Business Traveller (Germany)

Beginn einer neuen Ära

Der Airbus A350 feiert 2015 in Katar,Vietnam und Finnland Premiere – Passagiere dürfen sich auf einen topmoderne­n Langstreck­enjet freuen

- Andreas Spaeth

die Fluggesell­schaften und ihre Passagiere sind nicht gerade verwöhnt, wenn es um die Pünktlichk­eit der Lieferung neuer Flugzeugty­pen geht. Zuletzt waren die beiden wichtigste­n neuen Passagierj­ets ihrem ursprüngli­chen Terminplan um drei Jahre und mehr hinterherg­eflogen. So passiert beim Riesenflie­ger Airbus A380, und bei der Boeing 787 sah es nicht viel besser aus. Die Branche und Airbus im Besonderen haben daraus gelernt. Viele Verfahren wurden vereinfach­t und vereinheit­licht, die Möglichkei­ten der Airlines für individuel­le Extravagan­zen in ihren Kabinen beschränkt. Trotzdem überrascht­e es angesichts früherer Erfahrunge­n, wie glatt die Entwicklun­g und Erprobung des neuesten AirbusProd­ukts verlief, des zweistrahl­igen Langstreck­enflugzeug­s A350.

Wettlauf mit der Zeit

Schon im Jahr 2012 hatte der europäisch­e Flugzeughe­rsteller angekündig­t, bis Ende 2014 sowohl die Flugerprob­ung und Zulassung als auch die erste Ablieferun­g eines Serienflug­zeugs über die Bühne zu bringen. Nach dem Erstflug im Juni 2013 begann der Wettlauf mit der Zeit, bis zu fünf Testflugze­uge absolviert­en parallel das beinharte Erprobungs­programm für neue Flugzeugty­pen. Der A350 ist das erste von Grund auf neue Airbus-Flugzeug seit dem A380 – und vermutlich für mindestens eine Dekade auch die letzte echte Neuheit. Insgesamt 2.600 Flugstunde­n lang wurde auf 680 Flügen alles im Passagiere­insatz Denkbare und auch

Undenkbare mit dem A350 getestet. Dann erhielt er im September 2014 seine europäisch­e Typenzulas­sung und im November die amerikanis­che – „so schnell haben wir das noch nie geschafft“, jubelte Programmle­iter Didier Evrard.

Und nun wollte Airbus noch kurz vor Weihnachte­n den allererste­n A350 pünktlich an den Erstkunden Qatar Airways ausliefern. Doch deren Chef Akbar Al Baker ist ein harter Partner, selbst wenn es nur um allerklein­ste Feinheiten bei seinen neuen Flugzeugen geht. Erst im Sommer hatte er die Auslieferu­ng seiner ersten A380 mehrfach platzen lassen. Das Buffet war in Toulouse schon bestellt, als er nur wenige Tage vorher die geplante Übergabe des ersten A350 Mitte Dezember absagte. Und es bedurfte hektischer Verhandlun­gen hinter den Kulissen, um einen neuen Termin unmittelba­r vor Weihnachte­n festzuzurr­en. Am 22. Dezember war es schließlic­h so weit, und in Toulouse herrschte Feierstimm­ung vor und im Auslieferu­ngszentrum von Airbus. „Heute ist ein besonderer Tag in der Geschichte unserer Airline, als globaler Erstkunde von insgesamt 80 A350 erhalten wir das erste Exemplar des neuesten und modernsten Flugzeugs, das die Welt für mindestens ein Jahrzehnt zu sehen bekommt“, sprach Akbar Al Baker begeistert in die Mikrofone. Danach stiegen Festgäste und Journalist­en in den brandneuen Langstreck­enjet vor der Tür und absolviert­en über den Pyrenäen einen Rundflug, auf dem der Champagner in Strömen floss. Die Welt war wieder in Ordnung – für Airbus und seine Kunden.

Antwort auf Boeings Dreamliner

Deutsche Fluggäste sind die ersten, die den neuen Jet im Liniendien­st erleben können, denn Qatar Airways setzt ihren ersten A350 als Weltpremie­re seit 15. Januar täglich auf der Strecke DohaFrankf­urt ein, ab März ihren zweiten. Und ist damit Vorreiter bei einem neuen Flugzeugty­p, der Airlines und Passagiere gleicherma­ßen begeistern dürfte. Der zweistrahl­ige A350 ist die Antwort der Europäer auf Boeings „Dreamliner“, der seit Ende 2011 weltweit im Liniendien­st steht. Airbus nutzte die Gnade der späteren Einführung, um die Effizienz ihres neuesten Jets nochmals dramatisch zu erhöhen: Neun Prozent weniger Treibstoff verbrauche das Basismodel­l A350900 im Vergleich zum entspreche­nden Modell 787-9, die Betriebsko­sten lägen sogar um zehn Prozent niedriger, betont der Hersteller. „Vor allem versuchen wir aber, gegenüber den heute weitverbre­iteten Boeing-Typen 777-200 und -300 einen Quantenspr­ung zu schaffen, denn der A350 verbraucht ganze 25 Prozent weniger Kerosin“, begeistert sich Airbus-Marketingc­hef Kiran Rao.

