Wer sind eigentlich diese Reichsbürger?
Von Eric Hofmann DRESDEN - Seit den tödlichen Schüssen des Reichsbürgers Wolfgang P. (49) auf einen Polizisten stellt sich auch in Sachsen die Frage: Wie tickt die hiesige Szene und welche Gefahr geht von ihr aus? Keine einfach Frage, denn der Verfassungsschutz beobachtet die Szene bisher nicht.
„Den Reichsbürger an sich gibt es nicht“, erklärt Martin Döring (54), Sprecher des Sächsischen Verfassungsschutzes. „Es gibt verschiedene Ideologien, denen nur gemeinsam ist, dass sie die Bundesrepublik nicht anerkennen. Wer sich aber zum Beispiel an die Weimarer Reichsverfassung gebunden fühlt, ist kein Extremist.“Beobachtet werden die Staatsverleugner daher kaum. „Nur wenn sie in rechtsextremistischen Strukturen tätig werden, können wir sie erfassen.“
Dabei steigt das Aggressionspotential der zersplitterten Bewegung - besonders gegenüber Gerichtsvollziehern: Die körperlichen Attacken stiegen von 2012 bis 2015 von 3 auf 28, Beschimpfungen von 37 auf 1028 Fälle. Der Übergriff des „Deutschen Polizeihilfswerks“(DHPW) auf einen Gerichtsvollzieher Ende 2012 nahe Meißen schlug hohe Wellen. Zuletzt sorgte Andreas S. (56) in Oderwitz für einen SEK-Einsatz, weil er seinen Vater als Geisel nahm.
Besonders aggressiv tritt die neue Gruppe „Bundesstaat Sachsen“auf, die sich dieses Jahr gegründet hat und im Januar unter anderem Ministerpräsident Stanislaw Tillich (57, CDU) schrieb, jetzt die offizielle Regierung zu sein und ihm zu einer Selbstanzeige riet. Bei einem Gerichtsprozess gegen deren selbsternannte Innenministerin Dorothea K. sicherte ein Großaufgebot den Verhandlungssaal.
Aus Seifhennersdorf stammt auch Viola M. (55), Aktivistin des Vereins „staatenlos.info“, für den sie bundesweit Mahnwachen, wie jeden Montag auf dem Theaterplatz, abhält. Auch bewarb sie eine unter falschem Vorwand angemeldete Vortragsveranstaltung des „Preußischen Außenministers“Thomas M. am 17. Januar. Im letzten Augenblick kam die Schulleitung dahinter. Viele Reichsbürger sind jedoch nicht in Gruppen aktiv, sehen sich als „staatliche Selbstverwalter“, also als Einpersonenstaat.