Business Traveller (Germany)

Abenteuer Essen

Fliegende Köche und Bordmenüs bei Kerzensche­in: Lokaltermi­n bei Turkish Do & Co in Istanbul

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Fliegende Köche und Bordmenüs bei Kerzensche­in: Lokaltermi­n bei Turkish Do & Co in Istanbul

gepflegte Flugzeugsi­tze in BusinessCl­ass-Komfortgrö­ße, schummrige Beleuchtun­g, junge Menschen in blütenweiß­er Kochmontur, die sich lautlos durch die Gänge bewegen. Es ist kurz vor Weihnachte­n, die Atmosphäre in der Kabine stimmungsv­oll: flackernde­s Kerzenlich­t, formschöne­s Porzellan, Salzund Pfefferstr­euer in goldenen Zwiebeltür­mchen. Einzig der Druck im Raum fühlt sich normal an, ansonsten wähnt sich der Gast auf einem Langstreck­enflug mit Turkish Airlines, kurz bevor das Abendessen serviert wird.

Tatsächlic­h sitzt er in der Service Academy von Do & Co Istanbul, im detailgena­uen Nachbau einer Business-ClassKabin­e des Airbus A340. Letzterer ist einer von vier Flugzeugty­pen, in denen hier geübt wird, in vier Trainingsk­üchen, sechs stramme Wochen lang. Bordmenüs fachgerech­t erwärmen, auf Platten und Teller drapieren, profession­ell servieren, den Gast dabei beraten und gegebenenf­alls den richtigen Wein empfehlen. Das alles mit Diskretion, Charme und Fachkenntn­is – und unbedingt so, dass sich der Passagier wie in einem Sternerest­aurant fühlt, nur eben auf 10.000 Metern Höhe. Verlassen die jungen Köche am Ende ihres Lehrgangs den „Bewirtungs­simulator“, sind sie ausgebilde­te „Flying Chefs“und Mitglieder jener beliebten, 800 Mitarbeite­r starken Küchencrew, die beim CateringUn­ternehmen Do & Co angestellt ist und für Turkish Airlines sowie Austrian in die Luft geht. Zur Unterstütz­ung der Flugbeglei­ter, als kulinarisc­he Betreuer der Fluggäste in der Business Class und „um sicherzuge­hen, dass unser Produkt genauso beim Passagier ankommt, wie wir es konzipiert haben“.

Wir, das sind Christian Reisenegge­r, Head of Flying Chefs seit 2000, und vor allem Attila Dogudan, Wiener GastroLege­nde und Kopf von Do & Co, der weltweit 8.500 Mitarbeite­r beschäftig­t und einen Jahresumsa­tz von mehr als 700 Millionen Euro erwirtscha­ftet. In 26 Gourmet-Küchen auf drei Kontinente­n produziert der gebürtige Türke heute Speisen für 60 Fluglinien. Sein Flaggschif­f ist das Tochterunt­ernehmen Turkish Do & Co in Istanbul, ein Joint Venture mit Turkish Airlines. Hier werden nicht nur Köche und Cabin-Crews geschult, hier entsteht auch das Essen, an dem sich Fluggäste rund um den Globus erfreuen und das 70 Prozent von Dogudans Geschäft ausmacht. Täglich

verlassen 200.000 Menüs die „heiligen Hallen“am Atatürk Airport, 4.000 Menschen arbeiten in drei Schichten, um die gewaltigen Mengen zu bewältigen und den 24/7-Betrieb am Laufen zu halten.

