Deutsche Airports:
Der Luftverkehr boomt – wer mithalten will, muss ausbauen. Eine aktuelle Bestandsaufnahme
einFlughafen, auf dem keine Baukräne stehen, bei dem stimmt etwas nicht“, hat Michael Kerkloh mal gesagt. Der Chef des Münchner Flughafens und Branchenveteran weiß, wovon er spricht, vor seinem heutigen Amt leitete er die Geschäfte des Flughafens Hamburg. Und egal, wo Kerkloh agiert, Baukräne gehören an seinen Wirkungsstätten zum Pflichtinventar. Denn eins ist sicher, trotz kurzfristiger Rückschläge wegen Wirtschaftskrisen, Terrorangst oder Brexit: Die Luftfahrt boomt, in Deutschland nicht ganz so stürmisch wie in anderen Ländern, für deren Regierungen der Luftverkehr ein strategisches Instrument ist.
Trotzdem stemmen die größten deutschen Drehkreuze in den kommenden Jahren massive Ausbauten, und das in vielen Fällen ganz ohne den Steuerzahler zu belasten. Expansion ist nötig, denn auch 2016 wuchs das Verkehrsaufkommen auf den deutschen Flughäfen um durchschnittlich drei Prozent, etwa 220 Millionen Passagiere wurden abgefertigt. Schon bis Ende November 2016 wurden so viele Fluggäste gezählt wie im ganzen Jahr 2014 zusammen. Besonders gestiegen ist 2016 das Aufkommen auf Europa-Flügen (plus 4,2 Prozent) und innerhalb Deutschlands (plus 2,7 Prozent), ein kleines Minus (0,8 Prozent) verbuchte dagegen der Interkontinentalverkehr.
München: Baukräne im Dauereinsatz
Besonders gut nachvollziehen lässt sich die Entwicklung am Münchner Flughafen: Vor genau 25 Jahren, im Mai 1992, wurde die neue Anlage im Erdinger Moos eröffnet, der alte Flughafen in Riem geschlossen, dort steht heute die Messe. Und 1992 zählte München insgesamt zwölf Millionen Passagiere. Als Faustregel gilt in der Luftfahrt, dass sich der Verkehr alle 20 Jahre verdoppelt. In der bayerischen Hauptstadt brauchte man dafür nur gut ein Jahrzehnt, bereits 2003 waren 24,2 Millionen erreicht. 20 Jahre nach Eröffnung, 2012, hatte sich der Verkehr mit 38,4 Millionen Fluggäs-
ten schon mehr als verdreifacht. Und für 2017 rechnet man am Münchner Airport mit ein bis zwei Millionen mehr Auf- kommen als im Vorjahr und könnte damit die 44-Millionen-Grenze knacken. Stillstand darf also im Erdinger Moos nie sein, und genauso wenig längere Perioden ohne Baukräne. Die wurden im Osten des Flughafens mit dem im April 2016 in Betrieb gegangenen Satelliten des Terminals 2 gerade abgebaut, ihr nächster Einsatz im Westen des Areals ist aber bereits in Planung. Dort steht das Terminal 1, das in den 1970er-Jahren entworfene Ursprungsgebäude. Damals war keine Rede von Drehkreuz-Flughäfen, es ging um möglichst kurze Wege vom Auto zum Gate. Entsprechend dezentral – und für heutige Verhältnisse unpraktisch – ist Terminal 1 gestaltet.
Doch 25 Jahre nach seiner Eröffnung setzt der Flughafenbetreiber hier zum großen Wurf an: Im Abflugbereich B, wo heute Air-Berlin-Jets andocken, wird möglicherweise schon 2022 ein neues, 326 Meter langes Gebäude eröffnet, das im rechten Winkel zum bestehenden
Terminal weit ins westliche Vorfeld hineinragt. Vier vorhandene Parkpositionen müssen dafür weichen, im Gegenzug bietet die geplante 400 Millionen Euro teure Erweiterung zwölf Flugsteige, zwei davon auch A380-tauglich. Grundlegend neu für das Terminal 1 wird sein, dass es hier eine zentrale Sicherheitskontrolle für den Anbau geben soll, dahinter einen großen „Marktplatz“mit exklusiven Läden sowie Gastronomie. „Allein im Anbau können jährlich sechs Millionen Fluggäste abgefertigt werden, so viele wie in Hannover“, erklärt Kerkloh. Der Satellit des Terminals 2 bewältigt sogar elf Millionen Passagiere im Jahr, was dem Aufkommen des Flughafens Köln/ Bonn entspricht.
