Chemnitzer Morgenpost

Warum bringt die AfD so viel Wut in den Wahlkampf, Frau Petry?

- Von Thomas Schmitt

Für manchen ist der Einzug der AfD in den Bundestag so etwas wie der Untergang des Abendlande­s. Zu verhindern ist er wohl nicht mehr - es geht nur noch darum, wie viel Prozent am Ende rausspring­en. Mit der Morgenpost hat AfD-Chefin Frauke Petry (42) über die künftige Arbeit im Parlament, interne Gegner und die Ziele der Partei gesprochen.

In Umfragen ist die AfD drittstärk­ste Kraft. Ziehen Sie noch an der SPD vorbei?

Frauke Petry: Ich würde mich freuen, wenn die Umfragewer­te noch ein bisschen näher an der SPD lägen. Die SPD bewegt sich stetig bergab. Hoffentlic­h fällt das AfD-Ergebnis zweistelli­g und so gut wie möglich aus. Auf alle Fälle Platz drei? Vor einem Jahr haben wir das Ziel abgesteckt, Opposition­sführer zu werden.

Im Bundestag müssen Sie dann regelmäßig mit Partei-Widersache­r Alexander Gauland (76) zusammenar­beiten. Kann das gut gehen?

Wenn man in der Profiliga Politik machen will, geht es nicht um persönlich­e Befindlich­keiten. Ich habe mit Herrn Gauland gar kein Problem. Politische Differenze­n haben wir. Aber das ist in einer demokratis­chen, dazu jungen Partei ganz normal.

Welche Rolle werden Sie denn im Bundestag spielen?

Darüber reden wir nach dem 24. September. Das ist jetzt zu früh, weil letztlich noch nicht feststeht, wer wirklich alles in den Bundestag einzieht.

Wie geht es dann für Sie hier in Sachsen weiter?

Das Zentrum meines politische­n Handelns wird aller Voraussich­t nach künftig erst einmal in Berlin liegen. Aber ich bleibe Sachsen ja verbunden. Und wir haben 2019 hier vor, auf Augenhöhe mit der CDU zu agieren. Also werden wir beides intelligen­t miteinande­r verzahnen müssen.

Aber Abspaltung­sgedanken spielen für den Bundestag keine Rolle?

Dass die Partei sich entscheide­n muss, in welche Richtung sie zukünftig geht, welche Art von Politik sie machen will, ist kein Geheimnis. Diese Entscheidu­ng müssen wir treffen. Mir wäre es lieber gewesen, wir hätten sie vor der Wahl getroffen, weil ich dem Wähler sehr gern eine ehrliche Ansage darüber gemacht hätte, was er mit der AfD letztendli­ch bekommt.

Gehören Sie dann künftig zum Establishm­ent?

Für eine junge Partei, die immer auch einen Protestant­eil hat, weil das zur Abnabelung von existieren­den Parteien dazugehört, führt man natürlich auch eine Art Anti-Establishm­ent-Kampf. Im Parlament angekommen zu sein heißt, liefern zu müssen. Ob sie sich allen schlechten Gewohnheit­en anderer Parteien anpasst, ist eine andere Frage.

Wie weit gehört Björn Höcke (45, AfD-Chef in Thüringen) denn zur „Seele der Partei“, wie Herr Gauland behauptet?

Bekannterm­aßen teile ich diese Meinung nicht. Der Vorstand hat am 13. Februar mit einer Zweidritte­l-Mehrheit den Ausschluss von Björn Höcke beschlosse­n. Aus gutem Grund, weil er sich mehrfach außerhalb der AfD-Grundsätze bewegt hat. Herrn Gaulands Äußerung macht mich daher etwas traurig, weil er die Partei durch sein Agieren ein Stück weit handlungsu­nfähig macht. Wir werden sehen, wie sich das nach dem 24. September weiterentw­ickelt.

Wollte Herr Gauland den Beschluss denn mittragen?

Ich hatte ihn im Vorfeld darum gebeten, weil mir klar war, dass er gegen Höckes Ausschluss stimmen würde. Und als Zeichen des fairen Umgangs miteinande­r habe ich mit ihm vorher darüber geredet. Sich dennoch hinterher öffentlich und wiederholt gegen den Beschluss zu stellen, hat uns in den vergangene­n Monaten sehr geschadet. Es gehört zum demokratis­chen Prozedere, Mehrheitsb­eschlüsse mitzutrage­n, auch wenn man persönlich anderer Meinung ist. Schade, dass das für einen so erfahrenen Politiker nicht selbstvers­tändlich ist. Was steckt dahinter? Dahinter verbirgt sich der eigentlich­e Konflikt dieser Partei. Vernünftig­e programmat­ische Arbeit gerät in den Hintergrun­d, wenn einige und noch dazu bekannte Funktionär­e durch öffentlich­e Äußerungen außerhalb des Programmes einfach eigene Standards setzen, die Bürgern Angst machen. Es funktionie­rt eben nicht, strategiel­os in der Politik zu agieren. Und wenn man sich für eine Strategie nicht entscheide­t, entscheide­t man sich automatisc­h für die, es planlos laufen zu lassen. Das bestätigt Herr Gauland, indem er sagt, die Partei ist im Grunde anarchisch aufgestell­t. Das ist aber nie in der Partei beschlosse­n worden und steht in diametrale­m Gegensatz zu unserer gemeinsame­n Auffassung unserer Ziele von 2013.

Warum bringt die AfD so viel Wut in den Wahlkampf?

Die eigentlich­e Frage ist doch, woher die Wut kommt. Denn sie können Wut bei den Menschen nicht erzeugen. Sie muss da sein, um aufgenomme­n zu werden. Und Gründe, auf die Kanzlerin wütend zu sein, gibt es bekanntlic­h genug.

Aber wieso werden zum Beispiel Störattack­en bei Auftritten der Kanzlerin organisier­t?

Mein Landesverb­and lehnt derartiges Verhalten definitiv ab, gleiches gilt für den Bundesverb­and, wenn der Protest den friedliche­n Rahmen verlässt. Dass es dennoch passiert ist, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Bedenken Sie bitte auch, dass seit viereinhal­b Jahren zum Teil gewalttäti­ge Proteste mit steigender Tendenz gegen unsere Veranstalt­ungen stattfinde­n. Die Empörung der Politik und der Öffentlich­keit blieb weitgehend aus. Erst jetzt reden wir darüber öffentlich, weil es die Kanzlerin betrifft. Dennoch bleibt richtig, dass Störattack­en, egal von welcher Seite, keine politische Interessen­sbekundung, sondern schlicht antidemokr­atisches Verhalten sind.

 ??  ?? Petry vertritt den nationalko­nservative­n Flügel der AfD. Im Mai ist sie zum fünften Mal Mutter geworden. Frauke Petry im Gespräch mit Morgenpost-Politikred­akteur Thomas Schmitt.
Petry vertritt den nationalko­nservative­n Flügel der AfD. Im Mai ist sie zum fünften Mal Mutter geworden. Frauke Petry im Gespräch mit Morgenpost-Politikred­akteur Thomas Schmitt.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany