Beginn einer neuen Ära
Der Airbus A350 feiert 2015 in Katar,Vietnam und Finnland Premiere – Passagiere dürfen sich auf einen topmodernen Langstreckenjet freuen
die Fluggesellschaften und ihre Passagiere sind nicht gerade verwöhnt, wenn es um die Pünktlichkeit der Lieferung neuer Flugzeugtypen geht. Zuletzt waren die beiden wichtigsten neuen Passagierjets ihrem ursprünglichen Terminplan um drei Jahre und mehr hinterhergeflogen. So passiert beim Riesenflieger Airbus A380, und bei der Boeing 787 sah es nicht viel besser aus. Die Branche und Airbus im Besonderen haben daraus gelernt. Viele Verfahren wurden vereinfacht und vereinheitlicht, die Möglichkeiten der Airlines für individuelle Extravaganzen in ihren Kabinen beschränkt. Trotzdem überraschte es angesichts früherer Erfahrungen, wie glatt die Entwicklung und Erprobung des neuesten AirbusProdukts verlief, des zweistrahligen Langstreckenflugzeugs A350.
Wettlauf mit der Zeit
Schon im Jahr 2012 hatte der europäische Flugzeughersteller angekündigt, bis Ende 2014 sowohl die Flugerprobung und Zulassung als auch die erste Ablieferung eines Serienflugzeugs über die Bühne zu bringen. Nach dem Erstflug im Juni 2013 begann der Wettlauf mit der Zeit, bis zu fünf Testflugzeuge absolvierten parallel das beinharte Erprobungsprogramm für neue Flugzeugtypen. Der A350 ist das erste von Grund auf neue Airbus-Flugzeug seit dem A380 – und vermutlich für mindestens eine Dekade auch die letzte echte Neuheit. Insgesamt 2.600 Flugstunden lang wurde auf 680 Flügen alles im Passagiereinsatz Denkbare und auch
Undenkbare mit dem A350 getestet. Dann erhielt er im September 2014 seine europäische Typenzulassung und im November die amerikanische – „so schnell haben wir das noch nie geschafft“, jubelte Programmleiter Didier Evrard.
Und nun wollte Airbus noch kurz vor Weihnachten den allerersten A350 pünktlich an den Erstkunden Qatar Airways ausliefern. Doch deren Chef Akbar Al Baker ist ein harter Partner, selbst wenn es nur um allerkleinste Feinheiten bei seinen neuen Flugzeugen geht. Erst im Sommer hatte er die Auslieferung seiner ersten A380 mehrfach platzen lassen. Das Buffet war in Toulouse schon bestellt, als er nur wenige Tage vorher die geplante Übergabe des ersten A350 Mitte Dezember absagte. Und es bedurfte hektischer Verhandlungen hinter den Kulissen, um einen neuen Termin unmittelbar vor Weihnachten festzuzurren. Am 22. Dezember war es schließlich so weit, und in Toulouse herrschte Feierstimmung vor und im Auslieferungszentrum von Airbus. „Heute ist ein besonderer Tag in der Geschichte unserer Airline, als globaler Erstkunde von insgesamt 80 A350 erhalten wir das erste Exemplar des neuesten und modernsten Flugzeugs, das die Welt für mindestens ein Jahrzehnt zu sehen bekommt“, sprach Akbar Al Baker begeistert in die Mikrofone. Danach stiegen Festgäste und Journalisten in den brandneuen Langstreckenjet vor der Tür und absolvierten über den Pyrenäen einen Rundflug, auf dem der Champagner in Strömen floss. Die Welt war wieder in Ordnung – für Airbus und seine Kunden.
