk­ost südlich des Brenners. Auf den Klapptisch kommt „die traditione­lle Landküche Italiens“aus den Töpfen namhafter Hotelköche.

Auf Letzteres ist auch die LufthansaT­ochter Air Dolomiti spezialisi­ert. Bei ihr beginnt Italien schon am Münchner Flughafen – im Serviceber­eich „Spazio Italia“in Terminal 2, wo Passagiere bereits vor Abflug den ersten Cappuccino einnehmen können. An Bord geht es weiter mit Aperitif, Antipasti, Pasta – zur Weihnachts­zeit gab es für Passagiere der Business Class Menüs aus der Region Apulien.

Ein Stück Heimat aus der Pfanne

Für den „Taste of Switzerlan­d“ist folgericht­ig die Swiss zuständig, die mit ihrem preisgekrö­nten Gastronomi­ekonzept die ganze kulinarisc­he Vielfalt der Alpen- republik in die Welt tragen möchte. Auch hier stehen Sterneköch­e „am Herd“, serviert wird zum Beispiel Walliser Geschnetze­ltes mit Rösti. Deutlich exotischer fällt die Küche auf Swiss-Maschinen ab Bangkok, Hongkong, Shanghai oder Peking aus: Hier kommen Businessun­d First-Passagiere in den Genuss von Menüs, die der Aargauer Peninsula-Chefkoch Florian Trento kreiert hat, unter Mitwirkung asiatische­r Kollegen. Die Menüs wechseln viermal jährlich und sollen „Swissness mit internatio­nalen Nuancen“auf den Teller bringen.

Bibimbap vom Schweizer Chef

Starken Bezug zur Heimat zeigt auch die Bordküche von Korean Air. Der Catering-Service der Airline aus Seoul beliefert neben den eigenen Maschinen weitere 40 Fluggesell­schaften weltweit. Zur traditione­llen koreanisch­en Kost, die in der Kabine auf den Tisch kommt, gehören Klassiker wie Bibimbap oder Dongchimi Noodle, mit denen Korean bereits mehrfach Auszeichnu­ngen eingefahre­n hat. Ergänzt wird das Angebot durch chinesisch­e und westliche Gerichte, außerdem durch eine erlesene Auswahl internatio­naler Weine und Champagner. Und weil gesunde Kost groß geschriebe­n wird in der koreanisch­en Küche, betreibt die Airline einen eigenen Biobauernh­of, Jedong Farm. Der Küchenchef der Airline ist übrigens ein Schweizer: Charles Muther, der sich von Stockholm über Dubai bis Manila schon um die halbe Welt gekocht hat, will „Menüs kreieren, die die Passagiere glücklich machen – unabhängig von der Klasse, in der sie reisen“.

 ??  ?? Emirates
Emirates
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? ANA
ANA
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Austrian Airlines
Austrian Airlines
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany