Chemnitzer Morgenpost

Riesaer Mumien werden geröntgt

- Von Hermann Tydecks

RIESA - Gruselige Wissenscha­ft! Eine Forscherin untersucht jetzt erstmals die berühmten Mumien aus Riesa, die in der Gruft der Klosterkir­che liegen. Sie will die Geheimniss­e der alten Bestattung­srituale lüften. Dafür kommen die Leichen aus dem Gotteshaus sogar unters Röntgenger­ät.

Unterm Altar lockt das Reich der Toten: 24 Mumien liegen in Särgen in der Kirchengru­ft. Anthropolo­gin und Archäologi­n Amelie Alterauge (29) ergründet für ihre Promotion an der Uni Heidelberg neuzeitlic­he Bestattung­srituale, steigt dafür in die Riesaer Grabkammer hinab. „Es gibt noch viele Rätsel zu lösen“, sagt die Wissenscha­ftlerin. Eins davon: „Wussten die Verstorben­en überhaupt, dass sie mumifizier­t werden?“

Denn anders als in Ägypten wurden die Leichen offenbar nicht einbalsami­ert. Stattdesse­n führte ein besonderes Lüftungssy­stem zur Vertrocknu­ng der Leichen: Zwei Luftschäch­te wurden so hoch angelegt, dass keine Bodenfeuch­te in die Gruft eindringen konnte. So verwesten die Mumien nicht. War das Absicht oder Zufall? Teils tragen die Mumien sogar noch Kleider aus Samt und Seide. Es waren Ritterguts­herren und ihre Angehörige­n, die zwischen dem 17. und 19. Jahrhunder­t im zum Rittergut umgebauten Kloster lebten, dem niederen Adel angehörten.

Ein Leichnam ist schon 380 Jahre alt - ein 1637 verstorben­es Kind. „Das Geschlecht kennen wir noch nicht. Ob es noch ältere Leichname gibt, wollen wir herausfind­en“, sagt Amelie Alterauge. Unklar auch, ob 1833 der letzte Tote in der Gruft aufgebahrt wurde - angeblich ein Kartograf Napoleons. Darum röntgt die

Forscherin die Mumien mit einem mobilen Gerät, will so Alter, Knochenbau, Krankheite­n bestimmen.

„1828 wurde der Bestand der Mumien zuletzt erfasst“, sagt Kirchgemei­nden-Vorstand Michael Herold (59). „Für uns ist die Forschungs­arbeit darum ein Glücksfall.“Nur aller paar Jahre ist die Grabkammer öffentlich zugänglich. Wenn die Forscherin ihre Ergebnisse vorstellt (frühestens in einem Jahr), soll auch die Gruft wieder für kurze Zeit öffnen ...

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Mit einem mobilen Röntgen-Gerät durchleuch­tet Forscherin Amelie Alterauge (29) die Mumien in der Gruft der Klosterkir­che Riesa.
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Wussten die Verstorben­en, dass sie zu Mumien werden? Auch dieses Rätsel muss erst noch gelöst wern.

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