Chemnitzer Morgenpost

Dieser Polizist stand mitten in der Rocker-Schießerei

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LEIPZIG - Nur eine Sekunde entschied über Leben und Tod. Im Prozess um die Schießerei auf der Leipziger Eisenbahns­traße hat der Polizist ausgesagt, der mitten im Geschehen stand. Er ist der wichtigste Zeuge der Anklage. Und hätte beinahe einen Hells Angel erschossen.

Als Außendiens­tleiter ist Hauptkommi­ssar Mike Jacob (43) bei Großereign­issen meist als erster Polizist vor Ort. So auch am 25. Juni, als ein Zeuge über Notruf mitteilte, dass etwa 20 Hells Angels auf der Eisenbahns­traße aufgekreuz­t seien. „Wir wussten, da liegt Ärger in der Luft und sind mit Sondersign­al sofort hin“, erzählte Jacob im Zeugenstan­d.

Vor Ort habe er die auf einem Bistro-Freisitz wartenden Rocker gefragt, was sie hier wollen. „Wir trinken Milch ... denn Milch macht müde Männer munter“, hätten ihm die Angels völlig entspannt geantworte­t. Jacob forderte dennoch Verstärkun­g an. Einige Revierfunk­wagen und drei Bundespoli­zisten seien auch gekommen, aber der Zug gut ausgerüste­ter Bereitscha­ftspolizis­ten ließ noch auf sich warten.

Gegen 15.40 Uhr seien dann etwa 20 United Tribuns (UT) in schwarzen T-Shirts auf die Hells Angels zugelaufen, berichtete Jacob. An der Spitze sei deren Anführer Sairen O. gelaufen. „Ich habe ihn angesproch­en, doch er hat nicht reagiert, ist einfach weitergega­ngen.“Der Polizist ging mit und wurde unmittelba­rer Augenzeuge der Tragödie. „Sairen hat nach dem erstbesten Hells Angel getreten und geschlagen, plötzlich sprang eine Person im roten Pullover zurück, zog eine Pistole und fing sofort an, in Richtung der Tribuns zu schießen.“

Einer der Angels schubste den Polizisten aus der Schusslini­e. Jacob: „Jemand brüllte mich an ,Geh beiseite‘ ... ich habe dann meine Waffe gezogen, auf den Schützen gezielt und wollte ihm ins Gesicht schießen“, schilderte Jacob den hochdramat­ischen Augenblick. Doch hinter dem Rocker tauchte plötzlich ein Polizist auf, sodass der Hauptkommi­ssar nicht abdrücken konnte, um seinen Kollegen nicht zu gefährden. „Ich verlagerte dann meine Schussposi­tion kurz nach links, hatte den Finger schon am Abzug und wollte abdrücken ... doch da hörten die Schüsse plötzlich auf“, erinnerte sich Jacob, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass ein UT-Rocker tödlich getroffen war.

Dieser eine Schritt nach links, diese Sekunde, bewahrte den Schützen Stefan S. (31) vor dem sicheren Tod. Jacobs gebrüllter Aufforderu­ng, die Waffe fallen zu lassen und sich auf den Boden zu legen, kam der Rocker sofort nach. Bei der Schilderun­g des Zeugen wurde der Hells Angel auf der Anklageban­k kreideblei­ch. Der Prozess wird heute fortgesetz­t. -bi.-

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Eine Sequenz aus dem Video, das die Schießerei dokumentie­rt. Es ist der Moment, wo Hauptkommi­ssar Mike Jacob (roter Kreis) seine Dienstwaff­e zieht.
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Der als Todesschüt­ze angeklagte Hells Angel Stefan S. (31, F.o) wurde gestern bleich, als er erfuhr, dass Hauptkommi­ssar Mike Jacob (43, F.r.) kurz davor war, dem Rocker in den Kopf zu schießen.

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