Antwort auf Boeings Dreamliner
Deutsche Fluggäste sind die ersten, die den neuen Jet im Liniendienst erleben können, denn Qatar Airways setzt ihren ersten A350 als Weltpremiere seit 15. Januar täglich auf der Strecke DohaFrankfurt ein, ab März ihren zweiten. Und ist damit Vorreiter bei einem neuen Flugzeugtyp, der Airlines und Passagiere gleichermaßen begeistern dürfte. Der zweistrahlige A350 ist die Antwort der Europäer auf Boeings „Dreamliner“, der seit Ende 2011 weltweit im Liniendienst steht. Airbus nutzte die Gnade der späteren Einführung, um die Effizienz ihres neuesten Jets nochmals dramatisch zu erhöhen: Neun Prozent weniger Treibstoff verbrauche das Basismodell A350900 im Vergleich zum entsprechenden Modell 787-9, die Betriebskosten lägen sogar um zehn Prozent niedriger, betont der Hersteller. „Vor allem versuchen wir aber, gegenüber den heute weitverbreiteten Boeing-Typen 777-200 und -300 einen Quantensprung zu schaffen, denn der A350 verbraucht ganze 25 Prozent weniger Kerosin“, begeistert sich Airbus-Marketingchef Kiran Rao.
Ähnlich wie die 787, nur bei einem effizienzsteigernden, um 13 Zentimeter
breiteren Rumpf, besteht derA350 zu 53 Prozent aus leichtem, hochfestem Verbundwerkstoff. Damit bietet er Reisenden ähnliche Vorteile wie der Dreamliner, etwa die angenehmere Kabinenatmosphäre, die nur einer Höhe von 1.800 Metern über dem Meer entspricht und damit weniger ermüdend sein soll als die bisheriger Jets, deren „Kabinenhöhe“bei circa 2.000 Metern liegt. Die Luftfeuchtigkeit kann durch die korrosionsresistenten Verbundwerkstoffe auf bis zu 16 Prozent gesteigert werden, was ebenfalls dem Wohlbefinden an Bord dient.
Einstieg mit Wow-Effekt
Bereits beim Einsteigen inszeniert Qatar Airways wie auch in der Boeing 787 den großen Auftritt für ihre Passagiere, die unter einem ausladenden, runden Lichtdom an der Decke und zwischen zwei großzügigen Konsolen im BusinessClass-Abteil das Flugzeug betreten. In der Business-Class-Kabine mit ihren 36 in 1-2-1-Anordnung installierten und an den Fenstern nach außen gerichteten Sitzen herrscht identischer Komfort zu Qatars anderen neuen Flugzeugen, der 787 und dem A380. Die Kabine hier wirkt licht und großzügig – auch weil über den Doppelsitzen in der Mitte die Staufächer weggelassen wurden. Der Platz in den extragroßen Staufächern an beiden Seiten ist trotzdem so üppig bemessen, dass jeder Business-Class-Gast genügend Raum für zwei Rollenkoffer hätte. Ganz zu schweigen von den riesigen Bildschirmen mit 43-Zentimeter-Diagonale. Die Stimmen von Vielfliegern mehren sich, die das Produkt für das derzeit beste Business-Class-Angebot halten.
Qatar Airways bietet an Bord wie die meisten künftigen Betreiber Internetzugang, hier durch den Anbieter OnAir. Auch die Economy Class, bestuhlt in 3-3-3-Anordung mit 247 Sitzen, kann sich sehen lassen. Hier messen die Bildschirme mit zum Beispiel höchst unterhaltsamen, interaktiven Flugkarten auch großzügige 27 Zentimeter Diagonale. Die gesamte Sitzpfanne bewegt sich nach vorn beim Verstellen der Rückenlehne, der Abstand von bis zu 32 Zoll (81,2 cm) ist für heutige Verhältnisse komfortabel. Nur wer um die Reihe 40 herum sitzt, sollte sich rechtzeitig um Platz für sein Handgepäck kümmern: Da Qatar Airways hier hinten oberhalb der Kabine das Ruheabteil für die Kabinenbesatzung eingebaut hat, fehlen die Staufächer über den Mittelsitzen. Generell haben die Airbus-Kabinengestalter aber auch Economy-Gästen jeweils einen Rollenkoffer in ihrer Kalkulation eingeräumt. Die Fenster des A350 sind erheblich größer als bei allen anderen Airbus-Typen, wenn auch nicht so weit heruntergezogen wie in der 787. Airbus hat am alten Prinzip der Sichtblenden zum Herunterziehen festgehalten und sich nicht wie in der 787 eines elektrochromatischen Dimmers bedient. Der stört manche Airlines wegen
angeblich größerer Wartungsanfälligkeit, und auch Passagiere sind irritiert, wenn selbst bei stärkster Verdunkelungsstufe das Sonnenlicht nicht ganz ausgesperrt wird. Bei Dunkelheit punktet der A350 – ähnlich wie auch die 787 – mit seiner Stimmungsbeleuchtung, je nach Programmierung können durch die LEDLeuchtröhren sagenhafte 16,7 Millionen verschiedene Farbtöne erzeugt werden, etwa in Rot zum simulierten Sonnenuntergang. Angeblich hilft diese Lichtstimulanz auch gegen Jetlag. Beim Thema Lärm ist der A350 zum einen für Flughafenanwohner verträglich – denn die Kontur ihrer stärksten Lärmentwicklung beim Start bleibt innerhalb des Flughafengeländes und beschallt nicht wie bei älteren Typen die halbe Nachbarschaft. Zum anderen ist der A350 auch in der Kabine extrem leise. Subjektiv nicht ganz so flüsternd wie der in dieser Hinsicht unschlagbare A380, aber immer noch einen Tick leiser als die auch schon sehr dezente 787.
