Erdogans Geisel drohen 20 Jahre Haft
Schau-Prozess gegen deutsche Journalistin
Als erste von mehreren in der Türkei inhaftierten Deutschen steht die Journalistin Mesale Tolu vor Gericht. Die gegen sie erhobenen Terrorvorwürfe halten viele für konstruiert - auch sie selbst weist die Anschuldigungen entschieden von sich.
„Ich fordere meine Freilassung und meinen Freispruch“, sagte Mesale Tolu (32) am ersten Verhandlungstag. „Ich habe keine der genannten Straftaten begangen und habe keine Verbindung zu illegalen Organisationen.“Tolu gehört zu 18 Angeklagten, denen Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen werden. Ihr drohen nach Angaben ihrer Anwältin bis zu 20 Jahre Haft.
Tolu beklagte, dass sie seit mehr als fünf Monaten ohne Urteil in Untersuchungshaft gehalten werde. Auch ihr Ehemann sei in Untersuchungshaft. „Deswegen lebt mein Sohn, der eigentlich in den Kindergarten gehen müsste, seit fünf Monaten mit mir im Gefängnis.“
Die aus Ulm stammende Tolu kritisierte die Umstände ihrer Festnahme am 30. April, als Anti-Terror-Polizisten ihre Wohnung in Istanbul stürmten. „Die Spezialeinheit der Polizei hat nicht nur die Waffe auf meinen Sohn gerichtet, sondern sie haben mich auch noch vor den Augen meines Kindes gewaltsam festgenommen.“
Die Bundesregierung fordert die Freilassung Tolus und zehn weiterer Deutschen. Grünen-Chef Cem Özdemir
(51) betonte: „Eine Normalisierung des Verhältnisses zur Türkei kann es nicht geben, ohne dass die deutschen Geiseln in Freiheit kommen.“
Der Deutsche Richterbund befürchtet, dass Tolu und andere inhaftierte Deutsche in der Türkei kein faires, rechtsstaatliches Strafverfahren erwartet. In weiten Teilen der türkischen Justiz herrsche ein „Klima der Angst“. Die Linken-Fraktionsvize im Bundestag, Heike Hänsel (51), die den Prozess vor Ort beobachtet, bezeichnete das Verfahren gegen Tolu als „Schauprozess“.