Noch nicht wesentlich weitergekommen ist man in München mit der geplanten dritten Start- und Landebahn, allerdings steht deren möglicher Bau in keinem direkten Zusammenhang mit der Erweiterung des Terminals 1. „Wir sind auch ohne die neue Bahn noch in einer komfortablen Position“, betont Michael Kerkloh. Manchmal allerdings geht es auch schneller als 25 Jahre, bis ein bestehendes Terminal überarbeitet wird. Das 2003 eröffnete Terminal 2 erhält bereits seit vergangenem Sommer eine modernisierte Ankunftsebene. Dort ging es bisher oft dicht gedrängt zu – ab Herbst dieses Jahres sollen die Passagierflüsse optimiert werden und „mehr Platz, mehr Komfort, mehr Aufenthaltsqualität“herr- schen, verspricht der Flughafen. Dafür wurde durch die Überdachung von zwei so genannten Tiefhöfen im Norden und Süden des Terminals 2 mehr Fläche auf der Ankunftsebene gewonnen.
Frankfurt: größtes Ausbauprojekt seit Jahrzehnten
Auch Frankfurt hat sich bereits im vergangenen Jahr die Ankunftsebene des Terminals 1 vorgenommen, dort allerdings den Außenbereich vor dem Gebäude. Hier hat man die Vorfahrt modernisiert und verkehrsberuhigt. Dafür wurden Schranken eingebaut, zehn Minuten Aufenthalt sind für Abholer jetzt kostenlos, es gibt weniger Staus und bessere Orientierung. Das sind allerdings Peanuts im Vergleich zum größten Ausbauprojekt des Rhein/Main-Flughafens seit Jahrzehnten: Terminal 3 im Süden des Geländes. Seit 1997 wurde diskutiert, 2005 die alte USAir-Base geschlossen, auf deren Fläche der neue Komplex für 14 Millionen Passagiere entsteht. Geschätzte drei Milliarden Euro wird eines der umfangreichsten privat finanzierten Infrastruktur-Projekte Europas kosten.
Im Oktober 2015 erfolgte der erste Spatenstich, bis Mai 2016 war der so genannte Trockenaushub vollendet, die Ausschachtung der Baugrube auf 5,50 Meter Tiefe. Noch mindestens zwei Jahre wird es in Anspruch nehmen, die Grube auf über 20 Meter Tiefe zu bringen, inklusive der äußerst komplexen Arbeiten in einem 40.000 Quadratmeter großen Grundwassersee. Während die Bauarbeiten für die Straßenanschlüsse bereits laufen, können die Hochbau-Maßnahmen vermutlich erst 2020 starten. Am Ende wird ab 2023, so der Plan, ein TerminalGebäude mit gläsernen Wänden die Fluggäste willkommen heißen. Entworfen hat es der Frankfurter Architekt Christoph Mäckler, es ist der Berliner Nationalgalerie in der Anmutung nicht ganz unähnlich. Vom zentralen Gebäude aus ragen wie ein großes V zwei Piers auf das Vorfeld in Richtung Südbahn, die Pier J mit 600 Metern Länge und die Pier H mit 400 Metern bieten zusammen 24 GatePositionen für Flugzeuge.
Insgesamt 306.000 Quadratmeter Geschossfläche weist das Gebäude auf fünf Etagen auf, das Terminal 3 wird
über hundert Check-in-Schalter verfügen und die Gesamtzahl der Schalter in Frankfurt auf 480 erhöhen. Angebunden ist der neue Bereich an die heutigen Terminals 1 und 2 mit einem führerlosen Flughafenzug, der getrennt von der bisherigen SkyLine operiert. Die Trasse der neuen Flughafenbahn beginnt nahe dem Sheraton Hotel beim Fern- und Regionalbahnhof gegenüber dem Terminal 1, stoppt im Terminal 2, wo ein räumlich nahegelegener Übergang zur SkyLine geschaffen wird. Danach verlässt die aufgeständerte Bahn das Gebäude und umfährt am östlichen Rand das Flughafengelände. Dabei unterquert sie die Einflugschneise und führt ebenerdig in Richtung Terminal 3, das dann wieder über der Erde auf Höhe der Abflugebene erreicht wird.