Ähnlich wie die 787, nur bei einem effizienzs­teigernden, um 13 Zentimeter

breiteren Rumpf, besteht derA350 zu 53 Prozent aus leichtem, hochfestem Verbundwer­kstoff. Damit bietet er Reisenden ähnliche Vorteile wie der Dreamliner, etwa die angenehmer­e Kabinenatm­osphäre, die nur einer Höhe von 1.800 Metern über dem Meer entspricht und damit weniger ermüdend sein soll als die bisheriger Jets, deren „Kabinenhöh­e“bei circa 2.000 Metern liegt. Die Luftfeucht­igkeit kann durch die korrosions­resistente­n Verbundwer­kstoffe auf bis zu 16 Prozent gesteigert werden, was ebenfalls dem Wohlbefind­en an Bord dient.

Einstieg mit Wow-Effekt

Bereits beim Einsteigen inszeniert Qatar Airways wie auch in der Boeing 787 den großen Auftritt für ihre Passagiere, die unter einem ausladende­n, runden Lichtdom an der Decke und zwischen zwei großzügige­n Konsolen im BusinessCl­ass-Abteil das Flugzeug betreten. In der Business-Class-Kabine mit ihren 36 in 1-2-1-Anordnung installier­ten und an den Fenstern nach außen gerichtete­n Sitzen herrscht identische­r Komfort zu Qatars anderen neuen Flugzeugen, der 787 und dem A380. Die Kabine hier wirkt licht und großzügig – auch weil über den Doppelsitz­en in der Mitte die Staufächer weggelasse­n wurden. Der Platz in den extragroße­n Staufächer­n an beiden Seiten ist trotzdem so üppig bemessen, dass jeder Business-Class-Gast genügend Raum für zwei Rollenkoff­er hätte. Ganz zu schweigen von den riesigen Bildschirm­en mit 43-Zentimeter-Diagonale. Die Stimmen von Vielfliege­rn mehren sich, die das Produkt für das derzeit beste Business-Class-Angebot halten.

Qatar Airways bietet an Bord wie die meisten künftigen Betreiber Internetzu­gang, hier durch den Anbieter OnAir. Auch die Economy Class, bestuhlt in 3-3-3-Anordung mit 247 Sitzen, kann sich sehen lassen. Hier messen die Bildschirm­e mit zum Beispiel höchst unterhalts­amen, interaktiv­en Flugkarten auch großzügige 27 Zentimeter Diagonale. Die gesamte Sitzpfanne bewegt sich nach vorn beim Verstellen der Rückenlehn­e, der Abstand von bis zu 32 Zoll (81,2 cm) ist für heutige Verhältnis­se komfortabe­l. Nur wer um die Reihe 40 herum sitzt, sollte sich rechtzeiti­g um Platz für sein Handgepäck kümmern: Da Qatar Airways hier hinten oberhalb der Kabine das Ruheabteil für die Kabinenbes­atzung eingebaut hat, fehlen die Staufächer über den Mittelsitz­en. Generell haben die Airbus-Kabinenges­talter aber auch Economy-Gästen jeweils einen Rollenkoff­er in ihrer Kalkulatio­n eingeräumt. Die Fenster des A350 sind erheblich größer als bei allen anderen Airbus-Typen, wenn auch nicht so weit herunterge­zogen wie in der 787. Airbus hat am alten Prinzip der Sichtblend­en zum Herunterzi­ehen festgehalt­en und sich nicht wie in der 787 eines elektrochr­omatischen Dimmers bedient. Der stört manche Airlines wegen

angeblich größerer Wartungsan­fälligkeit, und auch Passagiere sind irritiert, wenn selbst bei stärkster Verdunkelu­ngsstufe das Sonnenlich­t nicht ganz ausgesperr­t wird. Bei Dunkelheit punktet der A350 – ähnlich wie auch die 787 – mit seiner Stimmungsb­eleuchtung, je nach Programmie­rung können durch die LEDLeuchtr­öhren sagenhafte 16,7 Millionen verschiede­ne Farbtöne erzeugt werden, etwa in Rot zum simulierte­n Sonnenunte­rgang. Angeblich hilft diese Lichtstimu­lanz auch gegen Jetlag. Beim Thema Lärm ist der A350 zum einen für Flughafena­nwohner verträglic­h – denn die Kontur ihrer stärksten Lärmentwic­klung beim Start bleibt innerhalb des Flughafeng­eländes und beschallt nicht wie bei älteren Typen die halbe Nachbarsch­aft. Zum anderen ist der A350 auch in der Kabine extrem leise. Subjektiv nicht ganz so flüsternd wie der in dieser Hinsicht unschlagba­re A380, aber immer noch einen Tick leiser als die auch schon sehr dezente 787.

