AUSPROBIERT BAHN
FRANKFURT – MAILAND (DIREKTZUG)
Deutsche Bahn / SBB / Trenitalia EC 151
HINTERGRUND: Früher war alles besser – zumindest im europäischen Bahnnetz. Bis 2009 verkehrte ein Nachtzug von Frankfurt nach Mailand, von einer Finanzmetropole in die andere. Nachdem die Verbindung eingestellt wurde, mussten Reisende fortan in der Schweiz umsteigen. Nervig für alle, die unterwegs arbeiten.
Mit dem aktuellen Winterfahrplan lebt die alte Direktzuglinie nun wieder auf. Dass die Bahnkonzerne ihr gemeinsames Projekt gerade jetzt umsetzen, hängt mit dem neuen Gotthard-Basistunnel zusammen. Das 57 Kilometer lange Bauwerk wurde 2016 eröffnet; es ist der längste Eisenbahntunnel der Welt. Der neue EC 151 verkehrt täglich mit Zwischenhalten u. a. in Mannheim, Karlsruhe, Freiburg, Basel, Luzern und Lugano (wir haben die Strecke zwischen Freiburg und Mailand getestet).
ANKUNFT: Um 10.13 Uhr rollt der Zug in Freiburg ein, überpünktlich, aber direkt mal auf dem falschen Gleis. Als Erstes geht der Zoll an Bord. Blick in die Gänge, ins Restaurant, ins Bord-WC. „Mal schauen, ob unser Vierkantschlüssel passt“, sagt ein Zöllner und testet die Tür. Auch ich taste mich neugierig vor. Der Zug, betrieben von der Schweizer Bahngesellschaft SBB, kommt mit landestypischer Ausstattung daher. Markantestes Beispiel: die Vis-à-vis-Sitze, in denen sich je zwei Personen gegenübersitzen, getrennt durch einen Klapptisch. In der 1. Klasse gibt es auch Einzelsitze.
AUSSTATTUNG: Runde LED-Lichter, blaue Sitze, Leselampen neben der Kopfstütze: Besonders groß scheint der Unterschied zum ICE nicht zu sein. Da sind die Steckdosen, die sowohl in der deutschen als auch in der Schweizer Form existieren. Da sind die Ansagen, die auf Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch durchgeführt werden. Und natürlich die kleinen Pannen, die Erinnerungen an die Deutsche Bahn wecken: „Geschätzte Fahrgäste, das elektronische Reservationssystem ist derzeit gestört“, erklärt eine Stimme. Die viersprachigen Anzeigetafeln bleiben dunkel.
FAHRT: Ruhig fährt der Zug an, vielleicht etwas zu gemächlich in Anbetracht der Tatsache, dass er 250 km/h schaffen könnte. Dank Neigetechnik kippen die Waggons in den Kurven sportlich zur Seite. Zum Arbeiten herrscht in der ersten Klasse eine ruhige Atmosphäre. Die Klapptische sind in der Größe mit denen im Flugzeug vergleichbar.
Je weiter der Zug fährt, desto mehr vermischen sich die Stimmen. Italienisch, Französisch, Schwyzerdütsch: Um sicherzugehen, spricht der Schaffner die Passagiere zuerst auf Englisch an. Draußen verändert sich die Landschaft mit jedem Kilometer. Fischerboote und Villen am Luganersee, eingeschneite Palmen auf der italienischen Seite. Schließlich die Vororte Mailands: verlassene Fabrikgebäude, Hochhäuser, Graffiti. Dazwischen Autos, die sich über die verstopfte Autostrada quälen. Keine Frage: Der Zug ist schneller.
SERVICE: Schon kurz nach der Abfahrt erscheint ein Steward in der ersten Klasse. Er verteilt Speisekarten. Eine Tasse Kaffee: 4,60 CHF. Käseteller: 17,90 CHF. Zürcher Geschnetzeltes: 25,70 CHF, bezahlbar auch in Euro. Interessant hierbei: Zwei Mahlzeiten kosten mitunter mehr als die gesamte Reise (Sparpreise beginnen bei 49,90 Euro pro Strecke; regulär kostet der Euro-City 112,40 Euro pro Fahrt, in der 1. Klasse ab 119,90 Euro). Drahtloses Internet gibt es nicht, was ungewohnt ist für alle, die regelmäßig ICE fahren. Auch Zeitschriften sucht man vergeblich. Dafür gibt es meist guten Handy-Empfang, sogar im neuen Gotthard-Basistunnel. Und große Fenster, an denen die Weinberge des Kaiserstuhls vorbeiziehen, später dann die schneebedeckten Alpen.
ANKUNFT: 15.50 Uhr: Mit 15-minütiger Verspätung rollt der EC 151 im Bahnhof ein. Endstation: Milano Centrale. Der Schneesturm hat Fahrt aufgenommen, die Wollmäntel flattern im Wind. Erst vor dem Gebäude wird die imposante Kulisse deutlich. Marmor, wohin man sieht. Überall Straßenverkäufer, Panini und Pizza. Wer Lust hat, könnte jetzt noch bis Venedig weiterfahren. Oder Rom. Oder Neapel. Mit dem Zug, alles an einem Tag.
ZUGTYP
ETR610
HERSTELLER
Alstom
ANZAHL ZÜGE
19 (SBB), 7 ( Trenitalia)
INBETRIEBNAHME
2009
WAGEN ZAHL
7
SITZPLÄTZE
420
1. KLASSE
124
2. KLASSE
296
HÖCHSTGESCHWINDIGKEIT
250 km/h
ZUGLÄNGE
187,4 m