Die gesamte Fahrt vom Bahnhof bis zum neuen Abflugbereich wird nur acht Minuten dauern, und Flughafenbetreiber Fraport verspricht, die bisherige Mindestumsteigezeit von 45 Minuten einzuhalten. Diese Zeitspanne ist schon heute für viele Umsteiger in Frankfurt schwer zu bewältigen, die vom Terminal 1/Bereich C, wo etwa Thai Airways, aber auch Lufthansa mit ihren Tel-Aviv-Diensten abfliegt, zum Bereich A müssen oder umgekehrt. Ab Mitte dieses Jahres wird der bestehende SkyLine-Zug einen neu geschaffenen Halt am Bereich C einlegen, nutzbar allerdings nur für Passagiere innerhalb des Transitbereichs, doch für diese sicher eine hochwillkommene Erleichterung. Auch in Frankfurt hofft man, damit des erwarteten schnellen Passagierzuwachses Herr zu werden. Nach knapp 60,8 Millionen in 2016 geht man bereits von bis zu 73 Millionen Reisenden im Jahr 2021 aus.
Kräftige Zuwächse in BerlinSchönefeld und Köln/Bonn
Zwei deutsche Flughäfen erlebten im vergangenen Jahr massive Zuwächse weit oberhalb des Durchschnitts: In Berlin-Schönefeld waren es plus 37 Prozent, in Köln/Bonn plus 15 Prozent. Da in der Hauptstadt die Eröffnung des neuen BER weiterhin nicht absehbar ist und nun frühestens 2018 erfolgen soll, Tegel aber nicht mehr wachsen kann (plus ein Prozent im letzten Jahr), konzentrieren sich die Betreiber auf eine Ertüchtigung von Schönefeld. Im Dezember 2016 eröffnete das neue Terminal D Ankunft,
das als Übergangslösung bewusst schlicht gehaltene Gebäude bietet auf über 4.000 Quadratmetern unter anderem drei Gepäckausgabebänder, eGates für die automatische Grenzkontrolle sowie Läden und Gastronomie. Parallel wurde im Terminal B die Fassade um zehn Meter weiter nach außen verlegt und so die Fläche um 460 Quadratmeter erweitert. Gleichzeitig konnte die Gepäckhalle um 300 Quadratmeter aufgestockt werden, macht unterm Strich eine Kapazitätssteigerung bei der Gepäckabfertigung um 40 Prozent. So stückelt man in Berlin, um auch ohne den BER die steigende Nachfrage irgendwie zu bewältigen.
Im nächsten Schritt wird dieses Jahr das bisher für Abflug und Ankunft genutzte Terminal D zum reinen Abflugterminal. Da die Ankunft in den dafür errichteten Neubau ausgelagert wurde, können jetzt vier weitere Sicherheitskontrolllinien und 16 weitere Check-in-Schalter Platz finden. Auch hier wird zusätzlich die Fassade nach außen verschoben, ein Kampf um jeden Meter. Im Terminal A entsteht innerhalb des Sicherheitsbereichs in diesem Jahr ebenfalls zusätzliche Aufenthaltsfläche für Passagiere, um der manchmal drangvollen Enge ein wenig abzuhelfen.
In Köln/Bonn dagegen, das vor allem von Eurowings und ihrer neuen Langstrecken-Operation profitiert, reicht die Kapazität bisher, hier wird 2017 lediglich ein neuer Verbindungsgang innerhalb des Sicherheitsbereichs geschaffen, zwischen dem B-Stern des Terminals 1 und dem Terminal 2, was das Umsteigen erleichtern soll.
Hamburg: neue Fluggastbrücken, Facelift fürs Vorfeld
Auch Hamburg erreichte mit 16,2 Millionen Passagieren 2016 einen Rekord. Hier ist man derzeit in zwei Bereichen dabei, die Kapazität zu steigern. Im Frühjahr nehmen zwei neue DoppelFluggastbrücken ihren Betrieb auf, die wahlweise zwei Flugzeuge des Formats eines Airbus A320 mit dem Gebäude verbinden können – oder eine A380. Rund eine Million Euro kostet das pro Brücke, und die Investition soll sich lohnen, da Emirates zugesagt hat, nach deren Fertigstellung bald die A380 auch nach Hamburg zu bringen. Das ist der einzig verbliebene von fünf Flughäfen in Deutschland, von dem aus der Riese noch nicht nach Dubai fliegt. Gleichzeitig wird bis 2020 das gesamte Vorfeld erneuert, der 40 bis 60 Jahre alte Beton auf 330.000 Quadratmetern ausgetauscht. Bei der Gelegenheit führt man ein neues Verkehrskonzept für das Rollen der Flugzeuge am Boden ein, bisher galt hier ein Einbahnstraßensystem, künftig geht es teilweise in zwei Richtungen voran. Das führt zur Verkürzung der Rollwege und -dauer, spart Sprit, CO2-Emissionen und Lärm.