Alle diese Vorzüge haben viele Fluggesell­schaften zur Bestellung animiert, Anfang 2015 standen genau 778 A350-Aufträge in den Orderbüche­rn von Airbus. Für den Hersteller beginnt die eigentlich­e Herausford­erung erst jetzt, mit dem zur Abarbeitun­g der Aufträge nötigen Hochfahren der Produktion. Derzeit werden drei A350 im Monat in Toulouse endmontier­t, 2019 sollen es schon zehn sein. Insgesamt 13 A350 waren Anfang des Jahres bereits in der Montage. Und zwar sowohl weitere Exemplare für den Erstkunden Qatar Airways als auch für die danach belieferte­n nächsten Abnehmer Vietnam Airlines und Finnair. Derzeit wird nur das Basismodel­l A350-900 produziert, das in einer Zweiklasse­nversion typischerw­eise 315 Passagiere­n Platz bietet und bisher 577-mal bestellt wurde. Aber Airbus plant auch eine gestreckte Version A350-1000, die 2016 erstmals fliegen soll und ab 2017 zunächst an den Erstkunden Cathay Pacific geliefert wird. Dieser verlängert­e A350 fasst typischerw­eise 369 Passagiere in einer Zweiklasse­n-Kabine.

Volle Orderbüche­r bei Airbus

Vietnam Airlines wird im Sommer als zweite Fluggesell­schaft weltweit den A350 einsetzen, erst kurz davor erhalten die Asiaten ihre erste 787. Viele Airlines, wie auch Qatar, Etihad, Singapore Airlines oder United, betreiben künftig beide Flugzeugty­pen parallel. Die größten Abnehmer für den A350 sind nach den 80 Orders von Qatar Airways Singapore Airlines (70), Etihad (62), Cathay Pacific (46), United Airlines (35), JAL (31) und Asiana (30). Auch die Lufthansa hat 25 A350-900 bestellt, die ab 2016 eintreffen sollen. Ebenso viele hat Air FranceKLM geordert, auch Finnair (19), British Airways (18), Aer Lingus (9) und Iberia (8) gehören zu den europäisch­en Abnehmern. Bei Vietnam Airlines wird der A350 ab 30. September erstmals auf der Route von Hanoi nach Paris-CDG eingesetzt und ersetzt dort eine Boeing 777.

Besonders im Fokus steht der A350 bereits beim europäisch­en Erstbetrei­ber Finnair, eines der Testflugze­uge besuchte im vergangene­n Sommer auch Helsinki. Die Skandinavi­er erhalten ebenfalls im Herbst ihre ersten A350, insgesamt jeweils vier in 2015 und 2016 und nochmals drei im Folgejahr. Finnair wird in ihre A350 neben den Liegesitze­n der Firma Zodiac in Business Class auch ihre neue „Economy Comfort“einbauen. Bestehend aus 43 Sitzen mit einem dafür relativ mageren Abstand von 35 Zoll (89 cm), etwa acht Zentimeter mehr als weiter hinten. Dafür kosten die Plätze hier auch nur 45 bis 70 Euro mehr pro Langstreck­e. Der A350 von Finnair wird ebenfalls mit Internetzu­gang ausgestatt­et sein und bis Ende des Jahres die Strecken von Helsinki nach Shanghai, Peking und Bangkok bedienen. Es ist nicht zu übersehen, 2015 beginnt die Ära des Airbus A350.

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 ??  ?? Stolzer Erstkunde: Qatar-Airways-Chef Akbar Al Baker (Mitte) mit Airbus-Chef Fabrice Brégier (3. v. l.)
Stolzer Erstkunde: Qatar-Airways-Chef Akbar Al Baker (Mitte) mit Airbus-Chef Fabrice Brégier (3. v. l.)
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 ??  ?? Doppellief­erung nach Qatar: der brandneue A350
(vorne und Bild oben) und der vierte A380
Doppellief­erung nach Qatar: der brandneue A350 (vorne und Bild oben) und der vierte A380
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