Alle diese Vorzüge haben viele Fluggesellschaften zur Bestellung animiert, Anfang 2015 standen genau 778 A350-Aufträge in den Orderbüchern von Airbus. Für den Hersteller beginnt die eigentliche Herausforderung erst jetzt, mit dem zur Abarbeitung der Aufträge nötigen Hochfahren der Produktion. Derzeit werden drei A350 im Monat in Toulouse endmontiert, 2019 sollen es schon zehn sein. Insgesamt 13 A350 waren Anfang des Jahres bereits in der Montage. Und zwar sowohl weitere Exemplare für den Erstkunden Qatar Airways als auch für die danach belieferten nächsten Abnehmer Vietnam Airlines und Finnair. Derzeit wird nur das Basismodell A350-900 produziert, das in einer Zweiklassenversion typischerweise 315 Passagieren Platz bietet und bisher 577-mal bestellt wurde. Aber Airbus plant auch eine gestreckte Version A350-1000, die 2016 erstmals fliegen soll und ab 2017 zunächst an den Erstkunden Cathay Pacific geliefert wird. Dieser verlängerte A350 fasst typischerweise 369 Passagiere in einer Zweiklassen-Kabine.
Volle Orderbücher bei Airbus
Vietnam Airlines wird im Sommer als zweite Fluggesellschaft weltweit den A350 einsetzen, erst kurz davor erhalten die Asiaten ihre erste 787. Viele Airlines, wie auch Qatar, Etihad, Singapore Airlines oder United, betreiben künftig beide Flugzeugtypen parallel. Die größten Abnehmer für den A350 sind nach den 80 Orders von Qatar Airways Singapore Airlines (70), Etihad (62), Cathay Pacific (46), United Airlines (35), JAL (31) und Asiana (30). Auch die Lufthansa hat 25 A350-900 bestellt, die ab 2016 eintreffen sollen. Ebenso viele hat Air FranceKLM geordert, auch Finnair (19), British Airways (18), Aer Lingus (9) und Iberia (8) gehören zu den europäischen Abnehmern. Bei Vietnam Airlines wird der A350 ab 30. September erstmals auf der Route von Hanoi nach Paris-CDG eingesetzt und ersetzt dort eine Boeing 777.
Besonders im Fokus steht der A350 bereits beim europäischen Erstbetreiber Finnair, eines der Testflugzeuge besuchte im vergangenen Sommer auch Helsinki. Die Skandinavier erhalten ebenfalls im Herbst ihre ersten A350, insgesamt jeweils vier in 2015 und 2016 und nochmals drei im Folgejahr. Finnair wird in ihre A350 neben den Liegesitzen der Firma Zodiac in Business Class auch ihre neue „Economy Comfort“einbauen. Bestehend aus 43 Sitzen mit einem dafür relativ mageren Abstand von 35 Zoll (89 cm), etwa acht Zentimeter mehr als weiter hinten. Dafür kosten die Plätze hier auch nur 45 bis 70 Euro mehr pro Langstrecke. Der A350 von Finnair wird ebenfalls mit Internetzugang ausgestattet sein und bis Ende des Jahres die Strecken von Helsinki nach Shanghai, Peking und Bangkok bedienen. Es ist nicht zu übersehen, 2015 beginnt die Ära des Airbus A350.