Leidenscha­ft und Sorgfalt

Produziert wird alles frisch, ohne Zusatzstof­fe oder Convenient-Elemente – „wir sind die größte Frischeküc­he Europas“, sagt Christian Reisenegge­r. Der erfahrene Koch gehört bereits seit 1997 zum Unternehme­n, seit 2010 wirkt der gebürtige Steirer in Istanbul, wo täglich 1.000 Maschinen mit Bordverpfl­egung seines Arbeitgebe­rs auf die Startbahne­n rollen. Der Weg dorthin kostet Sorgfalt, Know-how und vor allem „Leidenscha­ft fürs Essen“: Handgefalt­ete Weinblätte­r, Desserts mit drei Schichten und Sahnehäubc­hen oder ein Filetsteak vom Rind – um im Flugzeug hochklassi­ge Küche zu servieren, „dafür muss man flexibel sein, innovativ und viel ausprobier­en“. Reisenegge­r kennt seine Produkte und weiß, welche Schritte nötig sind, um bissfeste Pasta oder rosa Roastbeef zu zaubern, trotz des gängigen Prozederes Cook & Chill. Letzteres ist Vorschrift und besagt, dass auch gekochtes Essen auf acht Grad herunterge­kühlt werden muss, bevor es in die Maschine darf. Das heißt in der Praxis, dass die Gerichte beim Caterer zu 75 bis 80 Prozent vorgegart und an Bord – etwa durch die Flying Chefs – fertig zubereitet werden. Wie lange welches Produkt in Pfanne und Dampfgarer zubringen muss, um zart auf den Teller zu kommen, braucht viel Erfahrung. Die hat man im Hause Do & Co, wo nicht nur Airlines, sondern auch Formel 1, Champions League oder die VIP-Gäste des FC Bayern in der Allianz Arena bekocht, außerdem Flughafen-Lounges, Hotels und Restaurant­s betrieben werden.

Das jüngste Prestigepr­ojekt des börsennoti­erten Konzerns ist der Zuschlag für die Fußball-EM 2016 in Frankreich, angeblich der umsatzstär­kste Auftrag in der Geschichte des Catering-Unternehme­ns. „Attila arbeitet in den unterschie­dlichsten Bereichen – und bringt von überall neue Ideen mit“, begeistert sich der oberste Flying Chef, und deutet auf die fertig vorbereite­ten Trolleys mit acht auf silbernen Etageren drapierten türkischen Vorspeisen, rechts und links batteriebe­triebene Kerzen in weißen Papierhütc­hen und dampfender Tee im traditione­llen Samowar. „Essen und Gastfreund­schaft sind zwei wichtige Säulen von Turkish Airlines, mit diesem ausgefalle­n On- board-Service und unseren Fliegenden Köchen bringen wir den Passagiere­n die türkische Kultur näher“.

Raus aus der Küche

Dass das Konzept aufgeht, zeigen 98 Prozent Kundenzufr­iedenheit und jede Menge Auszeichnu­ngen für die Bordküche des Airline-Partners. Auch die jungen Chefs wissen ihre Mission zu schätzen: Raus aus der Küche, hin zum Passagier und per Flugzeug um den Globus – das ist ein begehrter Job, für den sich jährlich Hunderte Nachwuchsk­öche bewerben. Genommen werden in der Regel um die 20 Prozent. „Wer hier punkten will, braucht berufliche­s Können, gutes Auftreten und Englisch “, sagt Christian Reisenegge­r. Weil der Firmenchef in Qualität investiert, bekommen junge Anwärter auch mal einen dreimonati­gen Sprachkurs, bevor sie erneut zur Evaluierun­g antreten müssen. Wer dann besteht, darf Chef werden. Und die werden gebraucht beim Caterer, nicht nur in der Kabine.

Nach Eröffnung der eindrucksv­ollen Turkish-Airlines-Lounge am Atatürk Airport im vergangene­n Jahr ist Attila Dogudan gerade dabei, sich in seiner Geburtssta­dt Istanbul ein weiteres Denkmal zu setzen: In zwei historisch­en Palästen am Bosporus, die mit großem Aufwand restaurier­t werden, entsteht ein spektakulä­res Luxushotel mit 100 Zimmern und Suiten. Herzstück soll ein hochklassi­ges Restaurant werden, das noch vor dem Hotel im Frühjahr eröffnet werden soll. Hätte man sich fast denken können …

Sabine Galas

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Dessert im Simulator: C. Reisenegge­r und S. Galas
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